04.10.2017 09:54 Uhr

Klinsmann: "Trump schießt übers Ziel hinaus"

Hält eine deutsche Titelverteidigung für schwierig: Jürgen Klinsmann
Hält eine deutsche Titelverteidigung für schwierig: Jürgen Klinsmann

Nachdem US-Präsident Donald Trump Football-Profis, die gegen Rassismus und Polizei-Gewalt gegen Schwarze protestierten, indem sie bei der Hymne knieten, als "Hurensöhne" beschimpft hatte, eskalierte die Situation in den USA.

"Derzeit wird der Sport benutzt, um auf politischer Ebene Gefühle zum Ausdruck zu bringen", bemängelte der ehemalige US-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann, der seit 20 Jahren in den USA lebt, in einem Interview mit der "Sport Bild".

"Donald Trump schießt in seiner Emotionalität extrem über das Ziel hinaus und provoziert dadurch enorm viel Zwiespalt bei den Menschen hier in den USA", so Klinsmann weiter.

Dass sich Basketball-Star LeBron James einmischte und Trump als einen "Trottel" bezeichnete, begrüßte Klinsmann. "Die Sportler sind gleichgestellt mit führenden Schauspielern oder mächtigen Personen aus der Wirtschaft und Politik. Und wenn zum Beispiel LeBron James etwas sagt, dann sorgt das für ein gewaltiges Echo."

Auch US-Team sendete Geste gegen Trump

Als Klinsmann noch US-Nationaltrainer war, fiel auch das US-Team durch eine politische Aktion auf. Nach dem Wahlsieg von Trump und dessen herablassende Aussagen in Richtung mexikanischer Einwanderer und der Ankündigung, an der Grenze eine Mauer zu bauen, posierten die Erzrivalen aus den USA und Mexiko vor einem WM-Qualifikationsspiel Arm in Arm vor der Kamera.

"Das gemeinsame Foto gab es schon allein deshalb, um zu dokumentieren, dass Mexiko und die USA zusammengehören. Wir wollten mit dem Foto beziehungsweise mit der Aktion dokumentieren: Hey, egal wer welche Denkweise jetzt hat, wir schätzen uns", erklärte Klinsmann und ergänzte: "Die USA und Mexiko sind im Fußball große Rivalen, ähnlich wie Deutschland und die Niederlande. Aber wir haben Familien auf beiden Seiten, wir kommen gut miteinander klar."

WM-Titel 2018 "wird sehr schwer"

Der frühere Bundestrainer äußerte sich in dem Interview außerdem zu den WM-Chancen des DFB-Teams. Klinsmann rechnet nicht mit einer erfolgreichen Titelverteidigung der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2018 in Russland.

"Das wird sehr schwer, wieder Weltmeister zu werden. Den gleichen Hunger und Willen bei der darauffolgenden WM zu entwickeln ist fast schon unmenschlich - auch wenn die Mannschaft frisches Blut durch einige neue Spieler erhalten hat", sagte der 53-Jährige.

Der Konkurrenz aus Argentinien, Portugal und Brasilien attestierte Klinsmann einen größeren Titelhunger. "Außerdem: Ein Lionel Messi hat nach dem verlorenen Finale gegen uns 2018 die letzte Chance, Weltmeister zu werden und dann endlich auf einer Stufe mit Diego Maradona zu stehen. Die Gier und der Tatendrang werden bei ihm und der argentinischen Mannschaft am Ende vielleicht etwas größer sein. Das trifft auch auf Cristiano Ronaldo mit Portugal zu. Und bei Neymar mit Brasilien", so der Schwabe.

"Der DFB ist kein einfacher Apparat"

Sein Nachfolger Joachim Löw könnte Klinsmann zufolge noch lange Bundestrainer bleiben. "Ich kann mir kaum vorstellen, dass er nochmals Vereinstrainer wird, sondern dass er auf Jahre hinaus die Arbeit beim DFB durchzieht. Es passt einfach! Der DFB ist kein einfacher Apparat. Aber Jogi hat gelernt, mit ihm zu wachsen", lobte der Ex-Nationalspieler: "Wieso sollte er aufhören? Und wieso sollte der DFB auch in den nächsten Jahren nicht mit Jogi weiter zusammenarbeiten wollen? Das kann ich mir nicht vorstellen."

Klinsmann hatte die deutsche Nationalmannschaft von 2004 bis 2006 mit Löw als Assistent trainiert und war nach Platz drei bei der Heim-WM zurückgetreten. Im vergangenen Jahr war er als Coach des US-Teams beurlaubt worden.