21.07.2017 11:23 Uhr

Fin Bartels exklusiv: "Darin steckt eine Gefahr"

Fin Bartels spricht exklusiv über zahlreiche Themen rund um Werder Bremen
Fin Bartels spricht exklusiv über zahlreiche Themen rund um Werder Bremen

Fin Bartels gehört bei Werder Bremen zu den absoluten Leistungsträgern und hatte großen Anteil an der starken Rückrunde der Grün-Weißen. Im exklusiven weltfussball-Interview warnt der Offensivspieler vor zu hohen Erwartungen, spricht außerdem über die Entwicklung seines Kumpels Max Kruse, bedauernswerte Abgänge und den Pokal-Fluch.

Herr Bartels, ganz Fußball-Deutschland hat noch die überragende Rückrunde von Werder Bremen im Kopf. Ihre Mannschaft mutierte vom Abstiegskandidaten zum Europa-Aspiranten. Erfolgt nun der nächste Schritt nach oben oder könnte es auch einen Rückschritt geben?

Fin Bartels: Die Rückrunde war natürlich hervorragend. Aber ich erinnere daran, dass wir vor zwei Jahren schon einmal eine starke Rückrunde gespielt und an Europa geschnuppert haben. Im nächsten Jahr waren wir dann wieder akut abstiegsgefährdet.

Das könnte nun also auch passieren?

Das hoffe ich nicht. Ich denke, dass wir diesmal auch mehr spielerische Qualität haben als es damals der Fall war.

Sie gehen also davon aus, dass Werder in diesem Jahr keinen Abstiegskampf erleben wird?

Das ist das Ziel. Aber diese Saison gibt es keinen Underdog. Mit Stuttgart und Hannover sind zwei starke Aufsteiger hinzugekommen. Viele Mannschaften müssen zunächst einmal zusehen, nicht im Abstiegskampf zu landen.

Werder beginnt auswärts bei der TSG Hoffenheim, dann kommen die Bayern, danach geht es zu den heimstarken Berlinern, dann kommt Schalke – viel schwieriger hätte der Auftakt nicht sein können, oder?

Das Auftaktprogramm hat es wirklich in sich. Darin steckt eine Gefahr: Wenn man die ersten Spiele wenige Punkte holt, fehlt einem das Selbstvertrauen. Man kann nicht mehr so locker die weiteren Spiele angehen. Andererseits sind die ersten Spiele auch sehr schöne Aufgaben. Letzte Saison haben wir zu Hause gegen die Bayern sehr ordentlich gespielt – das möchten wir wiederholen und auch etwas Zählbares mitnehmen.

Werder hat mit Jiří Pavlenka einen neuen Torwart verpflichtet. Welchen Eindruck haben sie von ihm?

Er ist sehr groß, wird daher bestimmt einige Bälle wegpflücken. Zudem ist er auf der Linie und im Eins-gegen-Eins sehr stark, hat auch tolle Reflexe.

Hat Sie der Torwart-Wechsel überrascht? Immerhin hat Felix Wiedwald eine starke Rückrunde gespielt.

Das auf jeden Fall. Ich finde seinen Weggang sehr schade – gerade auch aus persönlichen Gründen. Es ist immer bedauerlich, wenn ein Freund den Verein verlässt. Aber so ist eben das Fußball-Geschäft.

Während der Transferperiode wird in den Medien immer viel über Neuzugänge und Abgänge spekuliert. Erfahren Sie die neuesten Gerüchte auch lediglich aus den Medien oder sind Sie als Spieler mehr involviert?

Wenn es um Neuzugänge geht, bin ich als Spieler nicht eingeweiht. Die möglichen Überlegungen bekomme ich auch nur aus den Medien mit. Wenn aber einer unserer Spieler vor einem Weggang steht, spricht man natürlich in der Kabine darüber.

Dann dürfte es die letzten Monate viel Gesprächsstoff gegeben haben. Clemens Fritz ist weg, Serge Gnabry ist weg, Claudio Pizarro ebenfalls. Ist der Kader nun schlechter als letzte Saison?

Das würde ich nicht sagen. Natürlich sind erfahrene Spieler von Bord gegangen. Das waren wichtige echte Persönlichkeiten in unserem Mannschaftsgefüge. Clemens und "Pizza" lassen sich als Teamleader nicht einfach ersetzen. Umso mehr sind wir als gesamtes komplettes Team gefragt.

Sie haben die beste Saison Ihrer Karriere gespielt. Acht Tore und neun Vorlagen haben Sie auf dem Konto. Wie ist Ihre Leistungsexplosion zu erklären?

Ich bin positionstechnisch ein Stück nach vorne gerückt. Die ganze Mannschaft hat im Spiel nach vorne einen richtig guten Fußball gezeigt. Dort haben wir viel Qualität. Unser Problem lag vielmehr darin, das eigene Tor zu verteidigen.

Dieses Problem ist nicht neu. Seit vielen Jahren schießt Werder viele Tore, bekommt aber auch viele Gegentore. Liegt das in der DNA des Vereins?

Das denke ich nicht. Wir werden alles daran setzen, kommende Saison defensiv noch besser zu arbeiten.

Wie haben Sie die erstaunliche Entwicklung von Ihrem Sturm-Partner Max Kruse erlebt?

Es war einer der Gründe für unseren Aufschwung. Er hatte aufgrund seiner Verletzung zunächst einige Monate gefehlt und musste danach erst einmal in die Mannschaft finden. Seine Rückrunde war dann überragend. Mit seinen Laufwegen, seiner Übersicht und seiner Torgefahr macht er das Spiel unserer Mannschaft besser.

Gehört Max Kruse in die Nationalmannschaft?

Ja, definitiv.

Sie haben nicht nur mit Max Kruse, sondern auch mit Florian Bruns früher beim FC St. Pauli zusammengespielt. Bruns wurde als Co-Trainer bei Werder nun aussortiert. Wie haben Sie das aufgenommen?

Ich fand das sehr schade. Soweit ich weiß, sind alle Spieler super mit ihm zurecht gekommen. Aber vielleicht bin ich da auch etwas voreingenommen, weil ich ihn schon lange kenne. Er hat mit dem SC Freiburg nun einen einen tollen neuen Club gefunden – das freut mich für ihn.

Das erste Pflichtspiel wird das DFB-Pokalspiel gegen die Würzburger Kickers sein. Sie müssen zusehen, weil Sie vor einem Jahr eine rote Karte gesehen haben. Trotzdem: Wie groß ist die Stolpergefahr?

Es gäbe sicherlich einfachere Aufgaben. Würzburg hat gerade ein Testspiel gegen Bayer Leverkusen mit 3:0 gewonnen. Auch wenn Testspiele nicht überzubewerten sind, hat Würzburg offenbar eine richtig gute Mannschaft. Gerade im Hinblick darauf, dass wir uns in der 1. Pokalrunde häufig schwer getan haben, wird das ein hartes Spiel.

Letzte Saison schied Werder in der 1. Runde gegen die Sportfreunde Lotte aus. Hat man als Spieler so etwas im Hinterkopf?

Vor dem Spiel denkt niemand daran. Aber zugegeben: Wenn es lange 0:0 steht oder man sogar in den Rückstand gerät, könnten solche Gedanken aufkommen.

Sportchef Frank Baumann spricht in Bremen gerne von einer Wohlfühlatmosphäre. Ist das in Bremen wirklich anders als bei St. Pauli oder Hansa Rostock, wo Sie früher waren?

Beim FC St. Pauli war es ähnlich. Dort war alles sehr harmonisch und familiär – einfach ein toller Verein. Wenn man sich im Verein und der ganzen Stadt wohlfühlt, kann ein Spieler bessere Leistungen bringen. Das war in Hamburg so und ist in Bremen genauso.

Das Gespräch führte Oliver Jensen