Nächster Eklat bei der FIFA: Europa-Delegierte reisen ab

Gianni Infantino schafft es nach seiner umstrittenen Reise mit Donald Trump in den Nahen Osten nicht pünktlich zum FIFA-Kongress. Die Europäer sind außer sich und protestieren.
Gianni Infantino ließ seine Gefolgschaft warten und warten. Und als der FIFA-Boss mit üppiger Verspätung dann doch noch auf der großen Bühne auftauchte und vergleichsweise kleinlaut um Entschuldigung bat, platzte den Europäern angesichts des beispiellosen Eklats der Kragen. Zahlreiche Verbandschefs um DFB-Präsident Bernd Neuendorf verließen den FIFA-Kongress am Donnerstag vorzeitig - aus Protest gegen Infantino.
"Die Situation ist besorgniserregend. Wir erwarten nun von der FIFA, dass sie ihren Mitgliedern die Situation erklärt und sicherstellt, dass die Stimmen der Mitgliedsverbände in Zukunft gehört und respektiert werden", sagte Norwegens Verbandschefin Lise Klaveness im Gespräch mit norwegischen Medien. Sie habe den Entschluss zum vorzeitigen Verlassen des Saals gemeinsam mit einigen europäischen Kollegen getroffen.
Die Versammlung der 211 Mitgliedsverbände in Asunción/Paraguay, die wichtigste Versammlung der Fußballgemeinschaft wohlgemerkt, hatte wegen der verspäteten Ankunft Infantinos mit mehr als drei Stunden Verspätung begonnen. Der Schweizer hatte US-Präsident Donald Trump an den Tagen zuvor auf dessen erster großer Auslandsreise in den Nahen Osten begleitet und mehrere offizielle FIFA-Termine geschwänzt.
Nach einer Kaffeepause im Anschluss an die Rede des FIFA-Präsidenten blieben dann zahlreiche Sitze im Saal leer. Unter anderem die acht Council-Mitglieder, die die Europäische Fußball-Union (UEFA) stellt, kehrten zur zweiten Hälfte nicht mehr zurück.
"Die kurzfristigen Terminänderungen des FIFA-Kongresses sind zutiefst bedauerlich", teilte die UEFA am Abend auf SID-Anfrage mit: "Eine kurzfristige Änderung des Zeitplans, die scheinbar nur privaten politischen Interessen dient, tut dem Fußball keinen Gefallen und scheint seine Interessen zurückzustellen." Die UEFA-Mitglieder seien daher "wie ursprünglich geplant" abgereist, um zu zeigen, "dass der Fußball an erster Stelle steht".
Vor dem Start hatte Infantino seine Reise in Trumps Schlepptau noch gerechtfertigt: Er habe "wichtige Gespräche mit führenden Politikern und Wirtschaftsvertretern" geführt. "Ich hatte das Gefühl, dass ich dort sein musste, um Sie alle zu vertreten, um den Fußball zu vertreten", sagte Infantino. Es habe aber "ein kleines Problem mit unserem Flug" gegeben.
Nähe zu Trump für Infantino wohl wichtiger
Die Sportschau berichtete, dass der FIFA-Chef zum geplanten Beginn erst in den brasilianischen Luftraum gelangt war. Demnach brachte ein Privatflieger von Qatar Airways den Boss des Weltverbandes nach einem Zwischenstopp zum Tanken in Nigeria nach Paraguay.
Hunderte Delegierte aus der ganzen Welt hatten sich teils bereits zu Wochenbeginn auf den Weg nach Südamerika gemacht. Sie alle, auch Neuendorf, harrten am Donnerstag lange aus. Von "unvorhergesehenen Umständen" war intern die Rede. Das Magazin Forbes schrieb von "einem Novum in der modernen Geschichte".
Nach einem Besuch in Saudi-Arabien hatte Infantino am Mittwoch noch in Katar geweilt. Dort nahm er an einer Zeremonie mit Trump und dem katarischen Emir teil - und verpasste daher etwa ein Abendessen mit Paraguays Staatspräsident.
Die Nähe zu Trump, der Gastgeber der Klub-WM im Sommer und von weiten Teilen der WM 2026 ist, scheint Infantino derzeit wichtiger zu sein. Immer wieder zeigte sich der FIFA-Chef in den vergangenen Wochen an der Seite des US-Präsidenten, dieser lobte Infantino jüngst bei jeder Gelegenheit. Auch nach Saudi-Arabien, dem umstrittenen Ausrichter der WM 2034, pflegt der 55-Jährige immer engere Kontakte.
Infantino habe "Einladungen zu einer Reihe von wichtigen Veranstaltungen mit führenden Politikern der Welt angenommen, bei denen auch über FIFA-Weltmeisterschaften gesprochen wird", teilte die FIFA auf Anfrage von The Athletic mit. Schon eine für diese Woche geplante Council-Sitzung war zuvor verschoben und bereits am Freitag digital abgehalten worden.