20.09.2013 16:02 Uhr

Ailton exklusiv: Fink-Entlassung "total falsch"

Beim Abschiedsspiel seines Ex-Kollegen Torsten Frings lief Ailton noch einmal für Werder Bremen auf
Beim Abschiedsspiel seines Ex-Kollegen Torsten Frings lief Ailton noch einmal für Werder Bremen auf

Im Interview mit weltfussball kritisiert Ailton die Entlassung von HSV-Trainer Thorsten Fink kurz vor dem Derby gegen Bremen. Zudem spricht der 40-Jährige über den größten Fehler seiner Karriere, ein Herz für Werder und Zukunftspläne.

weltfussball: Herr Ailton, am Samstag treffen Ihre Ex-Klubs Hamburger SV und Werder Bremen im Nordderby aufeinander. In Ihrem bislang letzten Nordderby hatten Sie eine Hauptrolle. Können Sie sich noch an den 34. Spieltag der Saison 2005/06 erinnern?

Ailton: Ja und es tut noch ein bisschen weh. Wir durften nicht verlieren, damit sich der HSV direkt für die Champions League qualifiziert. Wir haben gut gespielt, aber ich habe zwei oder drei sehr gute Chancen vergeben, eine auch vor dem leeren Tor. Am Ende haben wir verloren und es hat nicht für den dritten Platz gereicht.

Das Derby am letzten Spieltag 2005/2006 im Liveticker

weltfussball: Sie waren also der tragische Held des Derbys. Im Anschluss starteten Werder- und St.-Pauli-Fans eine Aktion, um Sie mit ihren Stimmen zum HSV-Spieler des Jahres zu wählen. Tat diese hämische Aktion weh oder lacht man als Profi darüber?

Ailton: Nein, es ist normal, dass Bremen- oder auch St.-Pauli-Fans nach so einem Spiel feiern – die sind ja gegen den HSV. Die Fans müssen so oft weinen und haben es schwer, dann müssen sie in so einem Fall auch mal feiern, Bier trinken und Witze machen.

weltfussball: Ihre emotionale Nähe zu Werder ist bekannt. Das halbe Jahr Hamburg dagegen verlief eher unglücklich. Drücken Sie am Samstag einzig den Bremern die Daumen oder schlagen da zwei Herzen in Ihrer Brust?

Ailton: Schwere Frage! (lacht) Ich habe sechs Jahre in Bremen gespielt. Im Brementrikot habe ich alles gewonnen: Deutscher Meister, Pokalsieger, Fußballer des Jahres, Torschützenkönig – das habe ich nicht vergessen. Der HSV ist ein geiler, interessanter Klub, aber mein Herz schlägt mehr für Bremen. Erst letzte Woche beim Abschiedsspiel von Torsten Frings haben die Fans laut meinen Namen gesungen. Das ist super.

weltfussball: Bei der Partie 2006 ging es um die Plätze zwei und drei in der Bundesliga. Beim kommenden Duell treffen zwei Krisenklubs aufeinander. Wie stehen Ihrer Meinung nach die Vorzeichen?

Ailton: Beide Mannschaften haben es in der Liga momentan sehr schwer und müssen mit vielen Problemen kämpfen. Hamburg ist vielleicht ein kleiner Favorit, denn sie spielen zu Hause vor den eigenen Fans. Aber das kann auch zum Nachteil werden: Wenn der HSV in den ersten 20 Minuten kein Tor erzielt, kommen vielleicht die ersten Pfiffe und die Mannschaft wird nervös. Das ist die Chance für Bremen.

weltfussball: Sehen Sie die Gefahr, dass einer von beiden in dieser Saison ernsthaft in Abstiegsgefahr gerät?

Ailton: Ich denke nicht, dass sie zu den ersten Kandidaten gehören. Klar haben beide momentan große Probleme, aber es ist noch zu früh, um wirklich über den Abstieg zu sprechen. Es gibt ja auch noch Mannschaften wie Freiburg, vielleicht Berlin, Augsburg oder Nürnberg – an die denkt man beim Abstiegskampf zuerst. Aber sie müssen schon aufpassen.

Die aktuelle Tabelle der Bundesliga

weltfussball: Bei Werder ging die Entwicklung seit Jahren bergab. Im Sommer trennte man sich nach 14 Jahren von Trainer Thomas Schaaf. Was ist Ihre Meinung zum Ende dieser Ära?

Ailton: Ich weiß nicht, ob es eine gute Entscheidung vom Werder-Präsidium war, sich von Thomas Schaaf zu trennen und auf eine neue Philosophie zu setzen. Ich kann die Abläufe in Bremen aber nicht mehr so gut einschätzen. Zwar bin ich noch ein großer Fan des Vereins, aber mittlerweile habe ich ja auch eine gewisse Distanz.

weltfussball: Keine Ära prägen wird Thorsten Fink in Hamburg. Am Montag wurde er entlassen. Welche Auswirkungen kann das kurz vor so einem wichtigen Spiel auf die Mannschaft haben?

Ailton: Für mich ist das total falsch, wenn man so etwas kurz vor einem Derby macht! Da muss der Verein viel mit Kandidaten sprechen und dann wird es für den verantwortlichen Trainer ganz schwer. In so einer Woche will ein neuer Coach ein neues System einüben, vielleicht kommen auch Spieler in die Mannschaft, die zuletzt nicht so viel gespielt haben. Der HSV hat ja keine schlechte Mannschaft, aber momentan funktioniert es einfach nicht. Um die Gründe dafür zu analysieren, braucht er Ruhe und die ist bei all den Spekulationen nicht da.

weltfussball: Kommen wir zu Ihrer persönlichen Situation: Ihre Karriere war ereignisreich, bei Ihren Stationen haben Sie von Brasilien über Deutschland bis zur Ukraine alles gesehen. Wenn Sie eine Entscheidung rückgängig machen könnten, welche wäre das?

Ailton: Ich hätte Bremen nie verlassen sollen. Das war ein großer Fehler.

weltfussball: Erstmals seit Ihrem Abgang aus Bremen sind Sie derzeit länger als ein Jahr bei einem Klub. Trotz des Abstiegs aus der sechsten Liga haben Sie Ihren Vertrag bei Hassia Bingen noch einmal um ein Jahr verlängert. Was war ausschlaggebend für diese Entscheidung?

Ailton: Ich wollte einfach nicht noch einmal wechseln. Noch ein Klub mehr? Darauf hatte ich keinen Bock. Aber ich habe die Entscheidung auch nicht alleine getroffen. Meine Frau und meine Kinder wollten auch nicht schon wieder in eine neue Stadt ziehen.

weltfussball: Sind Sie denn noch richtig motiviert?

Ailton: Klar! Ich habe einfach Spaß daran, Tore zu schießen und für meinen Körper zu trainieren. Der einzige Verein, zu dem ich jetzt noch einmal wechseln würde, wäre Bremen. Aber ich glaube, da habe ich keine Chance. (lacht)

weltfussball: Was sind Ihre Ziele für diese Saison? Wie viele Tore werden Sie schießen?

Ailton: Das hängt ja auch von der Mannschaft ab. Ich kann nicht alles alleine machen. Aber wir verstehen uns sehr gut auf dem Platz und die Mannschaft spielt guten Fußball. Wenn das funktioniert, schieße ich auch viele Tore.

weltfussball: Und dann? Was kommt nach Ihrer aktiven Karriere als Spieler? Bleiben Sie dem Fußball in irgendeiner Funktion erhalten – als Trainer oder als Scout?

Ailton: Trainer auf jeden Fall nicht, dieser Posten passt nicht zu Ailton. Vielleicht arbeite ich als Spielerberater. Ich hatte ja viele Stationen und habe deswegen auch viele Kontakte. Natürlich muss ich auch nach meiner Ranch in Brasilien schauen, aber ich möchte schon weiter im Fußball arbeiten. Schön wäre auch ein Job als Scout für Werder Bremen oder den HSV. Wir werden sehen.

 

Interview: Jochen Rabe