11.07.2017 16:26 Uhr

VfL-Experte exklusiv: Darum musste Verbeek gehen

Gertjan Verbeek ist nicht länger Trainer des VfL Bochum
Gertjan Verbeek ist nicht länger Trainer des VfL Bochum

Das war ein Paukenschlag im Ruhrgebiet! Völlig überraschend hat Zweitligist VfL Bochum am Dienstag seinen Cheftrainer Gertjan Verbeek entlassen und unmittelbar danach in Person von Ismail Atalan seinen Nachfolger präsentiert.

Doch wie unerwartet war die Trennung zweieinhalb Wochen vor dem Ligastart wirklich? Was waren wie tatsächlichen Gründe für die Entlassung und ist die Entscheidung richtig gewesen? weltfussball.de hat exklusiv mit dem VfL-Insider und Verbeek-Vertrauten Günther Pohl gesprochen, der tagtäglich nah an der Mannschaft ist und seit 27 Jahren kein einziges Pflichtspiel der Bochumer mehr als Radioreporter verpasst hat.

Das Urteil des ausgewiesenen Bochum-Experten: Die Entlassung Verbeeks kam überraschend, ist aber aus Klub-Sicht die richtige Entscheidung des Sportvorstandes um Christian Hochstätter gewesen. Sportlich sei dem 54-Jährigen "nichts vorzuwerfen", auf der menschlichen Ebene habe es aber schlichtweg zu große Defizite gegeben.

Das komplette Interview mit der Bochumer Reporterlegende Günther Pohl:

Herr Pohl, für den Außenstehenden war die Trennung von Gertjan Verbeek nicht vorherzusehen. Was können Sie uns als Insider des Vereins berichten, der tagtäglich mit dem VfL Bochum zusammenarbeitet: Wie überraschend war die Entlassung so kurz vor Saisonstart wirklich?

Günther Pohl: Sportlich gesehen ist Gertjan Verbeek ein herausragender Trainer gewesen. Er hatte aber Probleme im Umgang mit Mitarbeitern und Spielern und zum Teil auch mit uns Medienvertretern. Christian Hochstätter hatte Gertjan Verbeek immer und immer wieder zur Seite genommen und ihn gebeten, doch etwas schwungvoller und sympathischer mit den Leuten umzugehen.

Offensichtlich hat das auf lange Sicht gesehen aber keine Früchte getragen...

Irgendwann ist war für den Sportvorstand einfach der Zeitpunkt des Handelns gekommen. Die Entwicklung war insgesamt abzusehen, weil sich Christian Hochstätter in den letzten beiden Jahren immer wieder vor den Trainer stellen musste.

Was war denn das Problem, das Gertjan Verbeek mit den Medienvertretern vor Ort hatte? Es kam ja immer wieder zu einzelnen Auseinandersetzungen. Was war da das grundsätzliche Problem?

Grundsätzlich war das Problem mit Journalisten, dass Fragen gestellt wurden, die entweder schon beantwortet wurden, oder die man sich selbst beantworten kann. Zum Teil konnte ich ihn da auch verstehen. Gertjan Verbeek arbeitet sehr gewissenhaft und verlangt das auch von seinen Gesprächspartnern. Er war in vielen Dingen knurrig und uneinsichtig. Ich will das aber gar nicht zu sehr an den Journalisten festmachen.

Was passierte dann in der letzten Woche? Sie selbst waren ja auch im Trainingslager im niederländischen Vaalsbroek dabei, wo es richtig geknallt haben soll.

Während des Trainingslagers ist es zu einem Vorfall gekommen. Danach sah sich Christian Hochstätter gezwungen zu handeln. Hochstätter war da in Holland vor Ort bei einem Testspiel, obwohl er eigentlich noch Urlaub geplant hatte. Plötzlich war er in Düsseldorf vom Flughafen von einem Freund abgeholt worden und direkt nach Holland gefahren worden. Er sah an diesem Samstag so aus, als würde er jeden Moment explodieren, das ist meine persönliche Meinung! Wenn ein Sportvorstand seinen Urlaub abbricht, um bei einem bedeutungslosen Testspiel in den Niederlanden dabei zu sein, dann kann man schon vermuten, dass sich da etwas zusammenbraut.

Die Entscheidung über die Trennung fiel aber dann erst in dieser Woche?!

Zu Beginn des Trainings am Montag hat Christian Hochstätter gesagt, dass er es nicht zulässt, dass sich in dieser Saison ein Einzelner über den VfL und den Verein stellt und herausschert. Genau das hatte Hochstätter wieder einmal bei Verbeek entdeckt und deshalb ist es zu der Trennung gekommen. 

Sie haben erneut den besagten Vorfall angesprochen, der letztlich das Fass zum Überlaufen gebracht haben soll. Was ist denn genau im Trainingslager in den Niederlanden passiert?

Was nicht stimmt ist die Tatsache, dass Verbeek entlassen worden ist, weil er einen Journalisten aus dem Mannschaftsquartier geworfen hat. Das ist so nicht richtig. Er hat ihn aufgefordert, dass Hotel zu verlassen, weil es im Fußball absolut unüblich ist, dass Journalisten im Trainingslager auf dem gleichen Flur wohnen wie die Spieler. Das war absolut ungewöhnlich und ein Novum. Wie er da vorgegangen ist, finde ich richtig. Aber das ist alles nebensächlich! Ein Christian Hochstätter entlässt keinen Trainer, weil er einen Journalisten aus dem Mannschaftsquartier geworfen hat.

Was ist dann passiert?

Es hat einen Zwischenfall mit einem anderen Mitarbeiter des VfL gegeben. Da hat es richtig gekracht, entgegen aller Absprachen! Deshalb hat Verbeek in Bochum keine Zukunft mehr gehabt. Sportlich bleibt Verbeek ein super Trainer. Ohne ihn wäre der VfL in der letzten Saison wohl abgestiegen, nachdem sechs Stammspieler über mehr als sieben Monate gefehlt haben. Nach dem Platz fünf im Vorjahr war somit auch die letzte Saison bemerkenswert. Sportlich kann man Gertjan Verbeek überhaupt nichts vorwerfen. Im menschlichen Bereich gab es Defizite.

Der VfL will in der neuen Saison All-in in Sachen Aufstieg gehen, und da kann er sich kein Risiko, keine Ungereimtheiten und keine langen Gesichter in der Mannschaft und bei den Mitarbeitern mehr leisten. Und deshalb war es eine kluge Wahl, sich zu trennen und gleichzeitig einen neuen, hungrigen Trainer zu präsentieren.

Also hat die Klubführung in den letzten Tagen die richtigen Entscheidungen getroffen?

Es war eine richtige Entscheidung im Sinne des Vereins, sich vom Trainer zu trennen. Vielleicht auch für Verbeek selbst, der erkannt hat, dass beim VfL vieles toleriert wurde, aber eben nicht alles. Es ist am Ende eine Beurlaubung unter dem Motto: Jeder Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Dieser Spruch passt in Bochum wie die Faust aufs Auge.

Hatten Sie selbst noch persönlichen Kontakt zu Gertjan Verbeek in den letzten aufregenden Tagen?

Ich war von den Journalisten eigentlich der einzige, der einen sehr guten Kontakt zu Gertjan Verbeek hatte. Ich habe viele Gespräche mit ihm geführt und hatte im Laufe der Jahre drei heftige Auseinandersetzungen mit ihm gehabt, in denen ich ihm Contra gegeben habe. Wir haben das jeweils respektvoll gelöst und sind danach weiter gut miteinander umgegangen.

Ich glaube, dieser grandiose Trainer steht sich menschlich selbst im Weg. Deshalb ist die Entscheidung des Vereins aus sportlicher Sicht absolut traurig. Aber für den Verein waren so viele Brandherde, wie Christian Hochstätter löschen musste, gar nicht zu löschen. So viel Wasser gibt es gar nicht! Ich fand es am Ende mehr als anständig, dass Sportvorstand Hochstätter keinerlei bösen Dinge gesagt hat, sondern sich einfach nur für die zweieinhalb Jahre Zusammenarbeit herzlich bedankt hat. Er war von allen am nächsten dran und hat eine richtige Entscheidung im Sinne des Vereins getroffen.

ZUR PERSON: Günther Pohl gilt aus angesehenster VfL-Bochum-Experte überhaupt. Über 1000 Bochum-Spiele in Folge hat Pohl am Stück im Radio kommentiert, fast täglich verfolgt er den VfL im Trainings- und Ligaalltag. Seit der Saison 1990/1991 hat er kein Pflichtspiel des Traditionsvereins verpasst.

Das Gespräch führte Mats-Yannick Roth