07.04.2017 17:23 Uhr

Historisch: "Die Treterei von Westfalen"

Im Spitzenspiel fliegen mitunter die Fetzen
Im Spitzenspiel fliegen mitunter die Fetzen

Spiele zwischen Dortmund und München sind seit etlichen Jahren etwas Besonderes. Doch die Partie am 7. April 2001 stach in Sachen Brisanz und Zündstoff aus all den Duellen heraus. Es ist die bis heute unfairste Begegnung der Bundesligageschichte. Ein Rückblick.

Die Bundesligasaison 2000/2001 hat in vielerlei Hinsicht Geschichte geschrieben. Neben der Schalker "Meisterschaft der Herzen" am letzten Spieltag, dem dramatischsten Saisonfinale aller Zeiten, sorgte vor allem das Aufeinandertreffen zwischen Borussia Dortmund und Bayern München am 28. Spieltag lange Zeit für ordentlich Gesprächsstoff.

Dazu trug auch die Tabellensituation in jener Spielzeit bei. Denn es bahnte sich eins der spannendsten Saisonfinals seit Bestehen der Bundesliga an: Nach 27 Runden trennten die Plätze eins bis sechs gerade einmal drei Punkte. Mittendrin: der BVB und die Bayern. Dortmund lag vor jenem denkwürdigen Duell mit nur einem Zähler hinter dem Rekordmeister auf Rang zwei. Bereits vor dem Anpfiff war jedem die Bedeutung dieses Spiels bewusst und alle Beteiligten bemerkten im Vorfeld eine extrem angespannte Atmosphäre.

Schiri Strampe: "Mit dem Spiel stimmte etwas nicht"

Der damalige Schiedsrichter Helmut Strampe sagte später im Rückblick auf diese Partie, dass man von "vornherein gespürt hat, dass irgendetwas mit diesem Spiel nicht stimmte. Man sieht Spieler wie Oliver Kahn, Stefan Effenberg oder Jens Jeremies und merkt ihre Anspannung und Aggressivität."

Wenig später sollte sich diese Anspannung auf dem Platz in Form von elf Gelben, einer Gelb-Roten und zwei Roten Karten entladen. Elf der 14 Karten gingen dabei auf das Bayern-Konto. Nach Platzverweisen für Bixente Lizarazu und Stefan Effenberg musste der Rekordmeister schon nach 55 Minuten in doppelter Unterzahl weiterspielen, ehe sich mit Evanilson (90.) auch ein Dortmunder unrühmlich verabschiedete.

Zirkus statt Fußballplatz

FCB-Manager Uli Hoeneß schnaubte nach dem Abpfiff seinen Unmut über die Schiedsrichterleistung in die Kameras. "Ich habe noch nie ein Spiel gesehen, in dem ein Schiedsrichter zwischen der ersten und der 95. Minute über 50 Fehler macht", war er um Ausreden nicht verlegen. Zuvor hatte er sich bereits über den Dortmunder Spieler Otto Addo ausgelassen: "Der Herr Addo gehört in den Zirkus und nicht auf den Fußballplatz. Der versucht nur, den Ball vorzulegen und zu warten, dass irgendwer dazwischen haut, damit er fallen kann."

Die Reaktion der Verantwortlichen des BVB ließ nicht lange auf sich warten. Als "unterste Schublade" bezeichnete Trainer Matthias Sammer die Aussagen Hoeneß'. Und auch Sportdirektor Michael Zorc zeigte sich ungehalten. "Das ist eine Frechheit. Der Sieg von Manchester hat ihm wohl die Sinne getrübt", stichelte der Sportdirektor Richtung München.

Strampe, der fortan nie wieder ein Match mit diesen beiden Klubs leiten durfte, gab später zu Protokoll, dass er bereits während der 90 Minuten bemerkt habe, dass ihm die Partie aus der Hand geglitten war: "Ab einem gewissen Zeitpunkt spürte ich, dass die Spieler auf die Karten nicht mehr reagierten. Der einzige Spieler, den ich in der Partie noch normal ansprechen konnte, war Mehmet Scholl. An den Rest kam ich nicht mehr heran", so Strampe.

Folgenschwerer Fehlschuss

Dass an diesem Abend zwischenzeitlich auch Fußball gespielt wurde, geriet bei all dem Drumherum weitestgehend in Vergessenheit. Dabei hatte das Spiel durchaus vielversprechend begonnen. Bereits in der sechsten Minute erzielte Roque Santa Cruz nach schöner Vorarbeit von Bixente Lizarazu die frühe Führung für die Gäste. Diese konnte Dortmunds Fredi Bobic in der 52. Minute ausgleichen. Bei zwei weiteren Treffern des Stürmers entschied das Schiedsrichtergespann zum Leidwesen aller Dortmunder zu unrecht auf Abseits. Ansonsten ereignete sich wenig Nennenswertes.

In den Schlusssekunden wurde es dann aber doch noch einmal brenzlig: Tomáš Rosický zirkelte einen Freistoß an den Innenpfosten. Weil der Ball von dort aber nicht ins Tor, sondern in die Arme von Münchens Schlussmann Oliver Kahn sprang, konnte der Titan Ball und Punkt festhalten. Das Bild seiner geballten Faust blieb Fußballfans lange in Erinnerung. Wer weiß, wie die Geschichte verlaufen wäre, wenn Dortmund dieses Spiel gewonnen hätte. So aber sollte am letzten Spieltag der Saison ein gewisser Patrik Andersson seinen FC Bayern mit dem 1:1 beim Hamburger SV in der 94. Minute zum Deutschen Meister schießen und den Vier-Minuten-Meister FC Schalke 04 aus allen Träumen reißen. In Dortmund dürfte das die meisten nicht allzu sehr geärgert haben.

>> Statistik: Die unfairsten Spiele der Bundesliga-Historie

Nico Schrimpf / Jonas Elbeshausen