19.04.2024 22:05 Uhr

Die Geister, die ich rief: Trainersuche wird zur Demütigung

Sportvorstand Max Eberl muss einen neuen Trainer finden
Sportvorstand Max Eberl muss einen neuen Trainer finden

Jetzt sagt auch Julian Nagelsmann ab. Der FC Bayern kann die Champions League gewinnen, findet aber keinen Trainer mehr. Die Suche nach einem Nachfolger von Thomas Tuchel wird für den Rekordmeister zur Demütigung. Ein Kommentar.

Eine alte deutsche Fußball-Weisheit lautet: Ein Angebot des FC Bayern – das kannst du eigentlich nicht ausschlagen. Sowohl aus sportlicher Sicht und Prestige als auch aus monetären Gründen. Wer kann, der geht zum FC Bayern. Verständlicherweise.

Im Jahr 2024 gilt das zumindest für die Trainer-Position so nicht mehr.

Man kommt ja kaum noch mit beim Nachzählen, wie viele Absagen sich der FCB in der vergangenen Zeit eingeholt hat.

Reihenweise Absagen für den FC Bayern

Sebastian Hoeneß? Hat erst mal schnell in Stuttgart verlängert.

Xabi Alonso? Sagte bei der ersten Kontaktaufnahme der Bayern ab.

Ralf Rangnick? Betont energisch, für ihn stelle sich diese Frage gar nicht. Felix Austria gehe klar vor. Punkt.

Julian Nagelsmann? Der 36-Jährige entschied sich nach Gesprächen lieber für eine Verlängerung beim DFB, eine "Entscheidung des Herzens", wie er betonte. Wer will, kann darin auch einen kleinen Seitenhieb gegen die "Mia-san-Mia"-Bayern lesen.

Nun haben all diese Absagen der "Wunsch"-Trainer unterschiedliche Gründe und Kontexte. Trotzdem stellt sich nicht nur in München die entscheidende Frage: Will denn keiner mehr den FC Bayern trainieren?

Der Rekordmeister hat sich selbst in diese ungewohnt ungünstige Situation hineinmanövriert.

Das Trainerpflaster an der Säbener Straße war zwar noch nie ein leichtes, aber die vergangenen zwei Saisons haben das Bild eines aktionistischen, sprunghaften und teils überforderten Klubs gezeichnet.

Zugespitzt gesagt: In zwei Jahren hat der FC Bayern zwei der Top-3-Trainer aus Deutschland verschlissen. Dass die überraschend vorzeitigen Abgänge nur an den Fehlern oder Unzulänglichkeiten von Nagelsmann und Tuchel lagen, darf bezweifelt werden. Beide hinterlegten ihre Bedenken am Kader und dessen Zusammenstellung – beide hatten ihre Probleme damit.

Als die Bayern unter Nagelsmann im März 2023 in der Krise stecken, drückten die damaligen Bosse Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić noch vor Saisonende schnell auf den roten Knopf. Für viele – vor allem in der Retrospektive – zu früh.

FC Bayern: Top-Trainer verschlissen

Eine ähnliche Entwicklung dann unter dem neuen Heilsbringer Tuchel. Erst wurde der Trainer gefeiert, doch auch er scheiterte immer öfter an den Leistungsschwankungen im Team. Wieder machte der Klub vorzeitig Schluss.

Der Trainerstuhl hat sich in München ist ganz offensichtlich zum "Hot Seat" entwickelt, während der eigentlich notwendige Umbruch im Kader verpasst wurde. Rund um den Klub rumort es immer wieder. Wankelmütige Bosse, kein ausgereifter Kader, extreme Schwankungen der alternden Stars – auch Tuchel, der durch sein öffentliches Anzählen von Joshua Kimmich selbst Fehler machte, konnte kaum in Ruhe arbeiten.

Wer will denn in einem solchen Setting freiwillig seine Wohlfühloase, wie sie beispielsweise Alonso oder Hoeneß haben, verlassen?

Der mit Abstand größte und bedeutendste Fußball-Klub des Landes findet derzeit also keinen Trainer.

Der neue Sportvorstand Max Eberl hat die Trainersuche zur Chefsache erklärt. Schon vor den Feiertagen kündigte er an, Ostern für die Trainer- statt Eiersuche zu nutzen. Herausgekommen ist bis auf weitere Absagen bislang wenig. Für ihn wird die neue Personalie zur ersten großen Feuerprobe im Amt.

Und jetzt FC Bayern?

Das Problem: Der Trainermarkt wird immer dünner. Klar, ein Zinédine Zidane würde dem FCB gut zu Gesicht stehen, trotz anhaltender Spekulationen ist er aber wohl kein Thema bei Eberl.

Auch eine Verpflichtung von Premier-League-Liebling und Shootingstar Roberto De Zerbi oder dessen Aston-Villa-Kollegen Unai Emery geistert weiter durch die Gerüchte-News. Wirklich heiß waren die Spuren offenbar aber nicht. Auch De Zerbi, der die Fußball-Welt mit seinem genialen Offensivfußball verzaubert und als nächster großer Stern am Trainerhimmel gilt, will wohl in Brighton bleiben.

Viele Namen bleiben also nicht mehr. Bis auf einen. Und der ist eigentlich noch bei den Bayern.

Schon unken die ersten: Wenn Thomas Tuchel den ersehnten Champions-League-Titel holen sollte, also den maximalen internationalen Erfolg – müsste er dann nicht doch bleiben?

Nach all dem öffentlichkeitswirksamen Trara in den vergangenen Wochen und Monate ist eine solche spektakuläre Kehrtwende eigentlich kaum vorstellbar. Es wäre wohl von Gesichtsverlust für beide Seiten die Rede. Aber: Warum eigentlich nicht?

Wenn Tuchel denn noch will. Spätestens daran dürfte es scheitern. Seine klare Antwort auf der Pressekonferenz kurz nach der Nagelsmann-Bekanntgabe: "Das ist so viel Konjunktiv. Ich habe eine Vereinbarung mit dem Verein, die ist kommuniziert und die steht."

Emmanuel Schneider