28.05.2018 09:37 Uhr

Labbadia: Wolfsburgs Lage "dramatischer" als beim HSV

Bruno Labbadia bleibt nach dem Klassenerhalt Trainer beim VfL Wolfsburg
Bruno Labbadia bleibt nach dem Klassenerhalt Trainer beim VfL Wolfsburg

Im allerletzten Moment hat Bruno Labbadia den VfL Wolfsburg vor dem Abstieg aus der Fußball-Bundesliga bewahrt. Nach den erfolgreichen Relegationsspielen gegen Holstein Kiel wurde der Vertrag des 52-jährigen Übungsleiters verlängert.

Trotz des geglückten Klassenerhalts blickt der Coach überaus kritisch auf die abgelaufene Saison zurück. Im Interview mit dem "kicker" äußerte sich Labbadia nun zum Zustand der Mannschaft und zu den notwendigen Veränderungen für die kommende Spielzeit.

Mit einem Schaudern erinnert sich der Ex-Profi an seinen Amtsantritt. "Ganz ehrlich: Ich habe eine emotionslose, orientierungslose und verunsicherte Mannschaft vorgefunden, und das galt auch für den Verein. Ein Klub und ein Umfeld, die diese Situation völlig verkannt hatten", so Labbadia schonungslos ehrlich. Dem gebürtigen Darmstädter zufolge war die völlig realitätsferne Selbstwahrnehmung des Vereins ein großes Problem: "Es hieß immer, der VfL sei viel zu gut für den Abstieg. Nein, wir waren nicht gut genug!"

Bis zum 33. Spieltag roch es tatsächlich schwer nach einem Absturz in Liga zwei. "Nach dem 1:4 in Leipzig war die Mannschaft tot", gestand Labbadia, der in dieser Zeit von den eigenen Fans verhöhnt und von der Presse infrage gestellt wurde.

Anstatt klein beizugeben, fasste der Trainer jedoch neuen Mut. "Das hat mich motiviert, noch mehr Überzeugung zu entwickeln. Wir haben uns gegen alle Widerstände durchgesetzt und haben es dann gegen Köln und Kiel vor allem fußballerisch gelöst", betonte Labbadia stolz: "Das ist eine Entwicklung, die wir in kürzester Zeit vorantreiben mussten. Endlich hatten wir mehr Mut, in Eins-gegen-eins-Situationen zu gehen, wir waren nicht mehr so statisch, hatten ein gutes Positionsspiel und mehr Tiefe." Gleichwohl hätte der Aufwärtstrend "kein Spiel später passieren dürfen, dann wäre es nicht mehr zu kitten gewesen."

Wölfe am Abgrund: "Keine Emotionen, keine Energie"

Die Ursachen für den sportlichen Niedergang des Vizemeisters und Pokalsiegers von 2015 konnte Labbadia nicht genau benennen, bemerkte aber, "dass in einem Klub etwas nicht stimmen kann, wenn in zwei Spielzeiten insgesamt fünf Trainer da sind." Mehr noch: "Es kann nicht sein, dass Spieler pausenlos Alibis geliefert bekommen, indem über ihnen jemand ausgetauscht wird. Auch unsere Spieler müssen wieder stärker Verantwortung übernehmen, es kann ihnen nicht alles abgenommen werden", so der 52-Jährige.

Rückblickend gibt Labbadia zu, die Herausforderung in Wolfsburg unterschätzt zu haben. Nach seiner Rettungsmission beim Hamburger SV, den er 2015 vor dem erstmaligen Abstieg bewahrt hatte, glaubte der Ex-Stürmer, "das Schlimmste schon gesehen" zu haben. Doch weit gefehlt: "Die Situation beim VfL war noch einmal dramatischer. Keine Emotionen, keine Energie. Sicherlich hat es auch in der Zusammenstellung nicht so gepasst. Das Entscheidende aber war: Niemand hatte die Notsituation realisiert."

Die neue Saison geht der Wölfe-Retter nun mit viel Demut an: Wir sollten ganz leise Töne anschlagen. Aber unsere Situation ist zumindest auch eine Chance, wenn wir es jetzt richtig anpacken."