01.07.2014 22:42 Uhr

Hitzfeld-Abschied: "Gewaltiger Moment"

Ein Großer des Fußballs verabschiedete sich
Ein Großer des Fußballs verabschiedete sich

Mit der 0:1-Niederlage nach Verlängerung gegen Argentinien ist am Dienstag in Sao Paulo nicht nur der Schweizer Traum vom ersten WM-Viertelfinale seit 60 Jahren zu Ende gegangen, sondern auch eine große Trainerkarriere. Der Deutsche Ottmar Hitzfeld, seit 2008 Teamchef der Schweiz, tritt von der Fußball-Bühne ab - stilvoll, würdig, unwiderruflich.

Ein Tor von Angel di Maria in der 118. Minute schickte Hitzfeld in Pension. Nach dem Schlusspfiff schritt der 65-Jährige über den Rasen und gab jedem seiner niedergeschlagenen Spieler die Hand, um sich persönlich zu bedanken. Um auf diesen bitteren Moment vorbereitet zu sein, hatte Hitzfeld bereits vor Monaten seinen Rücktritt nach der WM angekündigt.

"Ich habe das schon gegen Manchester United erlebt, als wir nach einer Führung innerhalb von drei Minuten ein Finale der Champions League verloren haben. Das war heute ähnlich", erinnerte Hitzfeld an eine Erfahrung, die er 1999 mit Bayern München gemacht hatte. "Jeder Moment bleibt in Erinnerung, solche Emotionen erlebt man nur im Fußball. Aber heute war ein gewaltiger Moment. So kann man sich erhobenen Hauptes von der Fußball-Bühne verabschieden."

Tod des Bruders rückt Fußball in den Hintergrund

Was er bei seiner Rücktrittserklärung im Dezember nicht ahnen konnte: Der späte Gegentreffer und das damit verbundene WM-Aus waren am Tag seines Karriereendes nicht die traurigsten Momente. In der Früh vor dem Spiel wurde bekannt, dass Hitzfelds älterer Bruder Winfried in der Nacht auf Montag nach einer langen Krebserkrankung im Alter von 82 Jahren gestorben war.

Hitzfeld ließ über den Schweizerischen Fußballverband (SFV) ausrichten, dass dies Teil seiner Privatsphäre sei und er sich dazu nicht äußern werde. Bei der Nationalhymne vor dem Spiel war er den Tränen nahe. Sonst ließ sich der Startrainer, der 1997 mit Borussia Dortmund und 2001 mit Bayern München jeweils die Champions League gewonnen hatte, nichts anmerken.

Selbstdisziplin war schon immer die große Stärke des nur mäßig erfolgreichen Spielers, aber später umso bedeutenderen Trainers. Hitzfeld fiel nie dadurch auf, dass er den Fußball taktisch revolutionierte. Aber er hatte selbst große Egos wie Stefan Effenberg und Oliver Kahn in München oder zuvor Matthias Sammer und Andreas Möller in Dortmund im Griff. "In der Menschenführung ist er herausragend", sagte Effenberg einmal.

Unglaubliche Erfolgsbilanz

Seine Erfolgsbilanz bestätigt das. Mit den Bayern war Hitzfeld fünfmal Meister, mit Dortmund zweimal. Mit zwei verschiedenen Vereinen haben außer ihm nur der legendäre Wiener Erfolgscoach Ernst Happel sowie Jose Mourinho, Jupp Heynckes und Carlo Ancelotti die Champions League gewonnen. "Ich bin stolz auf meine Laufbahn. Ich habe die Ehre gehabt, mit vielen tollen Mannschaften arbeiten zu dürfen", sagte Hitzfeld nach dem Argentinien-Spiel.

Begonnen hatte diese Trainerkarriere in der Schweiz, wo Hitzfeld auch schon die längste Zeit seiner Spielerlaufbahn verbracht hatte. Und genau dort ging sie auch zu Ende. Voller Stolz präsentierte der SFV den ewigen Grenzgänger zwischen beiden Ländern, der aus Lörrach nahe der Schweizer Grenze stammt, 2008 als neuen Nationalcoach.

Hitzfeld führte die "Nati" 2010 zur WM in Südafrika, verpasste zwei Jahre später aber die Qualifikation für die EM in Polen und der Ukraine, weshalb er sich auch in den letzten Wochen seiner Karriere noch einmal besonders reinhängte. "Ich habe ihn noch nie so fokussiert erlebt", sagte SFV-Präsident Peter Gillieron in Brasilien. Denn Hitzfeld, stets auf Resultate bedacht, betonte immer: "Es ist das letzte Bild, das bleibt."

Am Ende verlor Hitzfelds Team mit viel Pech gegen Lionel Messi und seine Argentinier. Der 65-Jährige hatte noch einmal eine Strategie entworfen, die einen der größten Stars des Weltfußballs fast 120 Minuten aus dem Spiel nahm. Eine Trainerkarriere, die 1983 im Stadion Herti Allmend des SC Zug begann, endete auf der großen WM-Bühne in der Arena Corinthians in Sao Paulo. Das letzte Bild konnte sich trotz der Niederlage sehen lassen.

>> Di Maria erlöst Argentinien

apa