10.11.2015 11:35 Uhr

Das rote Erbe von Johann K.

Das rote Heimdress ist Verdienst der aus der Teamchef-Ära Krankl
Das rote Heimdress ist Verdienst der aus der Teamchef-Ära Krankl

Der ÖFB hat sein Dress für die Europameisterschaft 2016 vorgestellt. Erst zum zweiten Mal nach der Heim-Euro 2008 ist die "Einserpanier" in der über hundertjährigen Verbandsgeschichte rot. Weltfussball blickt auf die Geschichte des österreichischen Teamdress zurück.

"Auch wenn das Spiel oft nicht so gut ist, wenigstens anständig angezogen soll man sein", meinte Hans Krankl im Jahr 2004 mit einem Augenzwinkern. Elf Jahre später beweist das österreichische Nationalteam, das fesche Bekleidung und Erfolge keineswegs in Widerspruch stehen.

Die Abkehr von der traditionellen weiß-schwarz als erstem Anzug ist mangels sportlicher Glanzlichter das größte Vermächtnis der Teamchef-Ära von Johann K geblieben. "Es war immer ein großer Traum von mir, in rot-weiß-rot zu spielen. Schon als Spieler", so der einstige Goleador. Tatsächlich feierte Krankl in diesen Farben seinen größten persönlichen Triumph im Nationalteam: Österreich fügte Deutschland bei der WM-Endrunde 1978 in Argentinien nach Rückstand dank seines Doppelpacks eine 3:2-Schmach zu und nahm den regierenden Weltmeister so vorzeitig mit auf die Heimreise.

Die Österreicher mussten in Cordoba als nominelles Auswärtsteam in rot-weiß-roten Dressen antreten. Weiße Leibchen, schwarze Hosen, Österreich und Deutschland im Zwillingslook, aber warum? Während der DFB sich auf die Farben Preußens beruft und in der Kaiserzeit zunächst noch mehrheitlich schwarz mit etwas weiß antrat, wurden in Wien bereits am 18. Dezember 1898 Fakten geschaffen. Eine "Wiener Auswahl" trat gegen die "Wiener Engländer" in weiß-schwarz an und verlor 1:4.

Kognak und Kappe

Die Chronisten der fußballerischen Steinzeit verloren in ihren Werken kein Wort über die Gründe der Farbwahl. Vielmehr wurde dem Inhalt der Hosensäcke Aufmerksamkeit geschenkt. Zigarettendosen, Zündhölzer oder sogar kleine Kognakflaschen unterstrichen, wie weit der österreichische Fußball zur Jahrhundertwende noch vom Profitum entfernt war. So liegt es freilich nahe, dass bei der Wahl weißer Dressen finanzielle Argumente eine Rolle spielten. Oder war es gar eine Hommage an das Mutterland des Fußballs England?

Von dort wurde nämlich eine weitere Besonderheit abgeschaut: Die "internationale Kappe" für einberufene Nationalspieler. Die scharlachrote Kopfbedeckung aus Samt mit silberner Quaste wurde beim Spiel selbstverständlich nicht getragen, dafür aber vor Anpfiff und für Fotoaufnahmen.

Einzementiert wurde Österreichs Farbkombination wohl auch durch "Erbfeind" Ungarn, das traditionell in rot-weiß-grün antrat. Die beiden Kontrahenten spielten bereits zu Zeiten der habsburgischen Doppelmonarchie oft gegeneinander. Mit 136 Vergleichen hat der ÖFB gegen kein anderes Team so viele Spiele ausgetragen wie gegen Ungarn. Zum Vergleich: Gegen die zweitplatzierte Schweiz steht erst das 42. Duell an.

Falsche Dressen

Das erst 1948 angefertigte berühmte Gemälde vom Wunderteam der 1930er Jahre prägte einerseits das weiß-schwarz als traditionelles Dress weiter, stellte andererseits jedoch einen völlig falschen Sachverhalt dar. Es soll Österreich beim Einlauf vor der knappen und von Zeitgenossen als "ehrenvoll" gelobten 3:4-Niederlage auswärts gegen England an der Stamford Bridge (1932) abbilden, birgt aber gleich zwei Fehler. Die Union Jack von Großbritannien steht fälschlicherweise für England und Österreich trat als Gastmannschaft keineswegs in weiß an. Bereits damals hatte das ÖFB-Team eine rote Ersatzgarnitur.

Zwei Jahre später wurde das zweite Dress schmerzlich vermisst. Bei der WM 1934 trafen Österreich und Deutschland in Neapel im Spiel um Platz drei aufeinander. 20 Feldspieler mit weißen Leibchen und schwarzen Hosen zwangen die Organisatoren zum Losentscheid, den Österreich verlor. Die ÖFB-Auswahl musste in den geliehenen Dressen des hiesigen Klubs antreten. Nach dem skandalösen Aus im Semifinale gegen Italien spendete das Blau vom SSC Napoli jedenfalls keinen Trost. Österreich verlor 2:3 und wurde WM-Vierter. Wenigstens das sportliche Ergebnis ist aus heutiger Sicht ein fesches. 

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sk