27.07.2016 15:36 Uhr

Dárdai: "Keine Angst meinen Job zu verlieren"

Pál Dárdai hat mit dem Hauptstadtklub noch einiges vor
Pál Dárdai hat mit dem Hauptstadtklub noch einiges vor

Knapp 1,5 Jahre trainiert Pál Dárdai Hertha BSC mittlerweile und hat noch einiges vor. Der Coach hat eine Spiel-Philosophie entwickelt und möchte mit jungen Talenten dauerhaft in Europa eine Rolle spielen.

Wenn es am Donnerstagabend für die alte Dame gegen Brøndby in der Qualifikation um die Europa League geht, wird der Coach keinen Anzug tragen. Den möchte er erst aus dem Schrank holen, wenn Hertha wieder Champions League spielt, gibt er schmunzelnd zu Protokoll. Als Nationaltrainer Ungarns hätte er immer einen tragen müssen, dabei sei er "privat eigentlich gar nicht der Typ dafür."

Dárdai ist einer, der sich nie verstellt, er wirkt immer authentisch. "Es ist viel besser, ehrlich zu sein." So sei er immer, auch zuhause. "Ich brauche ehrliche Typen um mich herum, um mich weiterzuentwickeln - keine Schleimer", sagt er gegenüber der "Sport Bild". 

Fußball zuhause und im Verein

In seiner Familie ist der 40-Jährige ein Vorbild für seine Söhne. Dort gibt es keinen Strafenkatalog, sondern mehr Taschengeld, wenn etwas gut läuft. Im Verein jedoch ist der Ungarn anders. "Man muss das trennen können. Der "nette" Mensch Pal und der "böse" Trainer Dárdai." Für ihn ist das Abschlusstraining am schwierigsten, denn dort muss er einigen von denen, die sich in der Woche angestrengt haben, sagen, dass sie nicht mit zum Spiel dürfen. "Wenn ich mal aufhöre mit dem Job, dann wegen der Kader-Ausgabe."

Wenn der Coach in den eigenen vier Wänden ist, geht es weiterhin nur um Fußball. "Entweder am Fernseher, an der Playstation oder wenn wir zusammen essen." Sein ältester Sohn war sogar mit den Hertha-Profis im Trainingslager. Man zieht sich gegenseitig auf, wie in einer Fußballkabine. "Den Ball kannst Du nicht 100-mal hochhalten", sagt einer der Söhne. "Dann gehen wir in den Garten und testen das aus", erwidert der Vater. "Das ist die typische Atmosphäre bei uns."

In seinen 18 Monaten als Bundesliga-Trainer hat der 40-Jährige einiges gelernt. "Wir hatten so viele Punkte nach der Hinrunde. Da ist man natürlich zufrieden, dass es so gut läuft. Das glaubt man Dir ja nicht, wenn Du kritisierst." Er hätte als Coach besser dazwischenhauen müssen, als es im letzten Saisondrittel nicht mehr so konsequent in der Verteidigung klappte. "Das haben mein Trainerteam und ich nun gelernt."

Taktische Philosophie

Seine Spieler haben ebenfalls noch lange Lernkurve vor sich, sagt der Ungar, und bringt ein Beispiel: "Wenn Du zu Pferden gehst und schießt mit einer Pistole, erschrecken sich alle. Aber wenn Du das täglich machst, lernen die Pferde, damit umzugehen, und werden bei jedem Schuss ruhiger und schauen geradeaus." 

Im Vergleich zur Vorbereitung der letzten Saison habe sich einiges in Berlin geändert. "Damals konnte ich bei Testspielen nicht mehr hinsehen. Das Kombinationsspiel sah schlimm aus." Jetzt hätten die Spieler das aber viel anständiger gemacht, im letzten Test gegen Alkmaar vieleicht sogar schon zu viel. Wohin das am Ende in der Tabelle führt, ist für den Trainer schwer zu sagen. "Dazu fehlt mir auch noch die Erfahrung mit der Mehrfachbelastung." Allerdings habe Dárdai eine taktische Philosophie begonnen, denn er denke langfristig mit Hertha.

Die Vision beinhaltet, dass der Hauptstadtklub konstant international spielt und dass Berlin immer oben dabei ist. Dabei sollen junge Spieler aus der eigenen Akademie eine Rolle spielen. "Man sieht, was Spieler kosten. Da müssen wir noch mehr Verantwortung übernehmen und selbst ausbilden." Was das Ganze langfristig heißt, weiß der Ungar zu diesem Zeitpunkt noch nicht, fügt aber schmunzelnd an: "Aber ich habe bei Hertha einen Rentenvertrag."

"Keine Angst, meinen Job zu verlieren"

Dárdais Vertrag ist so angelegt, dass er für die Hertha-Jugend unbefristet läuft und für den Profi-Bereich jedes Jahr bestätigt werden muss. So ist das auch vom 40-Jährigen gewünscht: "Wenn ich bei den Profis als Trainer nicht mehr funktioniere und es einfach nicht mehr passt, gehe ich zurück in den Nachwuchsbereich." Für ihn sei es nicht wichtig gewesen, sofort Nationaltrainer zu werden oder in Deutschlands höchster Spielklasse zu trainieren. "Für mich ist wichtig: Rasen und Ball. Und den Beruf habe ich sicher." Deshalb habe er auch keine Angst, seinen Job zu verlieren. 

Auf das Geld habe der Hertha-Coach nie geschaut. "Mir ging es immer gut", sagt Dárdai, dessen Vater selbst Fußballer war und ihm damals in jungen Jahren verbot, zu früh einen Vertrag zu unterschreiben. So kassierte der sechzehnjährige Pál Dárdai die Prämien und machte die Schule zu Ende. "Geld motiviert mich nicht. Entweder ich habe zu etwas Lust, dann mache ich das mit vollem Elan - oder nicht."

Als "Das Gesicht von Hertha BSC" sieht er sich nicht, vermutet aber, dass es an seiner Art liegen könnte: "Ich bin kein Schauspieler und schon so lange dem Verein treu." Was wenige über ihn wüssten: "Ich lebe in meiner eigenen Welt und bekomme leider nicht viel mit. Ich habe schon mal zu meiner Frau gesagt: Wir leben in einer optischen Täuschung. Häuschen, Olympiastadion, ab und zu Ku`damm, Plattensee in Ungarn - das ist eine Traumwelt. Und dann noch Bundesliga ..."