23.06.2020 21:08 Uhr

Wie Klopp das Undenkbare verhindern will

Mit dem FC Liverpool auf Titelkurs: Jürgen Klopp
Mit dem FC Liverpool auf Titelkurs: Jürgen Klopp

Jürgen Klopp wird dem FC Liverpool vielleicht schon in dieser Woche die erste englische Meisterschaft seit 30 Jahren einfahren. Auch, wenn Verfolger Manchester City beeindruckend in den Endspurt der Premier League gestartet ist. Auf dessen Scheitern hofft der frühere BVB-Coach dennoch nicht - und erklärt, warum er das aufgegeben hat.

Gut, Manchester City ist überragend aus der Corona-Pause in den Spielbetrieb zurückgekehrt. Zwei Spiele, zwei Siege, 8:0 Tore, Arsenal (3:0) und Burnley (5:0) zerlegt - die Bilanz der Truppe von Pep Guardiola ist makellos. Beeindruckend.

Das sieht auch Jürgen Klopp so, wenngleich der Trainer des FC Liverpool, des weit enteilten Tabellenführers und designierten Meisters, nicht überrascht ist. "City marschiert wieder, zwei Spiele, acht Tore, das ist beeindruckend, sollte aber keine Überraschung sein. Es ist einfach ein Team mit viel Qualität", erläuterte er auf der Pressekonferenz der Reds vor dem Gastspiel von Crystal Palace.

Die Demonstrationen der Stärke, die City abliefert, beflügelt offenbar die Fantasie manches Kollegens. Ob es wirklich undenkbar sei, dass Manchester City Liverpool nicht vielleicht doch noch einholen könnte, wollte ein Journalist von Klopp wissen.

FC Liverpool: Jürgen Klopp denkt nur an Crystal Palace

"Nein", sagte er vergleichsweise milde gestimmt - und schob noch energisch nach: "Das Einzige, was mir klar wurde, als ich gestern Abend das Spiel geschaut habe, war: Wie ist es möglich, dass irgendwer 20 Punkte vor diesem Team liegt?", ließ der Deutsche ein wohlverpacktes Eigenlob folgen. "Das ist undenkbar. Wir müssen also ein paar Dinge ganz offensichtlich wirklich gut und richtig gemacht haben."

Nein, er denke wirklich "nicht darüber nach, dass uns City abfangen könnte, ich denke an Crystal Palace", den kommenden Gegner am Mittwochabend.

Dann wurde Klopp doch noch etwas grantig: "Wenn Sie nicht auf unserer Seite sind, machen Sie daraus etwas Schlechtes, eine große Schlagzeile: 'City kann uns nicht mehr abfangen' oder was auch immer. Das wäre kompletter Schwachsinn, weil ich das nicht gesagt habe."

2019 wollte Klopp ManCity "verlieren sehen"

Natürlich wird der FC Liverpool englischer Meister, zwar nicht schon gegen Crystal Palace aus eigener Kraft, dafür war der eigene Start mit einem eher übersichtlichen 0:0 gegen den Lokalrivalen FC Everton nicht punkteträchtig genug.

Aber dann halt später, vielleicht Anfang Juli im direkten Duell. 24 Punkte sind noch zu vergeben, 20 Zähler stark ist noch der Vorsprung Liverpools.

"Ich mache mir nur Gedanken darüber, was wir im nächsten Spiel anstellen und nicht, was City tut." Natürlich habe er sich das Spiel der Citizens angeschaut. Aber nur, "weil wir in neun Tagen gegen sie spielen, nicht weil ich hoffe, dass sie verlieren oder so."

Einmal, ja, einmal habe er ein City-Spiel angeschaut mit der klaren Hoffnung, den inzwischen zum Dauerrivalen gewordenen Klub scheitern zu sehen. Am vorletzten Spieltag der vergangenen Saison lagen beide Teams Kopf an Kopf an der Tabellenspitze, Liverpool einen Punkt hinter Guardiolas Mannschaft.

"Ich wollte sie verlieren sehen. Aber das hat nicht sonderlich gut funktioniert, deswegen habe ich damit aufgehört", lächelte Klopp. City gewann knapp mit 1:0 gegen Leicester City und holte sich anschließend die Meisterschaft – im beeindruckendsten Finish, das die Premier League je produziert hatte. City ging mit einem Punkt Vorsprung über die Ziellinie.

Klopp mit Restart des FC Liverpool "zufrieden"

"Wir sind mit unserem Start zufrieden. Nicht übermäßig glücklich, aber es wäre cool, wenn wir einfach unser Spiel spielen würden", blickte Klopp noch einmal zurück auf das Remis gegen Everton. "Wenn wir gewinnen, können alle anderen Mannschaften tun, was sie wollen, sie können uns nicht einholen. Wir dürfen nicht zu viel darüber nachdenken."

Dass das Undenkbare wieder aus den Köpfen verschwindet, dafür will Klopp schnell selbst sorgen – egal, was der noch ganz weit entfernte Verfolger anstellt. "Sie sehen aus, als würden sie alle Spiele gewinnen, die sie noch haben. Aber sie waren schon immer stark, und wir waren nicht so schlecht."

Crystal Palace immerhin kommt mit einem grandiosen Lauf nach Anfield, viermal gewann die Mannschaft von Trainer-Urgestein Roy Hodgson zuletzt in Folge, immer zu Null. Das nötigt auch Klopp eine Menge Respekt ab.

"Roy macht da einen unglaublichen Job, die die Mannschaft ist körperlich sehr stark, sie ist sehr, sehr gut organisiert."

Aus der Corona-Pause kam die Mannschaft mit einem 2:0 in Bournemouth, als Tabellen-Neunter ist ein Platz in der Europa League in Griffweite. "Aus ihrer Sicht läuft alles sehr gut", hat Klopp beobachtet, "aber wir haben unsere eigenen Ziele."

Um dem großen Ziel - der ersten Meisterschaft seit 30 Jahren - näherzukommen, kann Klopp wieder auf die zuletzt verletzten Mo Salah und Andy Robertson zählen, James Milner und Joel Matip werden den Reds jedoch fehlen.

Till Erdenberger