26.06.2020 14:52 Uhr

"Der fünfte Beatle": Liverpool liegt Klopp zu Füßen

Liverpool feiert Jürgen Klopp
Liverpool feiert Jürgen Klopp

"Gott", "fünfter Beatle", "Bill Shankly in einem deutschen Körper": Jürgen Klopp hat sich mit dem Titelgewinn des FC Liverpool selbst ein Denkmal gesetzt.

Als seine Meister-Tränen getrocknet waren, gab der "fünfte Beatle" Jürgen Klopp den Vortänzer: In kurzer Hose und mit einer Bierflasche in der Hand enterte der neue "Gott des FC Liverpool" tief in der Nacht die Tanzfläche und zappelte unter dem Gejohle seiner Stars etwas ungelenk mit den Beinen. Der Partyraum im noblen Hotel Formby Hall Golf Club war in leuchtendes Liverpool-Rot getaucht, aus den Lautsprechern dröhnte der 90er-Jahre-Hit "Show me love".

Seine Liebe zu den Reds hatte Klopp an diesem denkwürdigen Abend gleich mehrfach gezeigt. 30 lange Jahre hatte der Klub von der Merseyside auf diesen Tag gewartet, angesichts dieser Dimension schossen auch dem sonst so coolen Coach beim ersten Meister-Interview die Tränen in die Augen. "Sorry, Gentlemen - ich bin durch", sagte er mit brüchiger Stimme, rückte seine Liverpool-Mütze mit aufgestickter Deutschland-Fahne zurecht und gesellte sich wieder zu seinen wild tanzenden Spielern.

Klopp selbst hatte dafür gesorgt, dass seine Spieler gemeinsam die entscheidende Niederlage des Rivalen Manchester City verfolgten. "Ich habe gesagt: Jeder muss dabei sein. Wer das Spiel alleine geschaut hätte, hätte es für den Rest seines Lebens bereut", meinte der 53-Jährige. Exakt um 22.09 Uhr Ortszeit war es dann soweit. "Wir haben die letzten fünf Sekunden heruntergezählt. Und dann war es eine pure Explosion", berichtete Klopp aufgewühlt.

Emotional reagierten auch die Fans, die sich bei dem Deutschen bedankten. "Jürgen Meister" stand in der "Jägermeister"-Schrift auf einer Fahne im Stadion an der Anfield Road. Und davor, auf den Straßen, feierten Tausende Anhänger den sehnlichst erwarteten Titel und ihren "Jurgen". Damit ignorierten sie Klopp, der wegen der Corona-Pandemie fast gefleht hatte: "Ich hoffe, dass ihr zu Hause bleibt. Geht vor euer Haus und feiert, wenn ihr wollt, aber mehr nicht."


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Dabei ist Klopps Wort eigentlich Gesetz, längst gibt es Forderungen nach einer Statue für den ehemaligen Dortmund-Coach. "Ich denke, ich muss meinen Spitznamen 'Gott' an Jürgen abgeben", sagte Robbie Fowler. Und Bruce Grobbelaar, noch so eine Klublegende, meinte gar: "Für mich ist er die Wiedergeburt von Shankly in einem deutschen Körper. Er ist einfach brillant."

Bill Shankly, dieser Name fiel häufiger in dieser so kurzen Party-Nacht. 1964, 1966 und 1973 hatte der 1981 verstorbene Coach Liverpool zur Meisterschaft geführt und die Grundlage für den Mythos geschaffen, der den Klub bis heute umweht. Nun trat Klopp in seine Fußstapfen, zumindest ein bisschen. "Dieser Erfolg ist auch für Shankly und Paisley, für Fagan und Dalglish, für Souness und Gerrard", sagte Klopp über all die Ikonen.

Als Klopp vor viereinhalb Jahren an der Anfield Road ankam, hatte er einen Titel versprochen - und er hielt schon 2019 mit dem Champions-League-Triumph Wort. Dennoch kommt die Meisterschaft jetzt einer Erlösung gleich. "Jürgen Klopp und Liverpool sind wie für einander bestimmt. Niemand hat die Stadt seit Beginn der Premier-League-Ära wie er für sich eingenommen. Er hat den Trübsinn über Anfield vertrieben", schrieb die Daily Mail. Die italienische "Gazzetta dello Sport" urteilte gar: "Klopp rückt zu Liverpools fünftem Beatle auf." Bundestrainer Joachim Löw lobte: "Was Jürgen geleistet hat, verdient größte Anerkennung. Die Fans lieben ihn, völlig zurecht."

Und Klopp? Feierte zwar ebenfalls ausgelassen, offenbarte aber auch einen ungewöhnlichen Blick in sein Seelenleben. Nach dem ersten Jubel habe er sich "innerlich leer gefühlt", verriet er, "in dem Moment war es einfach zu viel für mich." Die historische Dimension habe ihn umgeworfen. "30 Jahre! Vor 30 Jahren, da war ich 23. Und ich habe sicher nicht daran gedacht, mit Liverpool Meister zu werden."

Doch jetzt, im Jahr 2020, ist der Traum Realität - und Klopp "King". Und: Er hat noch lange nicht genug. "Unsere unglaubliche Reise ist noch nicht vorbei", sagte der Meister-Macher: "Meine Jungs haben noch ein paar gute Jahre in den Beinen." Sprach's - und schritt auf die Tanzfläche.