20.04.2018 08:15 Uhr

Der Abstieg des BVB: Leuchtturm war gestern

Borussia Dortmund bangt um die Qualifikation für die Champions League
Borussia Dortmund bangt um die Qualifikation für die Champions League

Borussia Dortmund bangt vor dem Top-Spiel bei Bayer Leverkusen am Samstag um die Qualifikation für die Champions League. Seinen Status als klare Nummer zwei in Deutschland hinter Bayern München hat der BVB längst verloren.

BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist ein Mann der großen Worte. Eine der liebsten Metaphern des eloquenten Sauerländers ist die vom Leuchtturm. Sie beschreibt die herausragende Stellung im deutschen Fußball, die der Borussia in Watzkes Augen zusteht.

"Wir wollen der zweite Fußball-Leuchtturm in Deutschland sein, für das intensive Fußballerlebnis stehen, und zwar nachhaltig", tönte Watzke im Frühjahr 2014 in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Der Leuchtturm muss nicht ganz so groß sein wie der rot-weiße im Süden - aber der schwarz-gelbe Leuchtturm muss stabil stehen, und er muss leuchten."

Ein halbes Jahr zuvor hatten die Dortmunder sensationell das Champions-League-Finale erreicht, im deutschen Duell gegen die Bayern im Wembley knapp verloren. Zwei Meisterschaften und einen Pokalsieg hatte das Team unter Erfolgstrainer Jürgen Klopp gewonnen. 

Spieler wie Mats Hummels, Ilkay Gündogan oder Robert Lewandowski standen für gehobene internationale Klasse. Das renommierte britische Fußball-Magazin "Four Four Two" bezeichnete den BVB als "heißesten Klub Europas".

Watzkes Leuchtturm-Metapher war eine durchaus realistische Zustandsbeschreibung - auch wenn die Borussia in der Bundesliga zum Zeitpunkt des Interviews schon satte 19 Punkte Rückstand auf die Bayern hatte.

Zauber der Ära Klopp geht beim BVB verloren

Seitdem befindet sich der BVB in einem zunächst langsam dahinplätschernden, zuletzt aber reißenden Abwärtsstrudel. Unter Thomas Tuchel stimmten immerhin die Ergebnisse, 2017 holte der BVB den DFB-Pokal.

Auch der Fußball, den Tuchel in seiner letztlich nur zweijährigen Amtszeit spielen ließ, war überwiegend sehr ansehnlich. Doch der Zauber der Ära Klopp ging irgendwo zwischen radikalen Ernährungsplänen und taktischem Nerdtum verloren, der Mythos "Vollgasfußball" starb.

Nicht von ungefähr wurde die unglückliche Ehe zwischen der Borussia und dem fachlich überragenden, aber menschlich extrem schwierigen Tuchel vorzeitig geschieden. An der monatelangen Schlammschlacht vor der Trennung hatten beide Parteien ihren Anteil. Der schreckliche Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus tat sein Übriges.

BVB mit erschreckender Bilanz gegen die Top-Teams

Zehn Monate nach Tuchel, fast drei Jahre nach Klopp, steht der BVB vor einem Scherbenhaufen. Noch belegen die Schwarzgelben zwar Champions-League-Platz vier, mit immerhin vier Punkten Vorsprung auf RB Leipzig. Der sportliche Status quo weckt jedoch berechtigte Zweifel, dass dies auch am Saisonende noch der Fall ist.

Dem blamablen Auftritt beim 0:6 in München ließen die Westfalen trotz eines Zwischenhochs gegen Stuttgart (3:0) eine erschreckend teilnahmslose Vorstellung beim 0:2 im Revierderby auf Schalke folgen, einen "Blutleer-Auftritt im Pott-Gipfel", wie die "Bild" schrieb.

Ohnehin ist die Dortmunder Bilanz gegen die direkte Konkurrenz erschreckend: In bislang sieben Duellen mit den Top 5 der Tabelle gelang dem BVB kein einziger Sieg.

Mannschaft ist tot, BVB spielt "Beamten-Fußball"

Der im Dezember als Nachfolger des chronisch erfolglosen Peter Bosz verpflichtete Peter Stöger schaffte es nicht, einer toten Mannschaft neues Leben einzuhauchen. "Wir spielen wie die Beamten", geißelte Sportdirektor Michael Zorc unlängst die Darbietungen des eigenen Teams.

Echte Stars sind im Kader des BVB abgesehen von Seuchenvogel Marco Reus nicht mehr zu finden. Mario Götze ist ein Schatten seiner selbst und nur noch Reservist, Weltmeister-Kollege André Schürrle kämpft wie Reus mehr mit seinem Körper als mit den Gegenspielern.

Urgesteine wie Nuri Sahin und Marcel Schmelzer sind zwar Wortführer, können auf dem Platz aber nicht mit Leistung vorangehen. Die zahlreichen hochtalentierten Nachwuchskräfte überfordert die schwierige Gesamtsituation sichtbar.

Auch die Fans wenden sich ab

Sogar die treuen Fans wenden sich langsam aber sicher von ihrer Mannschaft ab. Von "Entfremdung" schreibt das Fanzine "schwatzgelb.de" in seiner "Zukunftsvision BVB", von "Ratlosigkeit und Desillusioniertheit" beim Stammpublikum ist in der schonungslosen Analyse die Rede - auch weil der Emotionsfunke seit langer Zeit nicht mehr vom Rasen auf die Ränge überspringt.

Als sich die Borussia Ende Januar im heimischen Signal Iduna Park gegen den SC Freiburg zu einem 2:2 duselte, entlud sich ein gellendes Pfeifkonzert. Gegen Stuttgart taten die Zuschauer zur Pause ob der schwachen Leistung in Halbzeit eins ihren Unmut kund, obwohl der BVB zu diesem Zeitpunkt bereits mit 1:0 führte.

Wenn das Heimspiel gegen Leverkusen ähnlich desaströs verlaufen sollte wie die Partien in München und Gelsenkirchen, dürfte der Volkszorn einen neuen Höhepunkt erreichen. Um in Watzkes Bild zu bleiben: Seine Strahlkraft hat der schwarz-gelbe Leuchtturm (vorerst) verloren.

Tobias Knoop