27.05.2024 13:50 Uhr

Alonso? Hoeneß? ER ist der heimliche Trainer des Jahres

Danny Röhl rettete Sheffield Wednesday auf historische Weise vor dem Abstieg
Danny Röhl rettete Sheffield Wednesday auf historische Weise vor dem Abstieg

In seiner neuen sport.de-Kolumne beleuchtet Florian Regelmann alle Themen, die ihn gerade umtreiben, begeistern oder aufregen. In Folge 2 geht es um einen heimlichen Trainer des Jahres: Danny Röhl.

Xabi Alonso mit Bayer Leverkusen, Sebastian Hoeneß mit dem VfB Stuttgart, Frank Schmidt mit dem 1. FC Heidenheim - wir haben alleine in der Bundesliga in der abgelaufenen Saison unglaubliche Trainerleistungen gesehen. Es soll aber nicht untergehen, dass auch in England ein junger deutscher Trainer Historisches vollbracht hat.

"Ich war hier von Beginn an der große Hoffnungsträger. Ich war an meinem ersten Tag bei einem Spiel der Amateure, da haben 3000 Fans meinen Namen gerufen, obwohl ich noch gar nichts geleistet hatte. Das war schon verrückt", erzählt mir Danny Röhl am Telefon. Er ist gerade nicht in Sheffield, sondern in seiner Heimat in Leipzig.

Wenn ich mit ihm spreche, muss ich unweigerlich an unser erstes Treffen im Sommer 2019 in einem Münchner Biergarten zurückdenken. Damals war Röhl gerade vom FC Southampton unter seinem Mentor Ralph Hasenhüttl als Co-Trainer Analyse zu Hansi Flick und zum FC Bayern gewechselt. 

Röhl, zu dem Zeitpunkt gerade mal 30 Jahre alt, galt als heißer Name unter den Trainertalenten. Mit 16 sagte er schon, er wolle Trainer werden. Die eigene Spielerkarriere (schneller Mann für die Außenbahn!) wurde von vielen Verletzungen zunichte gemacht. Er rutschte so sehr früh in die Trainerschiene im wirklich ganz frühen Stadium des RB-Kosmos. 

Röhl ist der Typ taktisches Mastermind, aber entgegen mancher Vorurteile eben nicht nur das. Röhl ist auch mit den nötigen Soft Skills ausgestattet, er kann ein Team führen - er hat im Endeffekt alles im Werkzeugkasten, was man zum Top-Coach braucht. Auch den nötigen Blick über den Tellerrand hinaus - ich erinnere mich, wie wir uns über Offensive und Defensive Coordinator im Fußball unterhielten oder wie er berichtete, wie ihn eine Studienreise zu ManCity nachhaltig beeindruckte.

Danny Röhl: Eine Mission Impossible als erste Cheftrainer-Station

Nach unserem Gespräch folgte eine sehr erfolgreiche Zeit inklusive Triple bei den Bayern und eine bekanntermaßen weniger erfolgreiche Zeit bei der Nationalmannschaft. Im September 2023 war Flick als Bundestrainer Geschichte, damit war auch Röhl ohne Job. Was dann passierte, hat fast schon märchenhafte Züge.

Röhl saß Anfang Oktober beim Champions-League-Spiel zwischen RB Leipzig und Manchester City auf der Tribüne, als sein Handy klingelte. Es war sein Berater, der ihm erzählte, dass Sheffield Wednesday wohl seinen Trainer entlassen würde. Kontakt nach Sheffield bestand bereits seit dem Sommer, ein Engagement war aber nicht zustande gekommen.

Einen Tag später stand Röhl am Flughafen und wollte in den Familienurlaub fliegen, da klingelte das Handy erneut. Die Botschaft: Dejphon Chansiri, der thailändische Eigentümer von Sheffield Wednesday, wolle ihn am Freitag in London treffen.     

Nun muss man wissen: Sheffield stand im Herbst 2023 auf dem letzten Platz, ohne einen einzigen Sieg, mit kümmerlichen drei Punkten auf dem Konto. Noch nie hatte ein Championship-Klub den Klassenerhalt geschafft, der nach einem Viertel der Saison noch kein Spiel gewonnen hatte. Dazu ein zerstrittener Klub mit einem bei den Fans nicht sonderlich beliebten Eigentümer, um es vorsichtig auszudrücken. Es gibt leichtere Aufgaben, wenn man sich seinen ersten Cheftrainer-Posten ausmalt.      

Danny Röhl: Das ist der große Unterschied zum Co-Trainer-Dasein

Aber Röhl flog trotzdem nach London und übernahm den Job in der Arbeiterstadt. "Ich war natürlich enttäuscht über das Ende beim DFB, aber ich war jetzt nicht im Kopf leer und ohne Energie. Meine große Affinität zum englischen Fußball ist bekannt, dazu ist Sheffield Wednesday ein Traditionsklub, das hat alles eine Rolle gespielt. Und dann habe ich auch die realistische Chance gesehen, das Ruder herumzureißen. Die Mannschaft hat keinen Fußball gespielt, der meiner Idee entspricht. Ich war überzeugt davon, dass es noch genügend Spiele gibt, um das in die richtigen Bahnen zu lenken", erklärt Röhl.

Was er aber dabei zugeben muss: Er unterschätzte die Aufgabe insofern, dass er niemals dachte, in 35 Spielen 50 Punkte holen zu müssen. Normalerweise hatten in der Championship immer 45 Punkte, oder auch mal viel weniger, gereicht, um die Klasse zu halten. Aber nicht in dieser Saison.    

Röhl implementierte seine Art, Fußball spielen zu wollen, natürlich geprägt von der RB-Schule mit viel Pressing und viel Jagen, aber auch kombiniert mit Ballbesitz-Fußball und Lösungen im letzten Drittel. In der ersten Trainingswoche sprach Röhl kein Wort über die Defensive, es ging einzig und allein um das Training mit Ball.

Röhls Arbeit zahlte sich schnell aus. Er führte Sheffield Wednesday wieder in die Nähe des rettenden Ufers, musste aber auch immer wieder Rückschläge einstecken. Es war eine echte Achterbahnfahrt.  

Ende November verlor man bei Birmingham City mit 1:2, obwohl man die klar bessere Mannschaft war. Anfang Februar setzte es eine 0:4-Klatsche in Huddersfield - plötzlich war der Rückstand wieder auf acht Punkte angewachsen. Man kam einfach nicht über den ominösen Strich. Auch nach dem 1:1 zuhause gegen Stoke vier Spieltage vor Schluss war die Ernüchterung noch groß, ehe man die Saison mit drei Siegen in Serie beendete und das Unmögliche tatsächlich noch möglich machte.

"Das ist der große Unterschied zwischen Co-Trainer und Chef. Als Cheftrainer musst du dich nach ganz bitteren Spielen trotzdem danach vor die Mannschaft stellen und Optimismus verbreiten, auch wenn es sich für dich selbst gar nicht danach anfühlt und du ja selbst total niedergeschlagen bist. Als Co-Trainer hockst du dich einfach mit in die Kabine rein und hörst zu, was der Chef sagt", beschreibt Röhl die Wandlung, die er machen musste.  

Trainer in der Championship: Fanatischer Fußball - viel Wahnsinn! 

Was man bei der Betrachtung nicht vergessen darf: Die Championship ist eine hammerharte Liga, von der Qualität vielleicht sogar die beste nach den Top-5-Ligen. Spiel mal an einem Dienstagabend bei Wind und Wetter in Preston, Rotherham oder Millwall. Da gibt’s nur Vollgas. Spiel mal am 23., 26., 29. Dezember und an Neujahr! Die 24er-Liga mit 46 Saisonspielen macht’s möglich! Jemand wie Röhl, der gerne viel Zeit in die detaillierte Trainingsarbeit steckt, musste sich da extrem anpassen.

Auch ein Blick auf die Finanzen lohnt sich: Der HSV beispielsweise würde mit einem Kaderwert von etwa 50 Millionen Euro in der Championship auf Rang 16 liegen. Die Top-Klubs in Englands zweiter Liga liegen bei über 200 Millionen, das klamme Sheffield Wednesday gerade mal bei 20 Millionen.  

"Ich kenne ja auch die Premier League sehr gut und ich muss sagen, wer Fußball-Romantiker ist und fanatischen Fußball sehen will, der muss sich Championship-Spiele anschauen", meint Röhl.  

Dass der inzwischen 35-Jährige sehr gereift wirkt, mag auch daran liegen, dass er im letzten halben Jahr weit mehr als nur Cheftrainer war. Ob Manager als Bezeichnung für sein Aufgabenfeld bei Sheffield Wednesday überhaupt ausreicht? Wahrscheinlich müsste auf dem Schild vor seinem Büro eher "Mr. Danny Röhl, macht alles" stehen.  

Dass alle Transfers über seinen Schreibtisch gehen, erscheint ja noch sinnvoll und logisch, das kennt man ja auch so vom englischen Manager-Modell. Auch das ist aber für einen jungen Head Coach, der vorher noch nie mit Beratern telefoniert hatte, eine durchaus anspruchsvolle Herausforderung. 27 Spieler, 27 Berater, dazu Spieler, die man gerne holen will - da kommen schon einige Termine zusammen. Und auch im Transfergeschäft fährt man nicht nur Siege ein.       

Es geht aber noch viel mehr über Röhls Schreibtisch. Er ist derjenige im Klub, der mehr oder weniger auch für infrastrukturelle Verbesserungen zuständig ist. Wenn er will, dass ein neues Gym gebaut wird, muss er als "Projektmanager" fungieren. Er sucht die Hotels für die Sommervorbereitung aus. Selbst Rechnungen von Ärzten landen bei ihm zum Gegenzeichnen. 

Premier League oder Bundesliga? Danny Röhl will nach oben 

Trotzdem oder vielleicht auch deswegen war Sheffield Wednesday für Röhl genau der richtige Klub zum richtigen Zeitpunkt. Er weiß seinen Arbeitgeber sehr zu schätzen. Obwohl Sheffield zwei Klubs beheimatet, ist die Unterstützung auch in der Championship extrem gut.

Beim vorletzten Auswärtsspiel in Blackburn waren 7000 Fans dabei, eine ganze Gerade war voll mit Sheffield-Wednesday-Supportern. Jedes Heimspiel im altehrwürdigen Hillsborough-Stadion, allen Fußball-Fans alleine wegen der Zuschauer-Katastrophe von 1989 auf traurige Weise ein Begriff, ist ein Highlight. Egal, wo er hinkommt, Röhl wird erkannt, er betont aber, wie respektvoll das in Sheffield geschieht.   

Wie geht es jetzt für Röhl weiter? Andere Vereine klopften zwar an, aber am Ende entschied er sich Ende der vergangenen Woche für eine langfristige Verlängerung bei Sheffield Wednesday.

Röhl ging es dabei vor allem um die Perspektive. Er sieht den Klub als "schlummernden Riesen", bei dem etwas Großes entstehen kann. Er weiß aber auch, dass Tradition längst nicht mehr reicht und Investitionen dringend nötig sein werden, wenn es nach oben gehen soll. Und Röhl will nach oben. Mit seinem Klub. Aber auch persönlich. "Mein Anspruch ist es, so schnell wie möglich auf dem höchsten Niveau zu arbeiten", sagt er.      

Übersetzt heißt das: Röhl hat das klare Ziel, so schnell wie möglich als Cheftrainer in der Premier League oder in der Bundesliga zu arbeiten. Dort will er hin. Dort gehört er auch hin.

sport.de-Kolumnist Florian Regelmann kann auf viele Jahre als leitender Sportredakteur zurückblicken, seit März ist er als Head of US Sports für HEIM:SPIEL tätig.