22.08.2023 19:16 Uhr

Flüstert Tuchel Sané zum Maximum?

Startet Leroy Sané beim FC Bayern 2023 endgültig durch?
Startet Leroy Sané beim FC Bayern 2023 endgültig durch?

Leroy Sané geht beim FC Bayern bereits in seine vierte Saison. Trotz aller Erfolge in den vergangenen Jahren konnte der Offensivmann aufgrund fehlender Konstanz bei den Münchnern nie vollends überzeugen. Das soll sich in dieser Spielzeit ändern. Die Chancen dafür stehen gut, denn mit Thomas Tuchel scheint der 27-Jährige einen Spielerflüsterer an der Seite zu haben, der ihn zum persönlichen Maximum bringen und damit sogar eine Ikone des Rekordmeister vergessen machten könnte.

Es war nur eine kleine, scheinbar unbedeutende Geste, doch möglicherweise war der deutlich spürbare Tritt in den Hintern, den Thomas Tuchel Leroy Sané Ende März verpasste, als der damals frisch installierte Nagelsmann-Nachfolger den FC Bayern übernahm, genau das, was Sané brauchte. Es scheint jedenfalls so, als hätte beim immer schon hochtalentierten deutschen Nationalspieler ein Umdenken eingesetzt.

Immer schon war Sané für seine feine Technik, seine Übersicht, sein Tempo und seinen Torriecher gelobt worden, zu selten jedoch konnte der als launig geltende Offensivmann diese Fähigkeiten konstant auf den Platz bringen. In der letzten Saison spielte er bis zur Winter-WM in Katar überzeugend, fiel danach jedoch in das bei ihm fast schon gewohnte Loch und zudem mit Undiszipliniertheiten wie häufigem Zuspätkommen auf.

2023/24 soll das nicht mehr passieren, das hat sich nicht nur Sané, sondern auch Tuchel zum Ziel gesetzt, der als erfahren gilt im Umgang mit herausfordernden Spieler-Persönlichkeiten. Schon vor Saisonbeginn hob der Trainer den 27-Jährigen heraus und nahm ihn gleichzeitig in die Pflicht. Sané habe "alle Möglichkeiten, die Liga zu dominieren. Es liegt nur an ihm", betonte Tuchel und fügte vielsagend an: "Da gibt es auf jeden Fall etwas draufzulegen."

Sané mit Meilenstein im Trikot des FC Bayern

Die volle Vorbereitung unter Tuchel jedenfalls scheint Sané geholfen zu haben. Schon in den Testspielen überzeugte der Offensivmann mit Fleiß und Einsatz. Zum Saisonauftakt in Bremen (4:0) erzielte der Techniker dann gleich einen Doppelpack. Ein persönlicher Meilenstein, denn das war Sané zuvor in 143 Bundesliga-Partien noch nie gelungen. Geholfen hat ihm auf diesem Weg nicht nur Tuchel, sondern auch der Transfer von Harry Kane, glaubt Bayern-Legende Paul Breitner.

"Er hat mit Kane jetzt endlich jemandem, der ihm viel Verantwortung nimmt", sagte Breitner dem "BR" und prognostiziert, dass Sané "jetzt frei Schnauze spielen kann und nicht mehr jeder Pass auf die Waagschale gelegt wird. Wir werden von Leroy Sané noch ganz großartige Dinge sehen."

Möglich gemacht wurden die berechtigen Hoffnungen auf den endgültigen Durchbruch wiederum durch Tuchel, der Sané - anders als Nagelsmann - nicht im Zentrum, sondern auf den Außen einsetzt, wo die zuletzt von Lothar Matthäus bei "Sky" herausgehobenen "Weltklasse-Anlagen" des DFB-Kickers, wie "Schnelligkeit, Dribbelstärke, Raffinesse" voll zur Geltung kommen können. 

Gegen Werder jedenfalls zeigte Sané die mit ihm verwachsene pure Spielfreude (sport.de-Note 1,5). Keine Spur mehr von Lustlosigkeit, die sich in der Vergangenheit das ein oder andere Mal an Schultern oder Gesicht ablesen ließ. Allein: Bei seinen zwei Torjubeln agierte der 27-Jährige noch eher verhalten. Erst der spät eingewechselte Thomas Müller konnte ihm im Nachgang des zwischenzeitlichen 3:0 (90.) ein Grinsen entlocken. Jener Müller, den Sané in den kommenden Monaten sogar vergessen machen könnte.

Sané spürt Tuchels Vertrauen beim FC Bayern

Breitner jedenfalls sieht in der gut funktionieren Offensive um Musiala, Coman, Kane und eben Sané derzeit keinen Platz für das bayerische Urgestein. Er habe "keine Ahnung", welche Rolle Müller einnehmen könnte, "außer der auf der Ersatzbank. Zumindest wenn nichts Größeres passiert", analysierte Breitner. Auch ein Verdienst von Sanés Wandel und der Fähigkeit Tuchels, beim Offensivmann die richtigen Schalter zu drücken. 

"Er gibt mir ein sehr gutes Gefühl und ich spüre ein großes Vertrauen", lobte Sané seinen Chefcoach vor Kurzem in "Bild". Jenes Gefühl muss Sané nun nur noch konstant mit auf den Platz nehmen. Das sieht auch der frühere Bundesliga-Profi Patrick Owomoyela so.

"Es liegt einzig und allein an ihm, er muss es nur wollen. Das Potenzial hat er, um ein Weltstar zu werden - nicht nur auf Instagram, sondern auch auf dem Fußballplatz", sagte Owomoyela bei "Sky" und fügte an: "Man sieht es jetzt immer häufiger, dass er auch gegen den Ball für die Mannschaft und den maximalen Erfolg die Meter noch macht." In der Tat ließ sich Sané gegen die Bremer häufig fallen, um in der Defensive auszuhelfen, legte sowohl in der Vorwärts- als auch in der Rückwärtsbewegung 38 Sprints hin - Bestwert auf dem Platz und drittbester Wert aller Partien am 1. Spieltag.

Es scheint, als hätte Spieler-Flüsterer Tuchel die richtigen Worte und vor allem den richtigen Umgang gefunden, um Sané ans Maximum zu bringen. Mit Blick auf dessen Vertrag, ist das allerdings auch nötig. Im Sommer 2025 läuft dieser aus. Heißt: Die aktuelle Saison muss Sané liefern, dann wäre eine Verlängerung im kommenden Jahr ein Selbstläufer. 

Dass Sané es beim FC Bayern packen will, beweist auch, dass er laut einem jüngsten Bericht von "Bild" vor einigen Wochen dem FC Barcelona abgesagt hat. Die Katalanen sollen die Fühler ausgestreckt haben, hieß es. Doch ein Wechsel war für den 27-Jährigen kein Thema, was kaum verwundert, hat Barca doch weder einen Kane noch einen Tuchel, der einem im Falle der Fälle in den Hintern treten kann.

Chris Rohdenburg