15.04.2015 12:53 Uhr

Kommentar: Labbadia: Die richtige Wahl!

Bruno Labbadia soll den Hamburger SV retten
Bruno Labbadia soll den Hamburger SV retten

Doch noch einmal ein neuer Trainer: Der HSV will eine letzte Trumpfkarte ziehen, um den ersten Abstieg aus dem Oberhaus zu verhindern. Aber ist Bruno Labbadia der richtige Mann am richtigen Ort?

In den letzten Tagen stellte sich rund um den Hamburger SV vor allem eine Frage: Wann kommt denn nun Thomas Tuchel? Im Sommer? Oder doch sofort, um den Bundesliga-Dino vor dem historisch ersten Abstieg zu retten?

Seit Mittwochmorgen ist die Frage beantwortet: Er kommt gar nicht! Völlig aus dem Nichts gab das Ligaschlusslicht bekannt, dass sie einen Anderen inthronisiert haben – den alten Bekannten Bruno Labbadia!

Eine Personalie, die zumindest nicht für alle Leute auf der Hand lag. Aufgrund von Zerwürfnissen mit Vereinsführungen, privaten Klatschpressen-Gerüchten und dem Stigma, sich schnell abzunutzen, ist Labbadia in der Öffentlichkeit nicht unumstritten.

Er hat es weder bei Leverkusen noch beim HSV oder beim VfB Stuttgart geschafft, den hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Dazu hatten seine Abgänge oftmals einen faden Beigeschmack.

Eigentlich ist Labbadia bisher doch wirklich überall gescheitert. Ist er das wirklich? Naja, so einfach kann man diese Aussage nicht hinnehmen!

Auf hohem Niveau entlassen

Ein Blick auf die sportliche Lage seiner letzten Klubs zum Zeitpunkt von Labbadias Demission: Bei Bayer Leverkusen ging er als Pokalfinalist. Klar, das Endspiel hat er verloren, nicht zuletzt weil die Diskussionen um seine Zukunft im Finale gegen Werder Bremen wie eine dunkle Wolke über dem Team hingen. Aber dennoch: Ein Finale hat die Werkself seitdem nicht erreicht.

Beim Hamburger SV musste Labbadia als Siebter in der Bundesliga und Halbfinalist in der Europa League gehen – nach einem 0:0 im Hinspiel gegen Fulham!

Der VfB trennte sich von ihm nach drei Niederlagen an den ersten drei Spieltagen (!) in der vergangenen Saison. Noch im Sommer davor hatte er auch die Schwaben ins Pokalfinale geführt.

Besonders bei den letzten beiden Vereinen muss man sich schon fragen: Wurde es nach Labbadia besser? Ein Blick auf die derzeitige Tabelle zeigt den VfB auf Rang 17 und den HSV auf 18. Jetzt könnten natürlich Kritiker hervorkriechen und sagen, Labbadia habe Trümmerfelder hinterlassen. Diese Parole greift jedoch etwas kurz. Besonders in Stuttgart war er jahrelang ehrlich. Er war immer derjenige, der öffentlich die Erwartungshaltung herunterschrauben wollte, da der Klub in seiner Amtszeit massiv Budget einsparen musste. Und dennoch hat er gute Tabellenplätze und eben das Pokalfinale erreicht. In der Kadergestaltung waren ihm und Manager Fredi Bobic die Hände gebunden. Er hat das Beste aus den wenigen Mitteln gemacht. Dass der Kader mittelmäßig zusammengestellt sei, kann bei der riesengroßen Lücke zwischen Anspruch der Vereinsführung und des Umfeldes und finanzieller Realität nicht unbedingt auf Labbadias Schultern ausgetragen werden.

Menschlich fragwürdig?

Menschlich soll Labbadia zudem schwierig im Umgang sein. Das war so in Leverkusen, als Teammitglieder nach dessen Abgang gegen ihn nachtraten. Das war so in Stuttgart, als William Kvist es genauso machte. Das war auch so in Hamburg, als es am Ende Kabinenrangeleien zwischen Ruud van Nistelrooy und Tunay Torun oder auch Ausraster von Paolo Guerrero gab. Alles ein bisschen wie derzeit in der Hansestadt… Auch mit Verantwortlichen geriet er immer wieder aneinander – so zuletzt vor allem in Stuttgart bei der Frage nach der Zielsetzung.

Alles valide Kritikpunkte, klar! Aber ganz ehrlich: Ist der zuletzt kolportierte Wunschkandidat Thomas Tuchel menschlich wirklich einfacher? Dieser wirkte immer wieder dünnhäutig nach Niederlagen und zuletzt kamen auch seine ehemaligen Spieler aus der Deckung. Nicht nur Heinz Müller, der offensiv gegen ihn schoss. Angeblich soll es in der Mannschaft nur noch zwei, drei Spieler gegeben haben, die hinter Tuchel standen. Manager Christian Heidel hat diesen Fakt zuletzt zumindest nicht dementiert. Das soll nicht heißen, dass er nicht auch vielleicht funktioniert hätte. In diesem Argument ist eine Schwarz-Weiß-Malerei zwischen Tuchel und Labbadia allerdings nicht unbedingt zu halten.

Vom Start weg sehr erfolgreich

Das vielleicht wichtigste Argument ist aber: Wenn Bruno Labbadia für eines steht, dann dafür, dass er schnelle Erfolge einfährt! Er ist kein klassischer Feuerwehrmann à la Peter Neururer oder Huub Stevens, aber bei seinen letzten Stationen lief es nach seinem Antritt immer erst einmal sehr gut. Leverkusen war unter ihm in der Hinrunde Spitzenreiter, der HSV im Herbst Vierter und mit Stuttgart stürmte er von Abstiegsplatz 17 ins Mittelfeld – und auf Platz vier der Rückrundentabelle.

Zuletzt schien der HSV unrettbar. Unter Peter Knäbel steuerte er scheinbar ungebremst auf den ersten Bundesliga-Abstieg hin. Mit Labbadia soll der letzte Strohhalm ergriffen werden. Es ist eine steile These, aber man kann Argumente für sie finden: Wenn einer den HSV retten kann, dann Bruno Labbadia. Er ist die richtige Wahl - für die aktuelle Situation!

Und wenn man ihm danach Zeit gibt und ihn nicht aufgrund unrealistischer Träume zu schnell absägt, ist er vielleicht sogar langfristig der richtige Mann, um den Klub sukzessive wieder nach oben zu führen. 

Mehr dazu:
>> Labbadia neuer Coach des Hamburger SV

Jochen Rabe