04.05.2016 07:11 Uhr

Meinung: Pep ist nicht gescheitert, aber...

Pep Guardiola verlässt den FC Bayern im Sommer
Pep Guardiola verlässt den FC Bayern im Sommer

Der FC Bayern ist zum dritten Mal in Folge im Champions-League-Halbfinale ausgeschieden, wieder gegen eine spanische Mannschaft. Der Erfolg der Ära Guardiola bemisst sich auch an diesen Niederlagen. Ein Kommentar.

Keine Frage, Pep Guardiola hat den deutschen Fußball ein Stück weit revolutioniert. Niemals zuvor gab es in der Bundesliga ein Team, das taktisch dermaßen flexibel war, das in guten Phasen so dominant durch die Liga pflügte wie die Münchener unter seiner Regie. Zwei Meisterschaften fuhr der FCB seit Amtsantritt des Spaniers in Rekordgeschwindigkeit ein, die dritte steht trotz des formstarken Verfolgers aus Dortmund quasi fest.

Guardiola entwickelte auch einzelne Spieler in beeindruckender Manier weiter: Jérôme Boateng reifte unter dem Taktikgenie aus Katalonien von einem sehr guten zum weltbesten Innenverteidiger, David Alaba ist mittlerweile vielleicht der vielseitigste Spieler des Planeten, Youngster Joshua Kimmich schaffte es in nur einem Jahr aus der zweiten Liga in den Dunstkreis des EM-Kaders.

Nicht zuletzt brachte der vor seinem Wechsel in die bayerische Landeshauptstadt so heiß begehrte Coach auch eine Menge Flair mit ins deutsche Oberhaus. Der vormals aus internationaler Perspektive eher biedere FC Bayern sonnte sich von Anfang an im Glanz, den der polyglotte Fußball-Philosoph schon durch seine bloße Anwesenheit verbreitete. Für die Münchener sollte der Coup mit Guardiola der letzte Schritt auf dem Weg in die Weltspitze sein, auf Augenhöhe mit Real Madrid und dem FC Barcelona.

Allein: Sportlich konnten die Pep-Bayern diesen Beweis in den letzten Jahren nicht antreten. Der FCB muss sich auch und vor allem an den Ergebnissen auf internationalem Parkett messen lassen. Zu weit ist der Rekordmeister der nationalen Konkurrenz in puncto finanzieller Stärke, Infrastruktur und – daraus folgend - Kaderqualität inzwischen enteilt. Anders gesagt: Meistertitel sind in München normal, Gradmesser für den Erfolg ist die Champions League.

Nicht ganz fehlerfrei

Und da ist Guardiolas Bilanz ernüchternd: Dreimal scheiterte das Team im Halbfinale der Königsklasse mehr oder weniger krachend an den Größen der spanischen Primera División. Nach Real und Barça war in diesem Jahr Atlético Madrid eine Nummer zu groß.

Viele Experten kritisieren, Guardiola habe sich mit der Nichtberücksichtigung von Thomas Müller im Hinspiel in Madrid vercoacht - nicht zum ersten Mal in den Do-or-die-Spielen der letzten Jahre. Bei Atlético gelang den Bayern zum dritten Mal in Folge in der Vorschlussrunde des wichtigsten Vereinswettbewerbs Europas kein Auswärtstor. Die Top-Leistung im Rückspiel reichte nicht, um den finalen Schritt nach Mailand zu machen.

2014 gegen Real musste sich der akribische Perfektionist taktische Fehler vorwerfen lassen. Im Duell mit Barcelona im Vorjahr machte ihm das Verletzungspech einen Strich durch die Rechnung. Zuvor hatte sich der machtbewusste Coach mit der jahrzehntelang so erfolgreichen medizinischen Abteilung um Erfolgs-Doc Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt überworfen.

Eine letzte Titelchance vor seinem Abgang zu Manchester City bietet sich dem scheidenden Coach noch, am 21. Mai im DFB-Pokalfinale von Berlin. Gegner dort ist einmal mehr der BVB. Doch völlig unabhängig vom Ausgang dieser Partie: Pep ist bei den Bayern nicht gescheitert, aber die Ära Guardiola in München bleibt unvollendet.

Tobias Knoop