07.08.2020 14:27 Uhr

Kroos in Topform: Der Mitläufer ist wieder Taktgeber

Toni Kroos ist wieder Taktgeber bei Real Madrid
Toni Kroos ist wieder Taktgeber bei Real Madrid

Mit Real Madrid feierte Toni Kroos jüngst den 26. Titelgewinn seiner Laufbahn. Damit ist der 30-Jährige so hochdekoriert ist kein anderer deutscher Fußballer. Der ehemalige Star des FC Bayern hat sein Formtief mit dem Restart der spanischen Primera División endgültig abgelegt. Das dürfte vor allem die Königlichen freuen, denn in der Champions League braucht Real seinen Spielgestalter wohl mehr denn je.

Noch im Jahr zuvor galt der deutsche Nationalspieler als Gesicht der königlichen Krise. Kroos, der durch zahlreiche Verletzungen zurückgeworfen wurde, war in ungewohnter Weise nur Mitläufer statt Taktgeber. Bei Auswechslungen wurde der Regisseur teils sogar mit Pfiffen bedacht.

Kroos geriet vor allem öffentlich in den Fokus der Kritiker. Der Deutsche spiele sehr schlecht, "ohne Rhythmus im Angriffsspiel und wenig Unterstützung im Abwehrverhalten", urteilte beispielsweise die Real-freundliche "Marca" nach einem der schwächeren Auftritte des Nationalspielers.

Auch Ex-Real-Keeper Bodo Illgner erkannte Schwierigkeiten in Kroos' Spiel und analysierte: "Toni hat seine Stärken im Spiel nach vorne mit seiner Ballsicherheit und den Pässen in die Spitze. Dort aber ist die Situation seit Ronaldos Abgang sehr mau. Da kann sich dann Kroos auch wenig darauf einstellen, Abnehmer für seine Pässe zu finden."

Was bei aller Kritik jedoch oft vergessen wurde: Kroos war unfreiwillig auch Opfer des königlichen Systems. Unter Ex-Coach Julen Lopetegui spielte das gesamte Team un­in­s­pi­rierten Fußball. Der Rekordmeister beendete die Saison 2018/19 nicht ganz zufällig mit 19 Punkten Rückstand auf den FC Barcelona.

Toni Kroos, der "König des Mittelfelds"

Mittlerweile scheint das rückblickend fast unerklärliche Leistungstief jedoch vergessen. Nach zwei Jahren ohne Liga-Titel ist Real Madrid zurück auf dem spanischen Fußball-Thron - und das mit einem formstarken Kroos, der von allen Seiten Lob einheimst.

Trainer Zinédine Zidane rühmte seinen Schützling als "großartigen Anführer", Kapitän Sergio Ramos bezeichnete ihn als "unverzichtbares Mitglied unseres Teams" und die Sportzeitung "Mundo Deportivo" hob Kroos als "König des Mittelfelds" hervor.

In der Tat spielte der 96-fache deutsche Nationalspieler in der abgelaufenen Saison wieder auf höchstem Niveau. Dafür sprechen unter anderem seine wettbewerbsübergreifenden sechs Tore und neun Assists - nur Karim Benzema sammelte mehr Scorerpunkte.

Ligaweit war Kroos hinter Barcelonas Gerard Piqué und Sergio Busquets der Spieler mit den drittmeisten Ballaktionen. Unfassbar starke 93,5 Prozent seiner Pässe landeten bei einem Mitspieler, besser war in der Primera División keiner. Zurecht berief die UEFA den Spielmacher ins La-Liga-Team der Saison.

Das "Metronom" läuft also wieder rund, was dem Spiel der Madrilenen sehr zugutekommt. Zehn der elf Spiele nach dem Restart gewann Real, das einzige Unentschieden setzte es am letzten Spieltag, als die 34. Meisterschaft der Königlichen bereits feststand.

Kroos unter Zidane wieder Spielmacher

Dass der spanische Rekordmeister im Schlussspurt der Spielzeit einen Zwei-Punkte-Rückstand auf den FC Barcelona in einen Fünf-Punkte-Vorsprung ummünzte, ist nicht zuletzt Kroos' Leistungssteigerung zu verdanken.

Zusammen wieder erfolgreich: Kroos und Zidane
Zusammen wieder erfolgreich: Kroos und Zidane

Ein ebenfalls wichtiger Faktor ist Trainer Zidane. Der Franzose, 2018 überraschend zurückgetreten, kehrte nur neun Monate später zurück ans Ruder. Anders als unter Lopetegui und Interimslösung Santiago Solari, scheint Kroos nun wieder das Vertrauen des Coaches zu spüren - auch, weil er seltener als Abräumer vor der Abwehr, sondern mehr als Ballverteiler auf der Achterposition agieren darf.

In dieser Rolle wird der Stratege auch am Freitagabend in der Champions League gegen Manchester City (ab 21 Uhr im sport.de-LIVE-Ticker) auflaufen. Bei der 1:2-Heimniederlage im Hinspiel saß Kroos unerwartet 90 Minuten auf der Bank. Zidane wollte für den Clásico gegen Barca nur vier Tage später offenkundig einen fitten Kroos und wiegelte die Maßnahme damals als "taktische Entscheidung" ab. 

Ilkay Gündogan stellt sich auf Kroos-Einsatz ein

Am Freitag, in diesem "sehr, sehr wichtigen Spiel" (O-Ton Kroos) gegen Manchester, sind die Fähigkeiten des Deutschen als Spielgestalter wohl gefragter denn je. Ramos fehlt rotgesperrt, Aufbau und Kontrolle der Partie fallen demnach größtenteils dem 30-Jährigen zu.

So erwartet es auch City-Star Ilkay Gündogan: "In unseren Planungen spielt Toni natürlich eine entscheidende Rolle. Er dürfte es sein, der das Spiel von hinten heraus noch mehr antreibt."

Kroos selbst ist von der schwierigen Ausgangslage wenig beeindruckt. "Ich glaube, dass wir eine Chance haben und in der Lage sind, das zu drehen. Gerade nach unserem Liga-Titel können wir sehr selbstbewusst nach Manchester fahren", erklärte er in seinem Podcast "Einfach mal Luppen".

Außerdem verwies der Mittelfeldspieler auf einen weiteren, kleinen Real-Vorteil: "Wer sich am besten anpasst, gewinnt am Ende. In der Liga waren wir das und ich hoffe, dass wir das wieder sein können."

So offen der Kampf um den Titel in der Champions League auch sein mag: Klar ist spätestens in den letzten Wochen geworden, dass die Königlichen ihr Ziel nur mit einem Toni Kroos in Bestform erreichen können.

Tom Kühner