Wie Flick den FC Barcelona umgekrempelt hat

Trainer Hansi Flick hat den FC Barcelona innerhalb von nur wenigen Monaten wieder zu einer allseits gefürchteten Fußball-Macht geformt. Spielerisch hat er seinem Team dabei nur einen neuen Anstrich verpasst, richtig renoviert hat der Coach dafür hinter den Kulissen.
Mit Hansi Flicks Amtsantritt beim FC Barcelona waren einige Zweifel verbunden. Anders als viele seine Vorgänger brachte er keine Vergangenheit im Klub mit. Und anders als sie, war er auch nie selbst ein weltklasse Spieler. Auch keiner, der bisher im Ausland Erfahrungen gemacht hatte, vor allem nicht bei einem Klub wie dem FC Barcelona - auf der einen Seite so groß und ruhmreich wie der FC Bayern. Auf der anderen aber auch völlig anders.
Seit seinem Amtsantritt am 1. Juli 2024 sind diese Zweifel verflogen. Flick hat nicht nur die Herzen der Barca-Fans gewonnen, sondern auch die seiner Spieler. Und die der Verantwortlichen, was bis dahin als nahezu unmögliche Aufgabe galt.
Flick haucht FC Barcelona ein Stück FC Bayern ein
Der sportliche Erfolg hat die Aufgabe für den dritten deutschen Cheftrainer der Vereinsgeschichte natürlich erleichtert. Mit Ausnahme von einer kurzen Schwächeperiode im November war der Barca-Zug in den letzten Monaten kaum aufzuhalten. Die Offensive um Robert Lewandowski, Lamine Yamal und Raphina ist die vielleicht beste in ganz Europa. Die anderen Mannschaftsteile sind stark genug, dass der Traum vom Triple Anfang April noch lebt.
Flick hat das möglich gemacht. Nicht, indem er seine Elf einen revolutionären Fußball spielen lässt. Sondern weil er dem FC Barcelona ein bisschen mehr FC Bayern eingehaucht hat - mehr Seriosität, weniger Zirkus, mehr Disziplin, weniger Ablenkungen, mehr Teamgeist, weniger One-Man-Shows.
Das Rad neu erfunden hat der 60-Jährige in Barcelona nicht. Vielmehr hat Flick einfach nur das durchgesetzt, was bei einem Klub dieser Größe selbstverständlich sein sollte, es bei Barca in den letzten Jahren aber oft nicht war. Pünktlichkeit, Regeneration, Teambuilding-Maßnahmen, ausführliche Spielvor- und -nachbesprechungen: In jedem dieser Bereiche hat der Deutsche für mehr Professionalität gesorgt. Die Spieler zahlen es mit Leistung zurück.
"Er sagt dir die Dinge so, wie er sie sieht"
Was Flick bei all seinen strengen Maßnahmen nicht verloren hat, ist seine Authentizität. "Er ist ein ehrlicher Mann. Er sagt dir die Dinge so, wie er sie sieht. Man bekommt nicht das Gefühl, er würde mit einem spielen oder die Wahrheit verschweigen", verriet ein Mitglied der ersten Mannschaft gegenüber "The Athletic". Eine Einschätzung, die die gesamte Kabine teilt.
Flicks Ehrlichkeit hilft ihm auch dabei, komplizierte Entscheidungen durchzusetzen. Wie etwa das konsequente Festhalten an seiner Startelf, obwohl auf der Bank Hochtalentierte sitzen, die in vielen anderen Mannschaften spielen würden. Sie wissen: Für den Erfolg müssen sie sich einordnen, denn das Team und der Klub sind am Ende größer als Einzelne. Flick hat ihnen das überzeugend vermittelt. Große Nebenkriegsschauplätze, wie sie es in den letzten Jahren immer gab, gibt es in dieser Saison im direkten Mannschaftsumfeld nicht.
Flick moderiert selbst die Barca-Brände weg
Bemerkenswert macht Flicks Erfolg auch die Tatsache, dass es unter ihm durchaus schon bei Barca gebrannt hat. Das Registrierungs-Debakel um Dani Olmo, die Abwanderungs-Gedanken von Raphina, das Hin und Her um Frenkie de Jong, die schweren Verletzungen von Leistungsträgern wie Marc-André ter Stegen, Ronald Araujo oder Marc Bernal - viele Mannschaften hätten darunter gelitten, Flicks Barcelona ging sogar gestärkt daraus hervor.
Doch so sehr Flick den FC Barcelona hinter den Kulissen auch umgekrempelt hat, so sehr bleibt Barca Barca. Heißt: Die Saison wird am Ende nach der Anzahl der Titel beurteilt. Derzeit spielt der Klub noch um die drei großen Pokale. In der Liga sieht es bei vier Punkten Vorsprung auf Real Madrid gut aus. In der Champions League wartet im Viertelfinale mit dem BVB eine lösbare Aufgabe. Im Pokalfinale wartet mit den Königlichen der best- und schlechtmöglichste Gegner.
Flick wird sich dran messen müssen, mit wie vielen Pokalen der FC Barcelona in wenigen Wochen dasteht. Im Moment spricht nicht viel dagegen, dass es alle drei sind. Träumen sei auch erlaubt, sagte er kürzlich. Dies sei aber nur etwas für die Fans. "Wir müssen realistisch bleiben", erklärte Flick - wohl wissend, dass Barca auch unter ihm ein Klub der Extreme bleiben wird, in dem sich die Stimmung schnell ändern kann.