07.11.2014 10:58 Uhr

Jairo exklusiv: "Mainz wollte mich unbedingt"

Nach nur einem Jahr beim FC Sevilla zog es den spanischen U21-Nationalspieler Jairo Samperio nach Mainz in die Bundesliga. Im Interview spricht er über seine Zeit beim Europa-League-Sieger, die Gründe seines Weggangs und sein Debüt gegen Borussia Dortmund.

Aus einem kleinen Dorf in Kantabrien, im Norden Spaniens, über Sevilla nach Mainz. Wie hat sich dein Alltag im letzten halben Jahr verändert?

Die größte Veränderung ist die Konfrontation mit einer neuen Sprache. Ich versuche täglich etwas Deutsch zu lernen, aber mit meinen Mitspielern spreche ich vor allem Englisch. In Mainz ist es zwar etwas kälter als in Santander, aber auch dort kann es um diese Jahreszeit schon recht kalt werden. Daher ist das Wetter kaum eine Umstellung.

Wie kommt ein so junger Fußballer wie du mit einem Wechsel in ein fremdes Land klar?

Als das Angebot von Mainz kam, habe ich beim Gedanken an ein fremdes Land und eine unbekannte Sprache zunächst gezweifelt. Die Entscheidung ist mir nicht gerade leicht gefallen. Aber ich habe das große Glück, dass vier meiner Mitspieler aus Lateinamerika kommen und Spanisch sprechen, was mir in der Eingewöhnungsphase sehr geholfen hat.

Wer ist Jairos fußballerisches Vorbild? Und welcher deutsche Spieler gefällt dir am besten?

An Pedro vom FC Barcelona orientiere ich mich. Ich identifiziere mich ein wenig mit ihm, weil wir ähnliche Spielertypen sind. Wie er es geschafft hat, seinen Platz bei Barça zu finden, imponiert mir. Von den deutschen Spielern gefällt mir Thomas Müller am besten. Vielleicht ist seine Spielweise nicht die auffälligste, aber ich finde ihn einfach richtig gut.

Innerhalb eines Jahres bist du mit Racing Santander in die dritte Liga abgestiegen und hast mit Sevilla die Europa League gewonnen. Wie hast du diese beiden Extreme verarbeitet?

Man kann sich nur schwer vorstellen, dass der Fußball sich binnen eines Jahres so krass verändert. Leider waren die letzten Jahre in Santander für den Club und für uns Spieler sehr schwierig. Wir waren in eine Abwärtsspirale geraten. Man fuhr lustlos zum Training und es erschien unmöglich, einen Ausweg aus diesem Loch zu finden. Egal, was wir im Training oder im Spiel anstellten – wir konnten sicher sein, dass es nicht klappte. Das bringt dich mental um. In Sevilla habe ich dann das genaue Gegenteil erlebt. Da sind die Dinge wie von selbst gelaufen. Eine Zeit, die ich wirklich sehr genossen habe.

Bei Sevilla hast du an der Seite von Ivan Rakitic, heute FC Barcelona, gespielt. Was konntest du von ihm lernen und hat er dir zu einem Wechsel nach Deutschland geraten?

Als sich die Option Mainz auftat, war er schon mit Kroatien bei der WM und ich konnte nicht mit ihm über Deutschland sprechen. Natürlich habe ich mir als Spieler einige Dinge bei ihm abgeschaut. Aber hauptsächlich spielt Ivan heute in Barcelona, weil er stets bescheiden geblieben ist. Ich glaube das ist der Schlüssel zum Erfolg.

Was hat letztendlich den Ausschlag gegeben Sevilla zu verlassen?

Zunächst hat mir Sevilla ein Leihgeschäft vorgeschlagen, da ich aufgrund der Neuzugänge mit wenig Spielzeit rechnen musste. Also dachte ich darüber nach, bis Mainz auf der Bildfläche erschien. Sevilla hatte nichts gegen einen Verkauf und von Seiten des Mainzer Trainers wurde mir klar vermittelt, dass er mich unbedingt haben wollte. Das hat schließlich den Ausschlag gegeben.

Gab es noch andere Angebote?

In Spanien hätte ich auf Leihbasis zu Vereinen wie Granada, Almería, Getafe oder Elche gehen können, die meist im Mittelfeld mitspielen. Das konkreteste Angebot lag mir von Granada vor.

Unter Unai Emery kamst du nur sporadisch zum Einsatz. Gab es persönliche Differenzen?

Die ein oder andere Chance mehr hätte man mir geben können. Ich glaube schon, dass ich mich – wenn ich gespielt habe – gut präsentiert habe. Für mein erstes Jahr auf diesem Niveau war es aus meiner Sicht eine akzeptable Saison. Natürlich ist es für einen Coach schwierig, in wichtigen Partien wie einem Europa-League-Halbfinale auf junge Spieler zu setzen. Aber in der Liga hätte er mir in dem einen oder anderen Spiel durchaus die Möglichkeit geben können.

Welche Faktoren haben dich von einem Wechsel nach Mainz überzeugt?

Mainz und Kasper Hjulmand haben mit Nachdruck an meiner Verpflichtung gearbeitet. Vor allem der Trainer hat persönlich und über alle Kanäle versucht, mich von einem Wechsel zu überzeugen. Ein weiterer Faktor war sicherlich, dass ich die deutsche Liga für sehr ausgeglichen halte. In Deutschland sind die Budgets der Vereine ausgeglichener, mehr Clubs sind konkurrenzfähig. Jeder kann jeden schlagen. Die Bayern mal ausgenommen.

Wie wurdest du in Mainz empfangen? Was macht dein Deutsch?

Gut. Wir haben eine gesunde Mischung aus relativ jungen Spielern. Und ich glaube es wird noch besser laufen, sobald ich etwas Deutsch kann. Aber auf Englisch können wir uns bereits gut verständigen und haben auch Spaß im Training. Unser Deutschkurs beginnt diese Woche, da die Lehrerin bisher im Urlaub war und ich zudem noch im Hotel gewohnt habe.

Erzähl uns von deinem Debüt gegen Dortmund.

Ich war heiß auf meinen ersten Einsatz von Beginn an, wollte dem Trainer das Vertrauen zurückzahlen, das er in mich gesetzt hat. Nach einer guten Trainingswoche hatte ich gegen den BVB schon auf die Startelf gehofft, was leider nicht in Erfüllung ging. Das hat mich etwas traurig gemacht, denn ich will eben immer spielen. Doch als ich dann eingewechselt wurde, lief alles wie am Schnürchen – und das auch noch gegen einen großen Gegner wie Dortmund.

Welche Unterschiede gibt es deiner Meinung nach zwischen dem deutschen und dem spanischen Fußball?

Ein paar Dinge sind schon anders. In Deutschland lassen die Trainer selbst trainieren und legen in den Einheiten den Schwerpunkt mehr auf Physis und Taktik. Sonst wird jedoch ähnlich gearbeitet wie in Spanien. Im Spiel selbst wird weniger vorausschauend gespielt. Der Zwischenstand spielt keine Rolle. Wenn in Deutschland eine Mannschaft mit 2:0 führt, heißt das noch lange nicht, dass das Spiel bereits entschieden ist. Kaum ein Team stellt sich dann hinten rein und versucht das Ergebnis über die Zeit zu retten. Vielleicht kommen deshalb so verrückte Spiele zustande wie das 5:4 von Stuttgart in Frankfurt. So etwas kommt in Spanien höchst selten vor.

Bundesliga oder Primera División? Welche Liga ist stärker?

Im Moment sind beide Ligen auf einem ähnlichen Niveau. Die Bundesliga hat sicherlich in den letzten Jahren einiges aufgeholt. Insgesamt sehe ich Spanien, England und Deutschland aber auf einem Level.

Am Wochenende geht es gegen Leverkusen. Kennst du den Gegner und gibt es einen Spieler, der dir bei Bayer besonders aufgefallen ist?

Das Verständnis des Leverkusener Angriffsquartetts ist beeindruckend. Da passen alle Laufwege und so stellen sie jede Bundesliga-Abwehr vor eine große Herausforderung. Es wird sicherlich ein sehr kompliziertes Auswärtsspiel, da sie zuletzt in der Liga verloren haben und unter Druck stehen. Aber auch wir haben vorne schnelle Leute und versuchen möglichst oft bis an die Grundlinie zu kommen. Wenn wir eine solide Leistung abliefern, können wir ihnen wehzutun. Der 10er, Çalhanoğlu, ist stark. Er hat zuletzt einen direkten Freistoß wunderbar verwandelt und zieht vorne die Fäden. Er ist sicherlich Leverkusens Schlüsselspieler, das Bindeglied zwischen Verteidigung und Angriff.

Wo soll mittelfristig deine Reise hingehen?

Die Lebensweise hier hat mich sehr positiv überrascht. Die Ruhe, die man im Alltag hat, gefällt mir gut. Auch die Stimmung in den Stadien ist unglaublich. Alle sind neu und immer ausverkauft. Man kann Fußball noch überall riechen! Ich denke schon, dass ich mich in Mainz sehr gut entwickeln kann und möchte mittelfristig hierbleiben. Natürlich will ich aber irgendwann wieder zurück. Spanien ist mein Heimatland und sicherlich auch der Ort, an dem ich einmal meine Karriere ausklingen lassen will.

Interview: Miguel González
Übersetzung: Thomas Malzacher