10.01.2017 14:39 Uhr

Stimmen: "Das ist nicht mehr meine WM"

Die Meinungen zur mittlerweile beschlossenen Mammut-WM sind relativ einhellig
Die Meinungen zur mittlerweile beschlossenen Mammut-WM sind relativ einhellig

Die Entscheidung der FIFA, ab 2026 auf eine Mammut-WM zu setzen mit 48 teilnehmenden Teams, trifft lange nicht überall auf Zustimmung. Die Stimmen berühmter Persönlichkeiten aus der Fußball-Welt:

Berti Vogts (Ex-Bundestrainer): "Ich bin sehr, sehr erschrocken, ich mag es nicht glauben. Das ist furchtbar. Wenn man die WM zugrunde richten will, muss man diesen Weg weitergehen. Ich verstehe es einfach nicht. Das ist nicht mehr meine WM. Was soll das bloß? Es ist ganz schlimm."

Joachim Löw (Bundestrainer): "Ich finde das bisherige WM-Format mit 32 Mannschaften immer noch gut und kann aus rein sportlicher Sicht einer Aufstockung gar nichts abgewinnen. Für mich hat die EM 2016 in Frankreich nicht zu einer Steigerung der Qualität beigetragen, im Gegenteil. Da gab es viele zähe Spiele, bei denen sich Mannschaften vor dem eigenen Tor geradezu verschanzt haben. Der Fußball ist dadurch nicht attraktiver geworden. Man sollte das Rad nicht überdrehen."

Reinhard Rauball (DFL-Präsident): "Der deutsche Fußball ist bekanntlich im Vorfeld aus guten Gründen für eine andere Entscheidung eingetreten. Allerdings war dieses Votum des FIFA-Councils zu erwarten: Solange sich die großen europäischen Fußball-Nationen, ihre Verbände, Ligen und Klubs nicht auf eine gemeinsame Position verständigen können, ist auch die Meinung des Weltmeisters bedauerlicherweise nur eine unter vielen."

Michael Ballack (ehemaliger DFB-Kapitän): "Eine verantwortungslose Entscheidung der FIFA! Das ist ein Angriff auf den Fußball! Und offensichtlich war die Abstimmung einstimmig."

Willi Lemke (Ehemaliger Aufsichtsratschef von Werder Bremen und früherer UN-Sonderbeauftragter für Sport): "Es ist eine schlechte Entscheidung, wenn die FIFA ihre absolute Premium-Veranstaltung derart verwässert. Ich denke, der Entschluss wird von den Fans nicht wahnsinnig positiv wahrgenommen, es drohen langweilige Spiele, wenn der sportliche Wert leidet. Die kleinen Nationen haben jetzt auch schon die Chance, bei einer WM teilzunehmen. Wenn sie sich nicht qualifizieren, weil sie nicht gut genug sind, brauchen sie auch nicht bei einer WM-Endrunde spielen."

Reinhard Grindel (Präsident des Deutschen Fußball-Bundes): "Ich bin nicht glücklich mit dieser Entscheidung und hätte mir vor allem gewünscht, dass alle wichtigen Fragen zu Organisation und Modus komplett geklärt sind. Da der Beschluss aber im FIFA-Council einstimmig getroffen wurde, gilt es nun, ihn zu respektieren und den Blick nach vorn zu richten. Meine große Sorge ist, dass sich der Fußball an sich verändert, dass die Attraktivität des Spiels leidet. Wir alle lieben Spiele, in denen sich die Mannschaften mit offenem Visier begegnen. Nun sehe ich aber die Gefahr, dass wir künftig vermehrt defensiv eingestellte Teams sehen könnten. Wenn die Fußball-WM insgesamt an Attraktivität verliert, leidet die Akzeptanz bei Fans und Sponsoren, und dann leidet zwangsläufig auch die Vermarktung. Bei allem Verständnis und Sympathie für die Bestrebungen, den Fußball auch weiter in Regionen Afrikas und Asiens zu entwickeln, muss jedem auch klar sein, dass es allen dient, den elementar wichtigen Kernmarkt Europa auch bei den Startplätzen weiterhin stark abzubilden. Bei den offenen Fragen, beispielsweise der Zahl der Startplätze für die einzelnen Kontinentalverbände, müssen wir nun in der UEFA zusammenfinden und eine gute, gemeinsame Lösung entwickeln."

Oliver Bierhoff (Nationalmannschaftsmanager): "Ich kann jeden verstehen, der die Aufstockung des Teilnehmerfeldes als eine Verwässerung empfindet. Auch für mich fühlen sich 48 Teams beim größten und wichtigsten Turnier der Welt zu viel an. Die Faszination einer Weltmeisterschaft liegt für die Fans und Zuschauer doch darin, die besten Mannschaften mit den großen Stars zu sehen, davon geht was verloren. Auch die Spieler wollen sich in einem solchen Wettbewerb immer mit den Besten messen. Wir müssen aufpassen, dass der Wert und der Kern des Fußballs erhalten bleiben und die Fans weiterhin spüren, dass es primär um den Fußball auf dem Platz geht. Ein Format mit der Formel mehr Einnahmen durch mehr Teams kann nur funktionieren, wenn die Akzeptanz der Fans da ist. Ich bin gespannt, wie sich dies auf das Turnier auswirken wird. Entscheidend ist auch, dass die Belastung der Spieler nicht noch größer wird."

Oliver Brüggen (adidas-Sprecher): "adidas hält nicht viel von der Vergrößerung des Teilnehmerfeldes bei Fußball-Weltmeisterschaften ab 2026. Wir glauben, dass darunter die Qualität der Veranstaltung und damit auch das Interesse der Zuschauer leiden werden."

Ulli Stielike (Nationaltrainer Südkoreas): "Die kleineren Nationen sind sicherlich dafür, aber im Interesse der Gesundheit der Spitzenspieler hätte man es beim alten Modus belassen sollen. Aus Sicht von Südkorea sehen wir, dass alles enger zusammengerückt ist. Das gibt uns mehr Spielraum, wenn vielleicht dann sechs statt vier Mannschaften zur WM fahren."

Alexander Rosen (Sportchef 1899 Hoffenheim): "Die WM ist gut, so wie sie ist. Meiner Meinung nach hätte unbedingt am aktuellen Modus festgehalten werden müssen. Ein Turnier verliert an Wert, wenn - wie etwa bei der EM - drei von vier Mannschaften in der Vorrunde weiterkommen oder noch mehr Teams teilnehmen. Über die Tatsache, dass hinter diesen Gedankenspielen keine sportlichen Beweggründe stecken, brauchen wir uns ohnehin nicht zu unterhalten. Diese Entwicklung ist meiner Meinung nach gefährlich. Der Kalender ist jetzt schon zu eng, und die Spieler bewegen sich im Grenzbereich."

Özcan Mutlu (sportpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion): "Infantino geht es nur darum, seinen Machtkreis und Einfluss zu vergrößern und noch ein wenig fester an der Gelddruckmaschine Fußball-WM zu kurbeln. Statt im eigenen Laden aufzuräumen, Korruption zu bekämpfen, die fragwürdigen Vergaben der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 genauer unter die Lupe zu nehmen, funktionierende Good-Governance Strukturen zu implementieren und Transparenz zu schaffen, kümmert er sich um seine Wahlgeschenke. Das treibt die auswuchernde Kommerzialisierung des Fußballs, bei dem der Sport inzwischen zur Nebensache geworden ist, nur noch weiter voran."

Horst Hrubesch (Europameister von 1980, zuletzt Trainer der Olympia-Auswahl): "Ich bin überrascht. Die Überlastung der Spieler war im alten Modus schon sehr hoch. Es wird immer noch mehr reingepackt, immer mehr. Ich habe nicht damit gerechnet, dass das durchgeht. Der DFB hat sich zu Recht dagegen gewehrt."

Jörg Schmadtke (Geschäftsführer Sport beim 1. FC Köln): "Das ist idiotisch. Wir haben ohnehin immer mehr Belastung, und dann wird die WM auch noch aufgeblasen, das finde ich nicht gut. Den sportlichen Wert kann ich nicht erkennen. Schon bei der EM waren viele Spiele langweilig."

Uwe Seeler (Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft): "Da habe ich überhaupt kein Verständnis für. Das finde ich ganz schlecht. Das wird derart langatmig. Das wird für den Fußball nicht gut sein, das hat man bei der EM gesehen. Aber es war klar, dass es kommen würde, denn damit kann man ein paar Mark mehr machen."

Carlo Ancelotti (Trainer Bayern München): "Ich bin generell gegen mehr Spiele. Der Terminkalendar ist jetzt schon voll. Die FIFA hat aber gesagt, dass es trotz der Aufstockung nicht mehr Spiele geben wird. Man muss abwarten, was passiert."

Martin Schmidt (Trainer FSV Mainz 05): "Ich denke, dass der Fußball der ganzen Welt gehört und dass jeder die Chance haben muss, bei so einem Turnier dabei zu sein."

Rüdiger Fritsch (Präsident des Bundesligisten Darmstadt 98): "48 Mannschaften werden nicht dazu beitragen, die sportliche Qualität zu erhöhen. Für die Ausrichtung des Fußballs als Sportart Nummer eins ist das eine Entscheidung, die mehr Länder begüstigt. Wirtschaftlich ist die Entscheidung also sicher begründbar, sportlich ist sie fraglich."

Arne Friedrich (ehemaliger Nationalspieler): "Eine aufgeblähte WM, um noch mehr Geld zu generieren? Was soll man dazu noch sagen? Die Qualität der Spiele wird darunter leiden."