24.10.2015 08:22 Uhr

Rüdiger Rehm exklusiv: Das gallische Dorf

Rüdiger Rehm coacht gerne emotional und lautstark von der Seitenlinie
Rüdiger Rehm coacht gerne emotional und lautstark von der Seitenlinie

Die SG Sonnenhof Großaspach hat sich in den letzten Monaten zum "gallischen Dorf" in der 3. Liga gemausert. Auf einmal ist der Verein mit den rund 800 Mitgliedern ein heißer Aufstiegskandidat. An diesem Wochenende geht es auswärts beim FC Hansa Rostock weiter, der wie viele andere Traditionsvereine in der 3. Liga im Mittelfeld der Tabelle herumdümpelt (ab 14 Uhr im weltfußball-Liveticker). Trainer Rüdiger Rehm spricht exklusiv über die Gründe für den Erfolg eines Dorfvereins im deutschen Profifußball. Die weltfussball-Manndeckung:

Herr Rehm, zu den Leistungen ihrer Mannschaft in den letzten Wochen kann man Ihnen nur gratulieren. Sieben ungeschlagene Spiele sind es mittlerweile wieder in Serie. Woraus besteht das Erfolgsrezept der SG Sonnenhof Großaspach?
Für uns war und ist immer klar, dass wir nur als Team erfolgreich sind. Das hat die Mannschaft verinnerlicht. Gleichzeitig ist es wichtig, dass jeder Spieler unsere taktischen Vorgaben umsetzt und unsere Spielphilosophie verinnerlicht. Wir arbeiten tagtäglich daran besser zu werden. Die Jungs sind weiter hungrig auf Erfolg.

Schon in der Rückrunde der Vorsaison hatte ihre Mannschaft einen ähnlich beeindruckenden Lauf, als sie zwischen Februar und Mai neun Begegnungen nicht verlor. Welche Parallelen gibt es im Vergleich zu dieser Phase?
Auch dort war der Teamspirit, das gemeinschaftliche Agieren als Mannschaft sicherlich der Schlüssel zum Erfolg. Natürlich gibt es noch viele Kriterien mehr, aber ich denke, der unbedingte Wille zum Erfolg muss immer vorhanden sein. In dieser Phase hat die Entwicklung unseres gemeinsamen Plans begonnen, geht jetzt weiter und wir sind uns sicher, dass diese noch nicht am Ende ist.

Sonnenhof Großaspach stand in dieser Saison auch einige Male für Offensivspektakel – denken wir an den sensationellen 4:0-Derbysieg gegen Stuttgart oder das 3:3 gegen Osnabrück, als es nach 27 Minuten schon 3:3 stand. Was haben Sie konkret in ihrem Spiel verändert, dass die SG94 auf einmal nach Dynamo Dresden den torgefährlichsten Sturm der Liga stellt?
Unsere Torerfolge verteilen sich auf mehrere Spieler – auch daran sieht man, dass die Mannschaft als Ganze derzeit gut arbeitet und auch Ausfälle kompensiert werden können. Gleichzeitig sind wir offensiv flexibler als in der Vergangenheit und dadurch auch schwerer ausrechenbar. Durch die perfekte Defensivarbeit aller Spieler sind wir in der Lage, Ballgewinne bereits in der gegnerischen Hälfte zu erzielen und haben damit einen kürzeren Weg zum Tor. Zusätzlich ist unser Spiel mit dem Ball variabler geworden.

Die Sommertransfers sind größtenteils eingeschlagen, Neuzugänge wie Tobias Schröck, Timo Röttger und Maximilian Dittgen standen quasi in jedem Spiel auf dem Platz und sind wichtige Aktivposten und Torschützen bei Ihnen. Welchen Anteil haben die Neuen am sportlichen Erfolg in Großaspach?
Jeder hat am Erfolg seinen Anteil und hierzu gehören deshalb auch die Neuzugänge, die bisher gute Leistungen abgerufen haben. Wichtig für eine Mannschaft ist aber ebenfalls ein starkes, gewachsenes Gerüst und Spieler, die schon seit längerem unsere Philosophie verinnerlicht haben. Die Mischung passt, jeder arbeitet täglich hart und das Team hat auch deshalb schnell zusammengefunden. Durch die längere Planungsmöglichkeit konnten wir uns in diesem Jahr auch intensiver mit der Suche nach und der Arbeit mit den Neuzugängen beschäftigen.

In der letzten Saison mischten Sie als Dorfverein erstmals die 3. Liga auf, auch heute gefällt Ihnen und ihrem Klub der Kosename des "gallischen Dorfes" noch ganz gut. Wie lange lässt sich ob des sportlichen Erfolges der Status des ständigen Underdogs noch aufrecht erhalten?
Gallisches Dorf passt eigentlich ganz gut zu uns. Natürlich wird aber auch bei uns professionell gearbeitet, ansonsten könnten wir auch in der 3. Liga nicht bestehen. Aber schauen Sie sich doch mal die Möglichkeiten der anderen Klubs an. Da müssen wir eigentlich nicht betonen, dass wir der Underdog sind. Wir sind ein Klub, bei dem alle an einem Strang ziehen müssen. Egal ob Mitarbeiter, Ehrenamtliche oder der sportliche Bereich – jeder identifiziert sich mit der SG und geht über die eigene Leistungsgrenze hinaus. Wir sind ein etwas anderer Verein und darauf ist sicherlich auch jeder etwas stolz.

Inwiefern macht sich ihre Saisonbilanz bei der Konkurrenz bemerkbar? Wird ihre Mannschaft mittlerweile anders wahrgenommen als noch zu Beginn der Drittligazeit? Was bekommen Sie davon beispielsweise bei Auswärtsfahrten mit?
Selbstverständlich sehen die Gegner auch die bisher erreichte Punktzahl, aber deshalb sind wir noch lange nicht der Favorit. Wir konzentrieren uns auf unser Spiel und damit sind wir bislang gut gefahren.

Beschreiben Sie bitte einmal, was sich in letzter Zeit in der Region Aspach in Sachen Fußball getan hat. Stichwort Zuschauerresonanz oder Mitgliederzuwachs. Wünschen Sie sich manchmal mehr Begeisterung und Spektakel, etwa wie in Dresden oder Magdeburg?
Wir können uns nicht mit Magdeburg oder Dresden vergleichen, das wäre absolut vermessen. Wir sind ein junger Verein und unsere Fangemeinschaft wird noch wachsen. Wir können uns aber eine Fantradition nicht kaufen und diese muss sukzessive mitwachsen. Unsere Fans sagen immer: Wir haben wenige Fans, aber dafür treue. Und ich denke, dass dies sehr gut passt. Natürlich sind besonders die Partien schön, bei denen eine tolle Atmosphäre aufkommt. Unser Zuschauerschnitt steigt, wir haben uns auch hier entwickelt und sind auf einem sehr guten Weg.

Beim letzten Gespräch mit Ihnen haben Sie vor allem das ruhige Umfeld und den positiven Umgang im Verein herausgestellt. Wie bewerten Sie ihre tagtägliche Arbeit mit der Vereinsführung nun ein halbes Jahr später?
Da hat sich nichts verändert. Wir haben weiterhin ein sehr offenes und vertrauensvolles Verhältnis. Und das wird auch so bleiben. Übrigens unabhängig vom Saisonverlauf. Wir wissen alle, dass wir nur zusammen erfolgreich sein können und das ist auch hier der Fall.

Am Samstag geht es zum FC Hansa Rostock, dem Unentschiedenkönig der Liga. Es ist die erste Auswärtsfahrt in dieser Saison in den Osten, sieben weitere werden in den nächsten Monaten noch folgen. Hat diese besondere Konstellation in der 3. Liga mit acht Ost-Klubs irgendeinen Stellenwert für Sie?
Zum einen ist es schade, dass derzeit nur Leipzig in den ersten beiden Ligen vertreten ist, der Osten hätte hier mehr Mannschaften verdient. Gleichzeitig ist es natürlich für uns toll, gegen viele Traditionsklubs aus dem Osten zu spielen. Die Euphorie und die Begeisterung sind ganz besonders. Das macht den Fußball aus und ist ein absoluter Mehrwert für die Liga.

Die nächsten Aufgaben in der 3. Liga lauten danach Cottbus, Kiel und Magdeburg. Von der Papierform her allesamt Kontrahenten, die als schlagbar anzusehen sind. Welche Ziele haben Sie mit ihrer Mannschaft für die nächsten Wochen ausgegeben?
Cottbus ist ein langjähriger Bundesligist, Kiel ist im letzten Jahr ganz knapp am Aufstieg gescheitert und Magdeburg ist ein ehemaliger Europokalsieger. Das allein spricht wieder für unsere Underdog-Rolle. Wir freuen uns auf die Begegnungen mit solchen Traditionsteams und wollen uns mit ihnen auf dem Platz messen. Unser großes Ziel bleiben 45 Punkte und der damit verbundene Klassenerhalt. Wenn wir das schaffen, haben wir vieles richtig gemacht. Wir haben jetzt Hansa vor der Brust und hier gilt es zuerst einmal zu bestehen.

Zum Abschluss ihre Einschätzung als Drittligaexperte: Wer wird in dieser Saison das Rennen machen und welches Saisonziel haben Sie mit ihrer Mannschaft ausgegeben? Der dritte Platz steht Ihnen doch sicher gut zu Gesicht...
Ich glaube, außer Dresden steht der dritte Platz allen Mannschaften der Liga gut zu Gesicht (lacht). Dynamo ist in diesem Jahr die absolute Übermannschaft, dahinter ist alles möglich und viele Mannschaften kommen als Aufstiegskandidaten in Frage. Wir bleiben aber bei unserem Saisonziel und Sie dürfen sich gerne wieder melden, wenn wir dies erreicht haben.

Mehr dazu:
>> SG Sonnenhof Großaspach in der Übersicht
>> Ergebnisse und Tabellen der 3. Liga

Das Interview führte Mats-Yannick Roth