02.06.2016 16:45 Uhr

Rummenigge: Haben Wahnsinnsangebot abgelehnt

Karl-Heinz Rummenigge hat sich zu einer Vielzahl kritischer Themen geäußert
Karl-Heinz Rummenigge hat sich zu einer Vielzahl kritischer Themen geäußert

Seit Monaten diskutiert die Fußballwelt über die Verschiebung der Machtverhältnisse im Profigeschäft. Die Premier League flutet den Markt mit horrenden Summen aus dem neuen TV-Vertrag und zwingt die internationale Konkurrenz, der Preistreiberei standzuhalten. Nun hat sich Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender beim FC Bayern, zur Rolle des deutschen Rekordmeisters geäußert und Maßnahmen gefordert, um die Bundesliga langfristig gegen Angriffe von der Insel zu wappnen. 

Angesprochen auf einen möglichen Abgang von Identifikationsfigur Thomas Müller gewährte der 60-Jährige Einblick in die Philosophie des Klubs: "Als wir letztes Jahr ein Wahnsinnsangebot von Manchester United (für Müller, Anm. d. Red) hatten, war das keine Sekunde ein Thema. Dabei hätten wir einen Transferrekord für die Weltgeschichte erzielen können", so Rummenigge in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die Begründung liefert er gleich mit: "Wenn wir einen echten Bayern-Spieler schnitzen ließen, käme Thomas Müller dabei heraus. In der Nähe von München geboren, hier ausgebildet, der Held der Fans". Ein deutliches Signal, dass sich die Macher beim FCB bewusst sind, was sie an ihrem Eigengewächs haben.

"Zucker nicht noch hochkant reinblasen"

Auf Nachfrage zur vereinseigenen Talentförderung gibt der Europameister von 1980 zu, dass die Aufstiegschancen für den eigenen Nachwuchs gesunken sind. "Ich weiß nicht, ob es heute für einen Badstuber oder Müller, die mit 19 bei van Gaal ihre Chance bekamen, so unkompliziert möglich wäre", gibt Rummenigge zu bedenken und fügt an: "Noch haben wir Spieler aus dem eigenen Stall. Aber wir müssen da wieder besser werden und Spieler nach oben bringen".

Kritik äußert er an der längst zur Normalität gewordenen Überversorgung von Jung-Stars: "In deutschen Nachwuchszentren wird professionell gearbeitet, vielleicht manchmal zu professionell. Wir müssen aufpassen, dass wir da den Zucker nicht noch hochkant reinblasen. Die Jugendspieler müssen wieder in einer gewissen Normalität aufwachsen". Gleichzeitig rechtfertigt er die stolze Ablösesumme (35 Millionen Euro) für Neuzugang Renato Sanches: "Das ist der Markt. Wenn Sie einen Mann mit Weltklassepotential haben wollen, dann müssen Sie früher ins Wasser. Viel früher, als das bislang der Fall war".

Tür für Premier-League-Klubs ist zu

Da in absehbarer Zukunft weitere Top-Klubs Europas aller Voraussicht nach mehr Umsatz als die Bayern machen werden, fordert Rummenigge ein Umdenken: "Wir müssen eine andere Philosophie haben als die großen englischen oder spanischen Klubs. Wichtiger als die Umsatzrangliste ist für uns, am Ende immer mindestens eine schwarze Null zu schreiben", analysiert der Vorstandschef. Da aber die Kosten steigen, vor allem die von Premier-League-Klubs gepushten Spielergehälter, müsse man sich immer weiter neue Geschäftsfelder erschließen.

Um Abwerbungsversuchen aus England schon frühzeitig einen Riegel vorzuschieben, habe der FC Bayern langfristig mit Leistungsträgern wie Alaba und Müller verlängert: "Wir wollten die Tür zumachen. Alle Spieler, deren Verträge wir verlängert haben, wären im Ausland sehr gefragt gewesen. Wir wollten demonstrieren, dass Bayern München seine wichtigsten Spieler auf keinen Fall verkaufen wird".

Rummenigge findet Tuchel spannend

Derweil lobt Rummenigge ausdrücklich die Entwicklung der neuen Trainergeneration: "Es gibt es einige, die heranwachsen. Ich finde Thomas Tuchel spannend, ohne dass das jetzt heißt, dass er der nächste Bayern-Trainer wird. Aber ich finde seine Entwicklung, seine Fußballphilosophie sehr gut, und es überrascht mich nicht, dass Borussia Dortmund mit ihm eine Wende geschafft hat". Gemeinsam mit Hoffenheim-Retter Julian Nagelsmann sei Tuchel Teil einer neuen Ära des Coachens im Guardiola-Stil: "Weg vom alten Eisen, vom Medizinball, hin zu einer moderneren Trainingslehre".

Als Problem sieht der frühere Weltklassespieler das Qualitätsgefälle an der Bundesligaspitze: "Es müssen sich neben Bayern und Dortmund mehr Spitzenklubs etablieren. 18 Punkte zwischen dem Zweiten und dem Dritten sind zu viel. Klubs wie Leverkusen, Wolfsburg, vor allem Schalke, irgendwann vielleicht auch Leipzig, müssen Druck machen". Schließlich hole die englische Liga auf: "Wir machen einen Fehler, wenn wir denken: In England sitzen nur Idioten, die wir jetzt melken und denen wir die jungen Spieler, die wir ausgebildet haben, teuer verkaufen. Die Strukturen in England holen rapide auf", so der Bayern-Boss, der auch in Ex-Coach Guardiola eine Gefahr sieht: "Pep kann den Fußball dort revolutionieren".