11.08.2023 08:32 Uhr

Sturm-Chaos und Defensiv-Sorgen: Die Stuttgarter Baustellen

Geht er? Bleibt er? Die Zukunft von Serhou Guirassy beim VfB Stuttgart ist offen
Geht er? Bleibt er? Die Zukunft von Serhou Guirassy beim VfB Stuttgart ist offen

Der VfB Stuttgarter entgeht dem dritten Abstieg binnen sieben Jahren dank der Relegation haarscharf. Folgt diesmal eine entspanntere Bundesliga-Saison im Ländle? Ein Blick auf die Baustellen des VfB Stuttgart.

Baustellen in Stuttgart: Da würden Spötter direkt mal einwerfen, dass die ganze Stadt eine einzige Baustelle ist. Zumindest Bahnhof und Stadion – in den vergangenen Jahren aber eben auch die Mannschaft des VfB Stuttgart.

Immerhin: In der Stuttgarter Arena ist hinsichtlich der Umbaumaßnahmen für die EM 2024 Licht am Ende des Tunnels zu erkennen. Die Haupttribüne soll schon bald fertiggestellt sein – zum Saisonstart gibt es wieder Plätze auf Teilen der Tribüne.

Ähnlich schreitet auch die Umgestaltung der Mannschaft voran. Trainer Sebastian Hoeneß und Sportdirektor Fabian Wohlgemuth haben den Kader des Bundesligisten in diesem Sommer umgekrempelt.

Torwartfrage beim VfB Stuttgart beantwortet

Eine der größten Baustellen ist inzwischen geschlossen. Die T-Frage wurde mit Alexander Nübel beantwortet.

Der 26-Jährige, der zwei Jahre bei der AS Monaco in der Ligue 1 spielte, kommt als einjährige Leihgabe vom FC Bayern. Dass er die neue Nummer eines wird, daran gibt es eigentlich keine Zweifel. Hinter ihm soll das große Torwart-Talent Dennis Seimen (17) langsam ans Profiteam herangeführt werden und, so der Masterplan der Schwaben, im nächsten Jahr dann den Stab von Nübel übernehmen.

Ob Fabian Bredlow ohne wirkliche Aussicht auf einen Stammplatz in Stuttgart bleibt, scheint noch ungewiss. Zuletzt wurde Hertha BSC, Heimatklub des Keepers, mit ihm in Verbindung gebracht.

Was macht Guirassy?

Wer dachte, dass im Sturmzentrum mit der Verlängerung von Serhou Guirassy alle Sorgen aus der Welt sind, wurde schnell eines Besseren belehrt. Denn der Nationalspieler aus Guinea hat in seinem neuen Arbeitspapier eine Klausel verankert, die ihn für kolportierte 15 Millionen Euro ziehen lässt. Diese soll an diesem Freitag (11. August) ablaufen.

Dem Vernehmen nach träumt der Angreifer intensiv von der Premier League und gleich drei Teams sollen im Rennen um ihn sein. Und auch wenn die Klausel verstrichen ist, könnte der treffsichere Profi (12 Ligatore in der Saison 22/23) noch bis zum Deadline Day wechseln – nur eben zu einem höheren Preis (was den VfB natürlich freuen würde).

Als neuer Mann im Angriff kam bereits Deniz Undav von Brighton & Hove Albion – der 27-Jährige hat einen spannenden Werdegang (über tiefere Ligen und zweiten Bildungsweg in die Premier League) hinter sich und gilt als Musterprofi und den reinen Daten nach als perfekte Lösung, die auch neben Guirassy spielen könnte. Allerdings hat sich der neue Stürmer in seiner ersten Woche am Knie verletzt (Außenband-Teilriss) und fällt mehrere Wochen aus.

Hier droht dem VfB noch großes Chaos. Falls Guirassy wirklich gehen sollte, Undav länger fehlt, ist in der Sturmspitze momentan nur Youngster-Zugang Jovedan Milosevic (17) im Kader – zu wenig, um in der Bundesliga zu bestehen.

VfB-Abwehrspieler könnten noch wechseln

Auch in der Defensive droht bei einigen möglichen Abgängen "högschde" Gefahr. Vor allem Linksverteidiger Borna Sosa, Abwehrkoloss Konstantinos Mavropanos und Innenverteidiger Hiroki Ito sind bei einigen Top-Klubs auf dem Radar. Ajax-Sportdirektor und Ex-VfB-Manager Sven Mislintat buhlt um den Japaner Ito, Neapel will Mavropanos und Sosa ist gefühlt seit Jahren bei einigen europäischen und deutschen Klubs in aller Munde.

Falls einer oder mehrere der defensiven Leistungsträger noch von Bord gehen, und davon ist auszugehen, ist Wohlgemuth unter Druck, muss schnell adäquaten Ersatz liefern. Allerdings spülen potentielle Verkäufe auch Geld in die VfB-Kasse. Der Blick der VfB-Macher geht also gebannt auf den 1. September - den Deadline Day. Auch um Rechtsaußen Josha Vagnoman gab es zwischenzeitlich Gerüchte über einen Wechsel (Borussia Dortmund), aktuell laboriert er an einer Mittelfußprellung, sein Einsatz zum Saisonstart ist in Gefahr.

Neben Nübel und Undav hat Wohlgemuth die Zugänge Woo-yeong Jeong (Freiburg) und Jamie Lewling (Union/Leihe) sowie Maximilan Mittelstädt (Hertha BSC) nach Stuttgart gelotst. Letzterer soll die defensiven Optionen auf Links vergrößern, auch beim ihm schlug aber direkt Verletzungspech zu (Innenbandzerrung). Jeong und Lewling geben Hoeneß in der Offensive mehr Spielraum. Zuletzt gab es Gerüchte um das tschechische Offensiv-Talent Matej Jurasek von Slavia Prag. 

Kader des VfB Stuttgart noch zu groß

In Sachen Abgängen gab es keine wirklichen Überraschungen. Der Wechsel von Offensivflitzer Tanguy Coulibaly war schon lange vor Saisonende kommuniziert worden. Dazu verließen Keeper Florian Müller (SC Freiburg) und Mittelfeldmann Tiago Tomas (VfL Wolfsburg) den Klub.

Coach Hoeneß machte noch vor dem Trainingslager klar, dass einige Profis keine Rolle spielen werden, darunter fielen Ömer Beyaz, Juan Jose Perea oder auch Gil Dias. Beyaz (Elversberg) und Perea (Rostock) sind schon weg.

Dennoch ist der Kader mit aktuell über 30 Spielern noch zu groß. Der VfB wird wohl noch einige Profis auf dem Transfermarkt abgeben müssen.

Fan-Ärger wegen Sponsor

Für schlechte Laune bei einigen Fans sorgte die Vorstellung des neuen Haupt- und Trikotsponsors Winamax. Dass mit den Franzosen ein Wettanbieter nun den Brustring "schmückt", schmeckt vielen Anhängern gar nicht. Hier hatte sich der VfB durch seine stetigen Verweise auf Werte und Leitlinien allerdings selbst gehörig Fallhöhe geschaffen. 6,5 Millionen Euro soll dem Bundesligisten der Deal einbringen.

Wenige Tage später verkündete Vorstandsboss Alexander Wehrle dann mit "Jokerstar" den nächsten Einstieg eines Anbieters für virtuelle Automatenspiele, was die Sache für viel Fans nicht besser machte und weitere "Bruddelei" bei den schwäbischen Anhängern auslöste.

Besser kam da schon der Coup mit Porsche an. Der Deal mit dem Autobauer und seiner Tochter MHP soll dem VfB 100 Millionen Euro in die Kassen spülen, vom "Württemberger-Weltmarkenbündnis" war großspurig die Rede. Allerdings: Das Geld soll nicht in den Kader, sondern in die Infrastruktur und vernachlässigte Digitalisierung fließen. Angesichts der jüngeren Geschichte und dem verprassten Geld von Ankerinvestor Mercedes nach der Ausgliederung (die Saison endete mit dem Abstieg) vermutlich eine sinnvolle Idee.

Als ein Zeichen an die Konkurrenz ist der Einstieg von Porsche durchaus zu werten, ob daraus auch sportlich etwas erwächst und der VfB mehr als ein Dauer-Abstiegskandidat ist, muss sich aber erst noch zeigen.

Viel wird auf den Saisonstart ankommen. Das Pokalspiel gegen Regionalligist TSG Balingen in Reutlingen (knapp 40 Kilometer von Stuttgart gelegen) dürfte zum Fan-Heimspiel für den VfB werden. Eine Woche darauf empfängt das Team den VfL Bochum in der heimischen Arena. Danach dürfte schon klarer sein, wie groß die Baustelle Stuttgart in dieser Saison ist. 

Emmanuel Schneider