10.09.2017 11:35 Uhr

CL-Erfinder: Neymar-Transfer "ein wenig pervers"

Der Neymar-Transfer erntet weiter Kritik
Der Neymar-Transfer erntet weiter Kritik

Gerhard Aigner macht aus seinen Bedenken kein Geheimnis. "Ja, auch ich finde es ein wenig pervers", urteilte der ehemalige Generalsekretär der Europäischen Fußball-Union im Interview über den 222-Millionen-Transfer von Brasiliens Superstar Neymar vom FC Barcelona zu Paris St. Germain.

"Ich kann das nicht begrüßen. Ich weiß auch nicht, ob das Publikum Summen über 100 Millionen Euro noch akzeptieren wird. Ich verstehe da ein Stück weit den Fanverdruss am Profifußball", fügte der 74-jährige Regensburger hinzu, der zusammen mit den Vermarktern Jürgen Lenz (73) und Klaus Hempel (69) als der Erfinder Champions League vor 25 Jahren gilt. Hempel: "Ja, das ist schon ein bisschen krank. Aber Exzesse wird es leider in jeder Struktur geben."

Die Königsklasse des europäischen Klubfußballs ist längst zu einem Milliardengeschäft geworden. Hat die Champions League damit mittelbar auch diesen Wahnsinns-Transfer zu "verantworten", weil die Klubs mit aller Gewalt im Konzert der europäischen Top-Ensembles die erste Geige spielen wollen?

Paris ohne Champions League keine "Lichterstadt"

"Diese Trophäe zu gewinnen, ist das Ziel aller großen Vereine. PSG kann sich bisher nicht dazu zählen, deshalb haben die einen besonderen Appetit", betonte Aigner. Hempels Ansicht geht in dieselbe Richtung: "Und dennoch beweist dieser Transfer die Strahlkraft der Champions League. Rein fußballerisch gesehen hätte Paris ohne die Champions League keine Chance, im Fußball eine Lichterstadt zu werden."

Und Aigner denkt auch an das Financial Fair Play (FFP), das eigentlich den Wettbewerb gerechter machen sollte, weil die Klubs angehalten sind, nicht mehr Geld auszugeben als sie einnehmen: "Das ist der Versuch, das Financial Fair Play zu umgehen. Es ist eine Grauzone, die die Vereine versuchen zu erforschen. Es hängt von der UEFA ab, wie streng sie ihr eigenes Reglement handhaben will."

Heftigen Widerstand gibt es vonseiten der Macher in Bezug auf die ab 2018 eingeführten neuen Anstoßzeiten in der Champions League (19:00 und 21:00 statt einheitlich 20:45 Uhr). "Eine einheitliche Anstoßzeit zwischen Süd-, Ost-, Nord- und Westeuropa zu finden, war ein Mammutakt. Aber gerade die Einheitlichkeit war für die Marke Champions League entscheidend", sinnierte Hempel.

Platini und Co. wie "Giftschlangen"

Er und Lenz haben sich vor zehn Jahren zurückgezogen, die Anteile am Vermarkter TEAM verkauft. "Wir waren ja fast dazu gezwungen", betonte Lenz. Man habe fast zwei Jahrzehnte lang gut mit Lennart Johansson [UEFA-Präsident, d. Red.] zusammengearbeitet und sah sich dann - auch aus dem UEFA-Exekutiv-Komitee heraus - mit dem Vorwurf konfrontiert, für Lennart Johansson und gegen Michel Platini [späterer UEFA-Präsident, d. Red.] Wahlkampf zu betreiben: "Das war absurd, aber wirkte wie das Gift einer Schlange."

Für Platinis Art der UEFA-Präsidentschaft haben die Champions-League-Macher nur ein Kopfschütteln übrig. Hempel: "Es war eine tolle Zeit, aber dann war die Zeit zu gehen. Zumal sich Platini deutlich ins Lager von Joseph S. Blatter [FIFA-Präsident, d. Red.] geschlagen hatte, wie später ja auch medial zu erfahren war."

Zum später von der FIFA-Ethikkommission gesperrten Blatter hat das Trio ein sehr gespaltenes Verhältnis. "Wenn es Skepsis gegen die Champions League gab, bin ich sicher, dass Blatter sie mitgeschürt hat", urteilte Ex-UEFA-"General" Aigner.

Früher war alles besser

Inzwischen haben sich Lenz, Hempel und Aigner ins Privatleben zurückgezogen, leben allesamt in der Schweiz. Aigner betonte, dass ihm "verschiedene Dinge" im Fußball nicht mehr gefallen, "aber ich bin da aus einer anderen Generation. Das muss man auch ehrlich zugestehen".

Und die Stärkung der großen Verbände, die künftig sogar vier Fixstarter haben, wird auch kritisch gesehen. "Die Champions League müsste auch in der Zahl der Teilnehmer aus einem Land ihre Rarität beibehalten. Täglich Kaviar und Champagner schmecken auf Dauer schal", sagte Lenz. Schlusswort von Hempel: "'Weniger ist mehr' ist eigentlich immer noch der entscheidende Gedanke."