26.06.2014 10:04 Uhr

Van Gaal: Alphatier kämpft um Gladiolen

Meistertaktiker? Fußball-Vernichter? Kaum ein WM-Trainer polarisiert wie Louis van Gaal. Der niederländische Bondscoach ist in Brasilien gnadenlos erfolgreich - und seine Spieler zerreißen sich für ihn.

Tod oder Gladiolen: Louis van Gaals Motto aus Bayern-Zeiten wird nun auch in Brasilien aktuell. Wenn van Gaal am Sonntag mit seinen Niederländern gegen Mexiko in die K.o.-Runde der WM startet (ab 18:00 Uhr im weltfussball-Liveticker), könnte jedes Spiel sein letztes als Bondscoach sein. Nach dem Turnier soll van Gaal Manchester United auf Vordermann bringen - aber vorher noch eine Mission mit Oranje erfüllen.

Noch bei der EM 2012 mit Bert van Marwijk punktlos ausgeschieden, sind die Niederlande unter dessen Nachfolger van Gaal plötzlich wieder ein Topteam. Und der 62 Jahre alte Charakterkopf aus Amsterdam, den viele schon für ein Auslauf-Modell gehalten haben, startet richtig durch. Als Meistertaktiker der Elftal, als künftiger ManUnited-Teammanager. "Sein Fußball sorgt taktisch für Schmerzen in den Augen", sagt Hollands früherer Mittelfeldstratege Ronald de Boer: "Aber van Gaal kann uns zum Weltmeister-Titel führen."

Herrisch, autoritär, jähzornig

Wer den Bondscoach bei der WM erlebt, der erkennt das vor Energie strotzende Alphatier aus Bayern-Zeiten wieder - herrisch, autoritär, mitunter jähzornig: Er schreit Anweisungen über den Trainingsplatz, tobt am Spielfeldrand, stellt Journalisten nach unglücklichen Fragen zur Rede. "Mein Sternzeichen ist Löwe, und das ist der Chef der Tiere", sagte van Gaal einmal in einem Interview.

Er ist aber auch ein Trainer, der sich stets vor seine Spieler stellt, ein offenes Ohr und gutes Wort für sie hat, deshalb geschätzt wird. "In meiner Karriere war er ganz wichtig. Neben Pep Guardiola ist er der beste Coach, den ich je hatte", sagt Arjen Robben, den van Gaal 2009 zu den Bayern holte.

Für WM-Entdeckung Leroy Fer, Torschütze beim 2:0 gegen Chile, ist der Boss "der Grund, warum wir hier als Einheit auftreten. Er hat uns zusammengebracht, zeigt uns, dass es um 23, nicht um elf Spieler geht."

Nachwuchs als Erfolgsrezept

Wie schon bei Bayern, als unter ihm Thomas Müller und Holger Badstuber in der Bundesliga debütierten, setzt van Gaal im Nationalteam stark auf den Nachwuchs, baut in der Defensive auf Youngster wie Bruno Martins Indi, Stefan de Vrij und Terence Kongolo.

"Manchester wollte mich auch, weil sie wissen, dass ich gut mit jungen Spielern arbeiten kann", sagte van Gaal in seinem ersten Interview nach der Verpflichtung. In Brasilien lehnt er Kommentare zum neuen Arbeitgeber kategorisch ab.

Fakt ist: Van Gaal, der in Manchester die Scherben der Ära David Moyes aufkehren muss, will die Mannschaft nach seinem Gusto umbauen. Dementsprechend brodelt in England die Gerüchteküche: Schlüsselspieler Robben soll zum Wechsel überredet werden, an Müller und Toni Kroos großes Interesse herrschen, der gesunkene Barca-Stern Xavi wird gehandelt. Van Gaal dürfte für viel Aufregung im Old Trafford sorgen.

Kritiker werden immer Nahrung haben

Sicher: Mit seiner Art, Fußball spielen zu lassen, wird van Gaal immer Kritiker haben. "Wir zeigen reinen Reaktionsfußball basierend auf Verteidigung. Gerade für einen Niederländer sieht das nicht schön aus", sagt Mark van Bommel, der einst vor van Gaal aus München floh - Alphatier vertrug sich nicht mit Alphatier. Van Gaal kontert: "Mir geht es nur ums Gewinnen. Und ich habe in meiner Karriere wahrlich genug gewonnen.

Und die Lehren aus seiner ersten Amtszeit als Bondscoach gezogen: 2002 hatte er mit den Niederlanden die WM-Endrunde verpasst. Gladiolen gab es damals keine.

Mehr dazu:
>> Alles zum Team der Niederlande

sid