16.11.2016 09:30 Uhr

Nach der Langeweile die Hoffnung

2016 war ein Jahr zum Vergessen. Das österreichische Nationalteam hat es hinter sich. Der Trennungsschmerz hält sich nach der bescheidenen Nullnummer gegen die Slowakei in Grenzen. 2017 kann nur besser werden, oder?

Die Jahresbilanz ist so schlecht wie noch nie in der immerhin fünf Jahre währenden Teamchef-Ära Marcel Koller. Das ÖFB-Team hält 2016 bei drei Siegen, drei Remis und gleich sechs Niederlagen. "Europhorie" ist längst der "EMtäuschung" gewichen. In die WM-Qualifikation wurde ein Fehlstart hingelegt und die Endrunden-Teilnahme in Russland 2018 ist in weite Ferne gerückt.

Die Chance auf einen versöhnlichen Jahresabschluss wurde am Dienstagabend vergeben. Österreichs durchgewürfeltes Nationalteam und die B-Elf der Slowakei langweilten sich zu einer Nullnummer im November-Regen.

"Jeder muss drauflegen. Das war heute nicht so da"

"Natürlich hätten wir gerne gewonnen, das wäre wichtig gewesen. Man muss viel dafür tun. Ich habe vor dem Spiel gesagt, jeder muss drauflegen, um einen Sieg zu erreichen, das war heute nicht so da", urteilte der Teamchef nach dem Spiel.

Koller selbst hatte seine Mannschaft ordentlich durchgemischt. Brachte die Debütanten Andreas Lukse und Michael Madl von Beginn, ebenso wie Valentino Lazaro erstmals als Rechtsverteidiger. Markus Suttner, Lukas Hinterseer und Karim Onisiwo bekamen die Chance, sich als Alternativen zu präsentieren. Nach Seitenwechsel kam mit Stefan Stangl ein weiterer Debütant.

"Ich wollte auch einmal andere Spieler sehen und nicht nur eine Viertelstunde lang", so Koller. "Madl hat hinten sehr gut gespielt und Lukse hat zweimal hervorragend gehalten." Auch bei einem 0:0 kann es durchaus Sieger geben.

Zahlreiche Umstellungen im ÖFB-Team

Marcel Koller mag die Dinge zwar nicht gerne auf den Kopf stellen, leistete aber durch zahlreiche Umstellungen einen wesentlichen Beitrag dazu, den geordneten Spielfluss im Test gegen die Slowakei zu unterbinden.

Onisiwo besetzte während seiner 84 Einsatzminuten gleich mehrere Positionen. Stammspielern wurde mitunter ein Urlaub vom Ich gegönnt: Martin Harnik als Spitze, Florian Klein im rechten Mittelfeld, Aleksandar Dragović zeitweise auf der Sechs und David Alaba zuerst in der ungewohnten Zuschauerrolle, dann als Kapitän mit Offensivdrang. Ob es für Koller neue Aufschlüsse gab oder ob es einfach nur half, die Köpfe frei zu bekommen, wird die Zukunft weisen.

Bis zur nächsten Partie in der WM-Qualifikation am 24. März gegen die Republik Moldau können folgende Themen für Gesprächsstoff sorgen:

Die Klasse von 2007

Österreichs U20-Nationalteam erreichte bei der WM 2007 in Kanada den sensationellen vierten Platz. Fast zehn Jahre ist das Turnier her, der Jahrgang sorgt mit den beiden Spätzündern Andreas Lukse ("Ich bin froh, die Kurve gekratzt zu haben") und Michael Madl noch immer für Teamdebüts und Nachschub.
>> ÖFB-Kader U20-WM 2007

Der Almer-Ersatz

Noch einmal Andreas Lukse. Als erster Spieler des SCR Altach durfte der 29-Jährige das ÖFB-Dress tragen. Wichtiger waren aber zwei sehr starke Reflexe, die Österreich womöglich vor einer Niederlage bewahrten. Lukse hat mit seinem "Clean Sheet" beim Debüt die Feuerprobe bestanden: "Wenn man zu null spielt, kann man zufrieden sein. Zwei wichtige Bälle waren zu halten, da war ich da." Ramazan Özcan ist als erste Alternative zum derzeit verletzten Robert Almer nicht mehr in Stein gemeißelt. Randnotiz: U21-Keeper Daniel Bachmann zeigte im EM-Playoff gegen Spanien starke Paraden.

Auch vorne die Null

Marc Janko fehlt nur noch ein Tor, um mit Johann Horvath (29) auf Platz drei der ewigen ÖFB-Schützenliste gleichzuziehen. Dann lägen nur noch Toni Polster (44) und Hans Krank (34) vor dem 33-Jährigen. Hinter Janko fehlen allerdings Torgaranten. "Vom Spielerischen her hatten wir in der ersten Hälfte zwei Möglichkeiten, da wollte der Ball nicht rein", wusste auch Koller. Sofern die Zeit es beim nächsten Lehrgang erlaubt, sollten Deni Alar und Guido Burgstaller zumindest ins Team schnuppern dürfen.

L wie leidige Linksverteidiger-Frage

Die von Christian Fuchs hinterlassene Lücke ist größer als angenommen. Gab es nicht einmal ein Überangebot auf dieser Position? Das Experiment Kevin Wimmer wurde bereits mit etlichen medialen Nachrufen bedacht. Die Hartnäckigkeit von Teamchef Koller ist nicht unterschätzen, zumal die Auftritte von Markus Suttner unspektakulär blieben und Stefan Stangl gegen die Slowakei erst seine ersten Länderspiel-Minuten sammeln konnte. Wer auch immer das Erbe antreten darf, Geduld wird gefragt sein.

Vertauschte Rollen

Zu Beginn der Ära Koller war Marko Arnautović das "Enfant terrible" und David Alaba das vielgeliebte Wunderkind. Fünf Jahre später ist Arnautović Führungsspieler und einer der wenigen Lichtblicke im verpatzten Jahr 2016. Zeitgleich durchschritt Alaba ein sportliches Tal, musste in Österreich und Deutschland erstmals viel Kritik einstecken. Je früher der Bayern-Legionär zur alten Leichtigkeit zurückfinden kann, desto besser für das Nationalteam.

Alles wird gut

Es kann nur besser werden. Am 31. Dezember knallen Korken und Feuerwerk. Das Annus horribilis 2016 ist vorüber. Doch wird tatsächlich alles gut? "Wir überraschen nicht mehr", stellte ÖFB-Kapitän Julian Baumgartlinger schon vor dem Slowakei-Spiel fest, "damit umzugehen, ist eine neue Herausforderung." 2017 wartet auf das ÖFB-Team vor allem eines: viel Arbeit. Dabei gibt es nicht einmal eine Garantie, dass sie auch in Form eines WM-Tickets belohnt wird.

Mehr dazu:
>> ÖFB-Team mit Nullnummer zum Abschluss 

Sebastian Kelterer