20.06.2020 12:55 Uhr

Dubiose Umstände und ein Shitstorm: Russlands Skandal-Spiel

Die jungen Spieler des FK Rostov unterlagen Sochi deutlich
Die jungen Spieler des FK Rostov unterlagen Sochi deutlich

Corona-Wahnsinn in Russland! Da die gesamte Profi-Mannschaft des FK Rostov aufgrund von sechs Corona-Fällen in Quarantäne muss, war der Viertplatzierte der Premier Liga gezwungen, seine Jugendmannschaft gegen PFC Sochi ins Rennen zu schicken. Das Team kassierte eine deftige Niederlage, die letztlich aber nicht mehr als eine Randnotiz in einem wahren Skandal-Spiel war.

"Diese Jungs, das sind großartige und gutaussehende Männer. Das ist alles, was zählt. Diese Jungs sind zukünftige Champions", urteilte Artashes Vladimirovich, Präsident des FK Rostov nach der krachenden 1:10-Niederlage am Freitagabend.

Kurios: Das junge Team aus Rostov, ausschließlich 16 bis 19 Jahre alte Akademie-Spieler, ging gar in der 1. Spielminute durch Roman Romanov mit 1:0 in Führung. Nur wenige Minuten später nahm das Unheil jedoch seinen Lauf, zur Halbzeit stand es bereits 4:1 für die Hausherren aus Sochi.

Torhüter stellt neuen Liga-Rekord auf

Dabei bekamen die Gastgeber nach einer Schwalbe auch noch einen Elfmeter zugesprochen, den der junge Torhüter Denis Popov (18) allerdings parierte (27.). Trotz zehn Gegentoren wurde der Teenager mit dem Titel "Man of the Match" ausgezeichnet. Seine 35 gehaltenen Schüsse bedeuteten einen neuen Rekord in der Geschichte der russischen Liga. 

"Wir waren unserem Gegner nur physisch unterlegen", so Torschütze Romanov hinterher gegenüber "Match TV" trotzig. Der Youngster avancierte mit seinem Treffer übrigens zum jüngsten Torschützen der Vereinsgeschichte. In der Premier Liga waren zuvor nur zwei Spieler jünger als der 17-Jährige.

Shitstorm für Sochi - Fragen nach St. Petersburg

Rostov hatte bis kurz vor Spielbeginn versucht, die Partie angesichts des Ausfalls des kompletten A-Kaders noch zu verschieben. Der Gegner aus Sochi stimmte dem Antrag jedoch nicht zu. Auch eine kurzfristig von Rostovs Hauptsponsor organisierte Petition konnte Sochi nicht zu einer Spielverlegung bringen.

Pikant: Sochi gilt als Farm-Team von Tabellenführer Zenit St. Petersburg, der aus offensichtlichen Gründen Interesse an einer Rostov-Niederlage hatte. Obwohl die Liga über die dubiosen Umstände informiert war, stimmte sie der Austragung zu.

Die Entscheidung rief im ganzen Land einen großen Aufschrei hervor. Sochi versuchte die Wogen mit einem mittlerweile gelöschten Instagram-Post zu glätten. "Das ganze Land wird den Schuljungen die Daumen drücken? Wir waren alle einmal Schuljungen. Lasst uns heute Fußball spielen. Das Feld ist für alle gleich. Der Ball ist rund. Spielen wir, bis uns Mama nach Hause ruft", hieß es in dem Beitrag, der wie blanker Hohn klang und einen Shitstorm nach sich zog.

Rostov-Präsident Vladimirovich wollte nach dem Spiel keinen Kommentar zur Entscheidung Sochis abgeben, sagte stattdessen nur: "Wir werden nie mehr mit irgendwelchen Mannschaften verhandeln." 

Der legendäre Kommentator Dmitry Guberniyev hatte derweil kein Problem mit dem Spiel. Im Gegenteil. "Dieses Spiel wird das Ansehen des russischen Fußballs in ungeahnte Höhen treiben. Wir und unsere Kinder werden für immer stolz auf diesen kompromisslosen Kampf sein", schwärmte Guberniyev im TV. 

Sochi kletterte dank des Sieges vorerst auf Rang neun. Durch einen Sieg von ZSKA Moskau am Samstag könnte Rostov vom vierten Platz verdrängt werden. Gut möglich, dass das Jugendteam auch in den nächsten Partien für die Profis einspringen muss. Mit 38 Zählern hatte Rostov vor dem Corona-Restart nur drei Zähler Rückstand auf den FK Krasnodar, der zur Qualifikation für die Champions League berechtigt.