12.05.2014 12:24 Uhr

Datensalat: Katerstimmung in violett

Lassen die Austria-Verantwortlichen nach einer missglückten Europacupteilnahme Trainer Herbert Gager als Sündenbock im Regen stehen?
Lassen die Austria-Verantwortlichen nach einer missglückten Europacupteilnahme Trainer Herbert Gager als Sündenbock im Regen stehen?

Der entthronte Meister Austria Wien hat mit der 1:2-Heimpleite in der letzten Bundesliga-Runde auch die Europacup-Teilnahme 2014/15 verspielt. Am Montag wollen die Veilchen Bilanz über eine national missglückte Saison ziehen. Weltfussball blickt daher auf die Erfolgsausbeute von Herbert Gager sowie seiner Trainer-Vorgänger.

"Wir haben immer wieder gesagt, dass wir uns nach der Saison zusammensetzen und die Saison analysieren. Und dann werden wir die Entscheidung treffen", wie ein Mantra wiederholte Austria-Sportvorstand Thomas Parits in den vergangenen Wochen, dass die Trainerfrage erst nach der 36. Runde beantwortet werde. Am Montagnachmittag ist es soweit. Dann treten die Austria-Funktionäre zur Meditation an, gehen in sich und erhoffen, am Ende zur Erleuchtung zu gelangen.

Ein beharrlich fehlendes Bekenntnis zum Trainer durch den Vorstand und eine Mannschaft, die vom Glanzlicht der Champions League geblendet das Tagesgeschäft aus den Augen verlor, könnten Herbert Gager nun den Job kosten. Wer die Veilchen kennt, der weiß, wie die Uhr tickt – und vor allem wo. Nämlich als Zeitzünder am Trainersessel. Auf dem Schleudersitz Platz zu nehmen bedeutet ein Risiko einzugehen. Nichtsdestotrotz ist er einer der begehrtesten weil prestigeträchtigsten Arbeitsplätze in Österreich.

Herbert Gager wurde erst im Februar zum Cheftrainer befördert – mit der Mission, die Teilnahme am Europacup zu sichern. Das Ziel war bereits in Reichweite. Bei Gagers Amtsantritt war die Austria Fünfter, mit drei Zählern Rückstand auf den dritten Platz. Die Aufholjagd verlief zunächst nach Plan. Erst im Finish wurde eine eigentlich vorteilhafte Ausgangsposition verspielt. Schlussendlich reichte Grödig ein 3:3-Remis bei Absteiger Wacker Innsbruck, um mit negativer Tordifferenz (!) via Liga in den Europacup einzuziehen. Wie schon vor zwei Jahren gab Sturm Graz der Austria den Rest und ein Aufsteiger schnappte den internationalen Auftritt weg.

Wie ist Gagers Amtszeit zu beurteilen? "Ich glaube nicht, dass es davon abhängt, ob wir uns qualifizieren oder nicht. Ich hoffe, dass wir die richtige Entscheidung treffen werden", hatte ein optimistischer Thomas Parits am Freitag vor dem Spiel noch gesagt.

Ein Blick auf den Punkteschnitt der Austria-Trainer seit Einführung der Drei-Punkte-Regel 1995 listet Herbert Gager nur an zwölfter Stelle. Mit einem Wert von 1,69 Punkten pro Spiel. Der Durchschnitt liegt aktuell bei 1,61.

 

 

Noch vor der Niederlage gegen Sturm war der 44-Jährige fast gleichauf (1,83) mit Karl Daxbacher, dem am längsten dienenden Trainer dieser Epoche (122 Bundesliga-Spiele). Ein voller Erfolg gegen die Steirer hätte Gager sogar einen Punkteschnitt von 1,92 eingebracht und damit einen Rang vor dem heutigen deutschen Bundestrainer Joachim Löw (wurde als Tabellenführer gegangen, Anm.) und einen Hauch hinter Peter Stögers erster Amtszeit (Meistersaison 2005/06, bis er sich auf den Posten des Sportdirektors zurückzog und Frenkie Schinkels das Feld überließ) und der ersten erfolgreichen Inanspruchnahme von Dietmar Constantini als Feuerwehrmann (2001/02).

Meistermacher Peter Stöger führt die Wertung mit der Rekordsaison 2012/13 naturgemäß an. 2,28 ist ein beachtlicher Wert und wird sonst von keinem lange im Amt weilenden Trainer erreicht. Stögers Nachfolger Nenad Bjelica schrieb mit dem erstmaligen Einzug in die Champions League Geschichte, holte in der Bundesliga im Schnitt allerdings nur 1,35 Punkte und liegt damit sogar hinter den Austria-Trainern der krisengebeutelten späten 1990er Jahre.

Nicht nur erfolgreich, sondern schön

"Es wäre eine Sünde gewesen, hätte ich nicht auch noch den Tormann überspielt", brachte Ernst Stojaspal in den 1950ern die violette Spielauffassung auf den Punkt. Bei der Austria zählt nicht nur der Erfolg. Er muss auch noch mit schönem Spiel eingefahren werden. Messbar sind die leckeren Augenhappen freilich nur schwer. Mit dem Torschnitt ist immerhin eine Annäherung daran möglich.

Was den Torschnitt anbelangt liegt Herbert Gager (1,46) sogar knapp hinter dem Durchschnitt (1,47). Vorgänger Bjelica liegt mit umgerechnet 1,7 Toren pro Spiel weiter vorne. Erkenntnis aus der Saison 2013/14: Klappte es mit den Toren, wurde nicht entsprechend gepunktet. Wurde die Punkteausbeute verbessert, nahmen die Torerfolge ab.

Die Frage nach der Verantwortung

Finanziell ist das Verpassen des Europacups dank der Millionen aus der Champions League und konservativer Budgetierung finanziell zu verkraften. Austria-Finanzvorstand Markus Kraetschmer befürchtet allerdings einen "Imageschaden". Im vergangenen Jahrzehnt waren die Veilchen Stammgäste in Europa. Dieser Ruf ist in Gefahr.

Wenngleich die Austria, freiwillig und unfreiwillig, vielleicht wieder in ihren traditionellen Sesseltanz verfällt, so gibt es trotzdem Kontinuitäten im Klub. Neben einigen Spielern ist diese vor allem am Vorstandsduo festzumachen. Sportlich war Thomas Parits der Architekt beim violetten Relaunch nach der Ära Frank Stronach. Der heute 67-Jährige wurde im Oktober 2006 noch vom Mäzen selbst zum General Manager berufen.

Während Parits' Einkaufspolitik der Marke "Ja zu A" immer wieder von Erfolg gekrönt war, glückte nicht jede Personalentscheidung auf dem Trainersektor. Nur Langzeitcoach Karl Daxbacher und die nach dem PR-Bauchfleck rund um die Absage von Franco Foda vermeintliche "Nummer zwei" Peter Stöger wurden den Ansprüchen gerecht.

"Wir müssen einiges ändern", hieß es nach der Pleite am Sonntag. Die Zeitschaltuhr am violetten Schleudersitz tickt also wieder und scheint auf Montagabend gestellt. Zuvor tagt der Aufsichtsrat nämlich zu zwei Themen: Die noch offene Vertragsverlängerung mit Thomas Parits und die Bestandsaufnahme nach dem Ende der Saison.

Mehr dazu:
>> Trainerhistorie Austria Wien 

Sebastian Kelterer