22.10.2016 08:57 Uhr

Meinung: FC & Hertha? Es kann nur einen geben

Peter Stöger und Pál Dárai schielen gen Europa
Peter Stöger und Pál Dárai schielen gen Europa

Am Samstag treffen Hertha BSC und der 1. FC Köln im Spitzenspiel der Bundesliga aufeinander. Welche Überraschungsmannschaft schafft es nach Europa? Zwei Redakteure, zwei Meinungen.

"Köln bucht seine Europatour"

Nach dem vergangenen Spieltag postete mir ein Freund auf Facebook die Bundesliga-Tabelle in die Chronik - natürlich mit dem Hinweis, dass sein 1. FC Köln Deutscher Meister werde. Doch wer hier an den häufig kolportierten Domstädter Größenwahn denkt, ist auf dem Holzweg. Die Fans sind glücklich über die aktuelle Formstärke ihrer Mannschaft und scherzen darüber, wie man es in einer Karnevalshochburg nun einmal tut.

Am Rhein kann man sehr gut einschätzen was realistisch möglich ist: der Europapokal! Das liegt vor allem an der guten Arbeit von Jörg Schmadtke und Trainer Peter Stöger, die gemeinsam ein starkes Team zusammengestellt haben. Der Coach meint sogar, der aktuelle sei sein "gefühlt bester Kader". Klar, dass er das denkt, wenn selbst ein Sorgenkind wie Yuya Osako plötzlich durchstartet.

Dazu kommen die gewohnt starken Leistungsträger wie Timo Horn, Jonas Hector oder Matthias Lehmann in einem flexiblen System. Hervorzuheben ist aber vor allem Knipser Anthony Modeste, mit sieben Treffern aktuell bester Torjäger der Liga. Auch Berlins Goalgetter Vedad Ibišević hinkt da hinterher.

Der 1. FC Köln wird sicherlich noch kleine Rückschläge erleben, doch weiterhin seinen soliden Fußball spielen und regelmäßige Dreier einfahren. Anders ist es bei der Hertha, der schon zum Ende der vergangenen Saison die Puste ausging. Während die Alte Dame den Bundesliga-Bus Richtung Europa also vorzeitig verlassen muss, wird der 1. FC Köln seine Europatour buchen.

Florian Pütz

"Mit Schnitzeln, Sauerkraut und Rouladen im Gepäck"

Berlin ist aufregend, Berlin ist sexy, Berlin ist Glamour - anders die Hertha! Und genau das ist dem Hauptstadt-Klub endlich klar geworden. Anstatt vergeblich dem Größenwahn einer hippen Millionen-Metropole nachzueifern, haben sich Coach Pál Dárdai und Manager Michael Preetz, die zu ihrer aktiven Zeit in Berlin auch auf dem Rasen für ehrliche Arbeit standen, auf das Wesentliche beschränkt. Dabei haben sie auch akzeptiert, nicht das heiß und innig geliebte Kind der Stadt zu sein. Das oftmals leicht verzweifelt anmutende Buhlen der Hertha-Verantwortlichen um Zuschauer nervt dabei zwar ab und zu, gehört aber zum Handwerk.

Sportlich ist aber alles in Butter in der Hauptstadt. Die Alte Dame steht dieser Tage vorrangig auch für ihre ehrliche und bodenständige Art und genau die tut so manchem Profi gut. Kurzerhand wurde Youngster Mitchell Weiser, der einst mit übersteigertem Selbstbewusstsein aus der Kölner Jugend zu den Bayern kam, geerdet. Auch das als schwierig geltende Torjäger-Duo Salomon Kalou und Vedad Ibišević knipst unter Dárdais Regie wie blöde.

Klar ist der sehr passable Saisonstart nur eine Momentaufnahme, aber Hertha braucht sich nicht zu verstecken. Bedenkt man, dass trotz erst einer Niederlage und 14 Punkten noch nicht alles Gold ist, was glänzt. Dauerläufer Vladimír Darida kehrt jedoch bald zurück und was das seit August verletzte Top-Talent Ondrej Duda kann, wird sich ebenfalls in Kürze zeigen. 

Fazit: Die Hertha hat sich an den Herd gestellt, das Kochbuch aus Urgroßmutters Zeiten aus dem Schrank gekramt, sich auf die gute alte Hausmannskost beschränkt. Deswegen wird sie in der nächsten Saison mit Schnitzeln, Sauerkraut und Rouladen im Gepäck über den Kontinent tingeln. Schickimicki und Molekular-Küche wird man weiter anderen überlassen.

Marc Affeldt