17.11.2014 17:50 Uhr

FIFA: Das System Blatter wankt

Die von der FIFA eingeleitete Untersuchung der WM-Vergaben an Katar und Russland sollte wieder Ruhe in den Fußballweltverband bringen. Genau das Gegenteil ist jetzt eingetreten: Die offenkundigen Vertuschungsversuche bringen Sepp Blatter so stark wie noch nie in Bedrängnis.

Die Vorgeschichte:

Im Dezember 2010 vergab die FIFA die Weltmeisterschaft 2018 an Russland und das Turnier von 2022 an den Wüstenstaat Katar. Der gesamte Bewerbungsprozess wurde begleitet von Korruptionsgerüchten. Im Sommer 2012 sah sich FIFA-Präsident Sepp Blatter aufgrund des wachsenden internationalen Drucks gezwungen, eine externe Untersuchungskommission mit unabhängigen und international anerkannten Experten einzurichten. Besonders zwei Personen, die heute im Mittelpunkt des FIFA-Chaos stecken, schürten damals die Hoffnung darauf, dass es die FIFA endlich ernst meinen könnte mit der Selbstreinigung: Michael Garcia, ehemaliger US-Bundesanwalt, als Chefermittler und der Deutsche Hans-Joachim Eckert, ein mit spektakulären Korruptionsverfahren vertrauter Strafrichter, als Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer der Ethikkommission.

Der Garcia-Bericht

Nur wenige Wochen nach seiner Ernennung gab Garcia bekannt, dass er die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 einer Untersuchung unterziehen lassen werde. Geklärt werden sollte dabei, ob es im Vorfeld der Wahl Versuche seitens der Bewerberländer gab, FIFA-Exekutivmitglieder durch Geld- oder Sachgeschenke zu beeinflussen. Die FIFA hatte bei der Installation der Ethikkommission Garcia allerdings mit so geringen Kompetenzen ausgestattet, dass eine wirkungsvolle Aufdeckung der Vorwürfe kaum möglich war. Garcia war bei den Ermittlungen auf die Kooperationsbereitschaft der Zeugen und Verdächtigten angewiesen. Wer nicht aussagen wollte, musste nicht. Die stark in den Fokus gerückten Russen zogen sich mit dem Hinweis aus der Affäre, die im Bewerbungsverfahren genutzten Computer seien lediglich geleast gewesen und inzwischen zerstört.

Dennoch legte Garcia im September 2014 einen mehrere hundert Seiten starken Bericht vor. Was dort drin steht, soll die Öffentlichkeit zumindest im Detail nicht erfahren. Aus rechtlichen Gründen lehnt die FIFA die Freigabe des gesamten Garcia-Berichts ab. Hier kommt Hans-Joachim Eckert als Chef der Ethikkammer ins Spiel. Um dem wachsenden Druck nach der Veröffentlichung des Berichts zu begegnen, gab der Richter eine 42-seitige Stellungnahme heraus, die, so Eckert, auf den Ermittlungsergebnissen Garcias fuße.

Eckert sieht keine gravierenden Verstöße

Zur Überraschung vieler sah Eckert sowohl Russland als auch Katar durch die Ermittlungen Garcias vom Verdacht des Stimmenkaufs freigesprochen. Es habe zwar Hinweise auf potenziell problematisches Verhalten einzelner Personen gegeben, der Bewerbungsprozess als Ganzes sei aber nicht grundsätzlich zu beanstanden. Auch FIFA-Chef Blatter kommt bei Eckert gut weg. Die milde Interpretation der Untersuchungsergebnisse rief Michael Garcia auf den Plan. Öffentlich widersprach er den Ausführungen Eckerts und forderte die vollständige Veröffentlichung seines Reports.

Spätestens dieser öffentlich ausgetragene Streit entlarvt die Reformbemühungen der FIFA als große Farce. Blatters Versuch, die kritischen Debatten um die Korruption auf der höchsten FIFA-Ebene durch einen weichgespülten Untersuchungsbericht zu ersticken, ist grandios gescheitert. Immer mehr Verbände gehen auf Distanz zum Präsidenten, dessen Wiederwahl im Mai kommenden Jahres durch die Krise im Weltverband plötzlich gefährdet erscheint.

Die Europäer bringen sich in Stellung

Unter den europäischen Fußball-Verbänden ist der allmächtige Boss der Fußballwelt aufgrund der zahlreichen Korruptionsaffären schon lange nicht mehr unumstritten. Der Versuch der Europäer, Blatter im kommenden Jahr durch Michel Platini zu ersetzen, scheiterte allerdings schon frühzeitig – zu groß ist momentan noch die Gefolgschaft des Schweizers in den kleinen Verbänden Asiens oder Afrikas, ungeachtet oder gerade wegen des laxen Umgangs Blatters mit korrupten Machenschaften innerhalb seines Verbandes. Angesichts des großen Drucks könnte jetzt die Machtbasis des Präsidenten bröckeln.

Reinhard Rauball, der Präsident der DFL, droht mit einem möglichen Austritt der UEFA aus dem Weltverband. „Wenn... diese Krise nicht glaubwürdig gelöst wird, muss man sich auch über die Frage unterhalten, ob man in der Fifa überhaupt noch gut aufgehoben ist“, sagte Rauball dem Fachmagazin „Kicker“. Der ehemalige Vorsitzende des englischen Fußballverbands, David Bernstein, schlug vor, die Europäer sollten über einen Boykott der WM 2018 nachdenken. Aber auch von anderer Seite könnte Blatter weiteres Ungemach drohen: Das FBI will seine Ermittlungen gegen Fifa-Verantwortliche wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung und Geldwäsche laut Medienberichten auf die WM-Vergabe an Russland ausweiten. Die Ermittlungen der US-Bundespolizei dürften nicht so handzahm verlaufen wie die der internen Ethikkommission.

Ralf Amshove

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