11.05.2016 08:33 Uhr

Hasenhüttl & RB: Logik auf den zweiten Blick

Betritt bald unbekanntes Terrain: Ralph Hasenhüttl
Betritt bald unbekanntes Terrain: Ralph Hasenhüttl

Lucien Favre, Markus Weinzierl - große Trainernamen brachte man mit dem RB Leipzig in Verbindung. Die Wahl fiel auf Ralph Hasenhüttl. Der Österreicher scheint angesichts der ambitionierten Ziele des finanzstarken Aufsteigers eine Notlösung zu sein. Auf den zweiten Blick ist seine Verpflichtung jedoch logisch.

Der 7. Mai 2016 war kein schöner Tag für Ralph Hasenhüttl. Durch den feststehenden Abgang zu RB Leipzig, geriet das letzte Heimspiel gegen die Bayern zur Nebensache. Zumindest für Teile der Fans ist der Wechsel ein Skandal. Empfangen wurde der Trainer daher mit unschönen Plakaten. "Der wahre Charakter zeigt sich zum Schluss - Du hast keinen", stand auf einem. Nach dem Spiel ging der Österreicher dennoch hinüber zur Tribüne und suchte den Dialog mit den Anhängern. Man habe eine tolle gemeinsame Zeit gehabt und er vergesse das nicht so schnell, erzählte er im Anschluss auf der Pressekonferenz. "Die Fans glaube ich auch nicht", ergänzte er noch.

Hasenhüttls Arbeit bei den Schanzern verdient das Prädikat besonders wertvoll. Aus einem Zweitliga-Abstiegskandidaten formte er in nur zwei Jahren eine schlagkräftige Truppe. Der FCI spielte nach dem Aufstieg im vergangenen Sommer eine bärenstarke Bundesligasaison, musste nicht zittern und machte den Klassenerhalt bereits am 31. Spieltag perfekt.

Trotz seiner unbestreitbaren sportlichen Erfolge scheint der 48-jährige auf den ersten Blick nur eine Behelfslösung für RB zu sein. Die Ostdeutschen wurden zunächst mit Ex-Gladbach-Trainer Lucien Favre in Verbindung gebracht. Danach stand Markus Weinzierl vom FC Augsburg auf der Liste von Sportdirektor Ralf Rangnick. Beide Seiten widersprachen sich, wer wem abgesagt habe. Hasenhüttl ließen sich die Roten Bullen schließlich 1,5 Millionen Euro kosten. Schaut man genauer hin, so ist der neue Mann an der Seitenlinie weniger Notnagel als vielmehr die geeignete Wahl um Noch-Trainer Ralf Rangnick aus seiner Doppelfunktion abzulösen.

Hasenhüttl setzt auf junge Spieler

In Leipzig möchte man den eingeschlagenen Weg mit jungen, hungrigen Spielern weitergehen. Rangnick ist überzeugt: "Wir werden eine ältere U-23-Mannschaft stellen. Es wird mit Sicherheit die jüngste Mannschaft der Bundesliga sein." Das passt zu Hasenhüttls Denkweise: In Ingolstadt hatte der Trainer nach dem Aufstieg darauf verzichtet den Kader groß zu verändern und sprach seinen jungen Spielern das Vertrauen aus - mit Erfolg. Unter seiner Führung schafften sowohl Danny Da Costa (22) als auch Max Christiansen (19) den Sprung vom Talent zum Stammspieler. Da Costa wurde zur neuen Spielzeit von seinem Ex-Klub Bayer Leverkusen zurück an den Rhein beordert.

Dass die Talentförderung auch in Leipzig gelingen wird, davon ist man bei dem Brauseriesen überzeugt: "Ralph passt von der Grundsatzphilosophie zu uns und auch menschlich in dieses Team", so der Vorstandsvorsitzende Oliver Mintzlaff. Bereits jetzt werde der Neu-Coach eng in die Kaderplanungen einbezogen. 50 Millionen Euro will RB dem Vernehmen nach investieren. Von diesen finanziellen Mitteln hätte Hasenhüttl in Ingolstadt nur träumen können.

Fokus auf Gegenpressing

Mussten die Bullen in der abgelaufenen Saison das Spiel meist selbst machen, so wird im Oberhaus vermutlich ein modifizierter taktischer Ansatz benötigt. "Wir haben noch nie Bundesliga gespielt und tun gut daran, bescheiden an die Aufgabe heranzugehen", weiß Rangnick um die veränderte Ausgangslage. 

Das deckt sich mit Hasenhüttls Vorstellung vom Underdog-Fußball. Bei Ingolstadt spielte man zwar auch gegen hochklassige Mannschaften mutig, überließ die Spielgestaltung aber meist dem Gegner. Stattdessen lag der Fokus auf aggressivem Pressing, oft schon beim gegnerischen Spielaufbau. Bei Ballgewinn sollte direkt in die Offensive gespielt werden. Die eigene Spieleröffnung über lange Bälle sollte Angriffsaktionen nach dem Gewinn zweiter Bälle ermöglichen. Schnelle Offensive statt Ballstaffetten.

In abgewandelter Form könnte dies auch in Leipzig Anwendung finden. Statt gegen starke Gegner über Ballbesitz zu kommen, könnte Hasenhüttl versuchen durch Pressing Bälle zu erobern und die starke Offensivabteilung um Emil Forsberg, Davie Selke, Youssuf Poulsen und Marcel Sabitzer so in offensive Umschaltaktionen zu bringen.

Andere öffentliche Wahrnehmung

Dennoch wird sich der Österreicher umstellen müssen. Konnte er beim FC Ingolstadt noch weitgehend unter dem Radar fliegen und in Ruhe arbeiten, so wird sich das bei Leipzig ändern. Schon aufgrund der Antipathie, die dem umstrittenen Red-Bull-Projekt aus fast allen Fanlagern entgegen gebracht wird.

Zudem wird sich zeigen wie der Trainer und seine Mannschaft mit der vereinsinternen Erwartungshaltung umgehen. In Ingolstadt sollte er den Klub zunächst in ruhigere Fahrwässer lotsen - und schaffte auf Anhieb viel mehr. In Leipzig sind die Anforderungen langfristig andere. Schon vor der abgelaufenen Saison gab Mäzen Dietrich Mateschitz das Ziel des Klubs vor: sich auf Augenhöhe mit Borussia Dortmund oder dem FC Bayern zu messen. "Wenn wir das nicht irgendwann einmal wollten, sollten wir den Fußball besser an den Nagel hängen."

Mit Ralph Hasenhüttl hat man nun einen guten Trainer verpflichtet, dessen Philosophie mit der des Vereins übereinstimmt. Ob es eine erfolgreiche Zusammenarbeit wird, ist abhängig von vielen Faktoren. Die Vorzeichen dafür stehen allerdings sehr sehr gut. Und das eine oder andere Stadionbanner gegen seine Person oder den neuen Arbeitgeber wird ihn nicht sonderlich stören.

Simon Lürwer