23.08.2023 18:48 Uhr

Ryan Gravenberch beim FC Bayern: Gegen den großen Zweifler

Ryan Gravenberch sucht noch immer seinen Platz beim FC Bayern
Ryan Gravenberch sucht noch immer seinen Platz beim FC Bayern

Für Ryan Gravenberch hat die Saison beim FC Bayern im Grunde genauso begonnen, wie die vergangene aufhörte: auf der Bank. Der Fall zeigt nicht zuletzt, wie unterschiedlich Cheftrainer Thomas Tuchel und die Bosse des deutschen Rekordmeisters über zentrale Kaderfragen denken.

Ryan Gravenberch hat nichts unversucht gelassen, um seinen Status als Reservist beim FC Bayern zu ändern. Doch sein gleich mehrfaches, öffentliches Murren hat dem jungen Niederländer nicht nachhaltig geholfen. Auch nicht seine Darbietungen in der Sommervorbereitung. 

Es blieb letztlich alles beim Alten: Der zentrale Mittelfeldspieler, bei seiner Verpflichtung von Ex-Sportvorstand Hasan Salihamidzic noch als "eines der größten Talente in Europa" betitelt, sitzt auch unter Trainer Thomas Tuchel nur auf der Bank. 

Ryan Gravenberch kann Thomas Tuchel nicht überzeugen

Einen ersten Fingerzeig für die neue Spielzeit hatten die Testspiele der Münchner Ende Juli und Anfang August gegeben.

Gravenberch schaute sowohl gegen Manchester City (1:2) als auch gegen den FC Liverpool (4:3) und gegen die AS Monaco (4:2) zunächst jeweils zu, wie Joshua Kimmich auf der Sechs und Konrad Laimer bzw. Leon Goretzka auf der Acht das Mittelfeld beackerten. Für den 21-Jährigen blieb nur der zweite Durchgang, oder gar nur die letzte halbe Stunde, um irgendwie auf sich aufmerksam zu machen.

Als es dann im Supercup gegen RB Leipzig (0:3) und zum Bundesliga-Auftakt gegen Werder Bremen (4:0) ernst wurde, schmorte er gar 90 Minuten lang auf der Bank. Thomas Tuchel hätte wohl auch sagen können: Ich brauche Ryan Gravenberch eigentlich nicht in meiner Mannschaft.

Fällt Gravenberch den Tuchel-Plänen beim FC Bayern zum Opfer?

Denn Tuchel hat, wie er in der Vorbereitung mehrfach betonte, ganz eigene Vorstellungen davon, wie sein Bayern-Mittelfeld auszusehen hat. In der Schaltzentrale fehlt die Tuchel-Handschrift bislang nämlich komplett, auch der Wechsel von Laimer war vor seiner Zeit längst eingefädelt worden. 

Und so sehnt sich der 49-Jährige nach der nun schon oft zitierten "Holding Six", also nach einem defensiv denkenden Abräumer vor der Abwehr - eine Rolle, die er dem bisherigen Platzhirschen und Vizekapitän Joshua Kimmich nicht unbedingt zutraut. Und Ryan Gravenberch, dessen Stärken in der Tat in der Vorwärtsbewegung liegen, erst recht nicht.

Ein möglicher Tuchel-Plan könnte sein, Gravenberch vor der Wechselfrist am 1. September gewinnbringend abzugeben, um seinen Sechser-Wunschspieler doch noch zu bekommen. Manchester United und insbesondere der FC Liverpool werden seit Monaten schon als dankbare Abnehmer gehandelt, die Rede ist einer möglichen Ablöse in Höhe von immerhin 26 bis 30 Millionen Euro.

Uneinigkeit beim FC Bayern?

Zwar ist Thomas Tuchel seit seiner Übernahme im März ein wichtiges Mitglied des neu gegründeten Transfer-Ausschusses beim FC Bayern, alleine könnte der Cheftrainer solche wegweisenden Entscheidungen aber freilich nicht durchboxen.

Es sind vor allem Vorstandschef Jan-Christian Dreesen, Klubpräsident Herbert Hainer, der Technische Leiter Marco Neppe sowie die Aufsichtsratsmitglieder Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, die am Ende den Daumen heben oder senken. Zum 1. September kommt in Christoph Freund zudem ein neuer Sportdirektor hinzu, der ebenfalls ganz eigene Vorstellungen mitbringen wird.

Ausgerechnet im Fall Gravenberch scheint es beim FC Bayern große Uneinigkeit zu geben. Wie "The Athletic", die Sportabteilung der renommierten "New York Times", zu berichten weiß, wundern sich nicht nur einige Münchner Spieler über Gravenberchs geringe Einsatzzeit. Auch in der Führungsetage sei man der Meinung, dass Tuchel dem Youngster mehr Chancen geben müsse. In seiner Debüt-Saison war er auf gerade einmal 937 Minuten Einsatzzeit gekommen, nur sechsmal stand er in 2022/23 in einer Münchner Startelf. 

Zudem: Die Bayern-Bosse sehen "The Athletic" zufolge derzeit gar nicht erst die Notwendigkeit eines neuen Sechsers. Eine Haltung, die schon bei der Präsentation von Konrad Laimer durchgeblitzt war, als auch dessen Defensiv-Qualitäten hervorgehoben wurden. Die Hoffnung sei also, dass Tuchel bis zur Winterpause einen Platz für Gravenberch findet. Dann werde die Lage neu bewertet.

Dies würde bedeuten, dass der ehemalige Ajax-Star noch rund fünf Monate Zeit hat, um auch seinen größten Zweifler beim FC Bayern von sich zu überzeugen.

Gerrit Kleiböhmer