27.04.2017 10:29 Uhr

Jonker-Interview: "Wir bleiben in der Bundesliga"

Andries Jonker verspricht im Interview:
Andries Jonker verspricht im Interview: "Wir bleiben in der Bundesliga"

Trainer Andries Jonker steckt mit dem VfL Wolfsburg mittendrin im Bundesliga-Abstiegskampf. Vor dem Gastspiel bei seinem Ex-Klub Bayern München spricht der Niederländer im Interview über die Chancen auf den Klassenerhalt, die schwächelnden Stars der Wölfe und die Rolle als möglicher "Partycrasher" gegen den Rekordmeister.

Herr Jonker, viele sprechen vom spannendsten Abstiegskampf der Bundesliga-Geschichte. Können Sie noch ruhig schlafen?

Ich kann ganz ruhig schlafen. Ich weiß, dass wir mitten drin sind - aber wir werden das hinkriegen. Wir bleiben in der Bundesliga.

Was macht Sie da so optimistisch?

Ich vertraue meiner Mannschaft. Ich habe die Jungs in den zwei Monaten, in denen ich hier bin, nie auf die Tabellensituation hinweisen müssen. Alle wissen um unsere Lage und verhalten sich auch entsprechend. Ich sehe jeden Tag Verbesserungen. Wir haben schon wichtige Schritte gemacht und werden sie weiterhin machen. Ich habe großes Vertrauen.

Nach einem guten Start unter Ihnen gab es zuletzt drei Niederlagen in vier Spielen. Wie erklären Sie sich das?

Um zu gewinnen, braucht man Tore. In den letzten Spielen haben wir unsere Chancen nicht genutzt. Und dann macht man weniger Punkte. Natürlich braucht man auch Glück, aber im Nachhinein waren wir nicht gut genug gegen Freiburg, Schalke und Berlin."

Ursprünglich wollte der VfL um Europa spielen. Sind Ihre Profis vielleicht überqualifiziert für den Abstiegskampf?

Ich verstehe die Frage. Aber wir haben in acht Spielen unter meiner Leitung elf Punkte geholt, das würde auf eine ganze Saison hochgerechnet eigentlich reichen und wäre gar nicht so schlecht. Also: Wir haben eine gute Mannschaft, die in der Lage ist, mit der Situation umzugehen. Nur wäre es jetzt schön, wenn auch das Quäntchen Glück noch dazu kommt.

Das gilt vor allem für die Offensive. Nur Mario Gomez trifft zuverlässig das Tor. Ist die Abhängigkeit von dem Nationalspieler zu groß?

Es würde mich freuen, wenn andere Spieler auch Tore schießen - wie sie es hier jeden Tag im Training machen. Aber wenn ich jetzt unterschreiben kann, dass wir noch viermal 1:0 gewinnen und Mario viermal trifft, unterschreibe ich das gern und sofort.

Warum läuft es bei Spielern wie Daniel Didavi oder Yunus Malli vor dem Tor nicht rund?

Es hat immer mit drei Dingen zu tun. Qualität, die haben sie. Überzeugung und auch ein bisschen Glück. Wenn man sich alle Chancen einmal anschaut, dann sieht man, dass manchmal Qualität, manchmal Überzeugung und manchmal Glück fehlt. Wir versuchen, so viel es geht zu helfen. Wir können uns Übungen einfallen lassen, wir können Empfehlungen geben, aber am Ende müssen die Spieler es selbst umsetzen.

Die nächste Chance haben Ihre Spieler am Samstag gegen Bayern München, der ausgerechnet in Wolfsburg vorzeitig deutscher Meister werden kann. Der VfL als Partycrasher - klingt doch nicht schlecht?

Ich kann natürlich Philipp Lahm anrufen und ihm sagen: 'Philipp, weißt Du was, Du hast hart gearbeitet. Bleib doch zu Hause am Samstag, wir verlieren 0:3 und Du feierst dann zu Hause auf dem Rathausbalkon.' Aber das werde ich nicht tun. Wir werden nichts verschenken. Wir werden wirklich um jeden Meter kämpfen und alles versuchen, damit wir die Punkte behalten - für uns und unsere Fans."

Die Bayern haben in der Liga zuletzt geschwächelt und sind in der Champions League ausgeschieden. Ein Vorteil?

Nein. Ich denke, dass es in jedem Land Klubs gibt, gegen die die Heimspiele absolute Highlights sind - Real Madrid, FC Barcelona, Ajax Amsterdam oder Manchester United. Ausverkauftes Haus. Das ist immer eine super Herausforderung - können wir die zu Hause schlagen? Natürlich haben wir eine Chance. Aber der FC Bayern weiß genau, dass gerade in dieser Phase der Saison die Preise vergeben werden.

Sie haben von 2009 bis 2012 in München gearbeitet, saßen für fünf Spiele sogar als Chefcoach auf der Bank. Mit welchen Gefühlen denken Sie an die Zeit zurück?

Mit schönen Gefühlen. Wir haben die Meisterschaft gewonnen, den Pokal gewonnen, den Supercup gewonnen - leider das Finale in der Champions League verloren. Aber es war eine wirklich schöne Zeit.

Wie viel Jonker steckt noch heute in den Bayern?

Gar nichts. Da steckt ganz viel Louis van Gaal drin. Ich habe damals natürlich meinen Beitrag geleistet und die Hälfte der Mannschaft von damals spielt noch immer, darauf kann ich stolz sein. Aber vor allem Louis van Gaal steckt drin - und nicht Andries Jonker.

Wie wichtig ist es, am Samstag etwas mitzunehmen bei dem harten Restprogramm mit Frankfurt, Mönchengladbach und dem HSV im Finale?

Die Liga ist verrückt. Wenn man gewinnt und du schaust auf die Tabelle, dann kann es sein, dass man einen Platz verloren hat. Auf der anderen Seite ist man trotz einer Niederlage manchmal immer noch dabei. Natürlich ist es wichtig, aber es gibt nicht mehr als drei Punkte zu gewinnen. Oder zu verlieren.

Wie lautet Ihre Rechnung für den Klassenerhalt, wie viele Punkte sind am Ende notwendig?

Keine Ahnung. Wenn einer vor vier Wochen gesagt hätte, Ingolstadt wird noch einmal mitmischen, hätte jeder gesagt: 'Bist Du wahnsinnig, das stimmt nicht.' Aber es stimmt doch. Ich kann jetzt nicht sagen, so und so viele Punkte brauchen wir. Ich kann nur sagen, dass wir am Samstag alles geben werden, um die Punkte zu behalten.

Trotz der prekären Situation wirken Sie ziemlich ruhig. Worauf wird es in den letzten vier Spielen ankommen?

Ich glaube, dass wir den eingeschlagenen Weg fortsetzen müssen. Die Enttäuschung einer Niederlage darf nicht umgesetzt werden in Panik und Hektik. Wir sollten so konzentriert und fokussiert, wie es geht, weiter hart arbeiten und uns weiter verbessern. Wir müssen einfach weiter von uns selbst überzeugt sein und den Zusammenhalt nutzen. Wir werden die Tore schießen. Mit den Toren werden die Punkte kommen. Und mit den Punkten werden wir unser Ziel erreichen.

Sie haben in Wolfsburg noch einen Vertrag bis 2018. Denken Sie schon darüber hinaus?

In diesem Moment habe ich überhaupt keine Zeit für solche Gedanken. Es geht von Spiel zu Spiel, und es gibt viel zu tun. Mittel- oder langfristige Planungen mit dem Verein, eigenes Privatleben - alles ist verschoben. Nur das nächste Spiel, nur das Bayern-Spiel, zählt. Wir müssen da unten wegkommen. Alles langfristige kommt danach.

Würden Sie mit dem VfL denn auch in die 2. Liga gehen?

Ich fokussiere mich nur auf die Bayern. Das ist das Einzige, was zählt.