15.04.2018 15:13 Uhr

Vom "schlechtesten Stürmer" zum Messi-Jäger

Der Brasilianer Jonas peilt mit Benfica die nächste Meisterschaft an
Der Brasilianer Jonas peilt mit Benfica die nächste Meisterschaft an

Der Brasilianer Jonas zählt zu den gefährlichsten Angreifern Europas. Dennoch fliegt der 34-Jährige weitestgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit. Die Tormaschine von Benfica hofft nun im Sommer auf die ganz große Bühne.

Es läuft die 78. Minute zwischen Benfica und Vitória Guimaraes am 28. Spieltag der portugiesischen Liga. Jonas Goncalves Oliveira steigt am Fünfer nach einer mustergültigen Rabona-Flanke höher als sein Bewacher, nimmt Maß und köpft am chancenlosen Keeper vorbei ins Tor. Doppelpack des Brasilianers.

Und das nicht zum ersten Mal: Es ist bereits der sechste in der laufenden Saison, zweimal schnürte der Brasilianer sogar einen Hattrick.

Im Rennen um den Golden Shoe

Beim Sieg gegen den Tabellenneunten markierte Jonas seine Saisontreffer 32 und 33. Diese unglaubliche Torquote katapultiert den Knipser neben große Namen wie Lionel Messi, Mohamed Salah und Robert Lewandowski auf Rang sechs der Golden-Shoe-Wertung, der jährlichen Auszeichnung für den erfolgreichsten Torjäger Europas.

Seit Jahren spielt der portugiesische Fußballer des Jahres von 2015 und 2016 auf allerhöchstem Niveau und räumt Titel um Titel mit den Lissabonern ab. Überragende 121 Treffer verbuchte die Nummer Zehn im Trikot des Rekordmeisters seit seiner Ankunft im Herbst 2014.

Zudem legte der Angreifer 38 Mal für seine Kollegen auf und unterstrich seine mannschaftsdienliche Spielweise. Benfica-Trainer Rui Vitória zeigte sich verzückt von der Einstellung seines Stürmers: "Jonas ist der erste, der seine Kollegen umarmt und sich mit ihnen freut. Er ist mit seiner Qualität extrem wichtig für uns, aber für ihn geht es nur um das Team."

Die Formel für den Erfolg

Egal ob mit links, rechts oder mit dem Kopf, Jonas ist Benficas Allzweckwaffe. Ausgestattet mit einem guten Schuss und einer unnachahmlichen Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor ist der Brasilianer ein Stürmer wie er im Buche steht.

Zudem verfügt der Routinier über eine feine Technik. Damit zählen nicht nur Distanzschüsse zum Repertoire des Torjägers, sondern auch gefühlvolle Lupfer, die die Benfica-Fans mit der Zunge schnalzen lassen.

Eine seiner Spezialitäten sind Direktabnahmen aus der Luft, die er mit rechts und links gleichermaßen erfolgreich im Kasten unterbringt. Mit seinen 1,82 Metern Körpergröße zählt Jonas zwar zu den kleineren Vertretern seiner Zunft, diesen Nachteil weiß er mit seinem Stellungsspiel aber mehr als wett zu machen. 

Vom Flop zum Überflieger?

Dabei betitelte die spanische Zeitung "Mundo Deportivo" den Brasilianer 2009 noch als "schlechtesten Stürmer der Welt". Der Ursprung des Ganzen lag in einer Copa-Libertadores-Partie seines damaligen Arbeitgebers Grêmio Porto Alegre, als der Unglücksrabe in einer Spielsituation gleich drei hundertprozentige Tormöglichkeiten nacheinander liegen ließ.

Von dieser Kritik ließ sich Jonas aber nicht beirren. Schon zu Grêmio-Zeiten zählte der Brasilianer zu den treffsichersten Stürmern des Landes, im Januar 2011 wagte der Torschützenkönig schließlich den Sprung über den Atlantik.

Beim FC Valencia setzte der damals 26-Jährige seine Jagd unnachgiebig fort und markierte starke 52 Tore und 22 Assists in 157 Auftritten. Damit ebnete sich der Knipser den Weg zu Benfica und entwickelte sich dort zu einem der gefährlichsten Angreifer des Kontinents.

In der Selecao verschmäht

Während es auf Vereinsebene rund läuft, sieht die Karriere im Selecao-Trikot eher mau aus. Nur zwölfmal wurde der Goalgetter seit seinem Debüt im Jahr 2011 in die Nationalmannschaft berufen. Bis auf zwei Einsätze bei der Copa América 2016 (ein Tor) reichte es nie für Auftritte bei den ganz großen Turnieren.

Ob die diesjährige Torflut für den Sprung in den WM-Kader 2018 reicht, bleibt abzuwarten. Dem 34-Jährigen ist klar, dass im Sommer vielleicht die letzte Gelegenheit auf internationalen Glanz wartet.

"Mein Ziel ist es, in die Nationalmannschaft zurückzukehren und an der WM teilzunehmen. Es ist vielleicht die letzte Chance. Bei der nächsten WM bin ich 38 - wer weiß, ob ich dann noch Fußball spiele. Ich weiß, dass die Zeit knapp ist", gestand Jonas zuletzt im Interview mit "Globo Esporte".

Die Vorentscheidung im Titelrennen

Selbstverständlich wird der Brasilianer keine Gelegenheit auslassen, Nationalcoach Tite von sich zu überzeugen. Im O Clássico gegen den Erzrivalen FC Porto sind die Scheinwerfer wieder auf ihn gerichtet.

Nachdem Jonas am vergangenen Wochenende mit Rückenproblemen zum ersten Mal in der Saison nicht auf dem Rasen stand, kehrt der Goalgetter zum Gipfeltreffen rechtzeitig zurück in den Mannschaftskader.

Sicherlich wird der Top-Torjäger dem Duell mit den Drachen bereits entgegenfiebern. Porto zählt immerhin zu den fünf Mannschaften, gegen die Jonas in der laufenden Spielzeit noch keinen Treffer verbuchen konnte. Ein Zustand, den er unbedingt ändern möchte.

Kai Ziemen