12.10.2015 14:00 Uhr

Kommentar: Deutschland braucht die Nr. 9!

Mario Gomez (r.) wäre eine mögliche Option
Mario Gomez (r.) wäre eine mögliche Option

Joachim Löw hat ein Problem. Seine Mannschaft schießt keine Tore. Der Bundestrainer sollte sich wieder für eine vergessene Spezies öffnen: den Mittelstürmer.

Deutschland ist bei der EM 2016 dabei – das ist die einzig positive Erkenntnis aus den beiden abschließenden Qualifikationsspielen gegen Irland und Georgien. Ansonsten wurde Joachim Löw vor allem vor Augen geführt, woran es in seinem Team hapert: Deutschland schießt zu wenig Tore. 232 Torschüsse hat die DFB-Elf in der Qualifikation abgegeben – 50 mehr als die Spitze der europäischen Konkurrenz. Aus den stolzen 48 Torschüssen gegen Irland und Georgien resultierte allerdings gerade einmal ein Tor aus dem Spiel.

Der Weltmeister kombiniert sich mit technisch feinem Passspiel bis an den Sechzehner des Gegners, doch spätestens dort gehen ihm die Ideen aus. Während sich an der Strafraumgrenze Özil, Reus, Götze und Müller auf den Füßen stehen, ist der Raum um den Elfmeterpunkt allzu häufig verwaist. Löw muss spätestens nach dem Beinahe-Fiasko gegen Georgien erkennen, dass sein Experiment mit den Aushilfsstürmern Götze oder Müller gescheitert ist. Diese Mannschaft braucht eine Nummer 9! Eine zentrale Spitze, die ein bis zwei Innenverteidiger bindet und somit Raum für die nachrückenden Offensivspieler schafft. Ohne Mittelstürmer ist das deutsche Spiel leicht ausrechenbar. Ohne kopfballstarken Abnehmer am Fünfmeterraum des Gegners sind Flanken keine Option im deutschen Angriffsspiel. Macht der Gegner – wie die Iren am Donnerstag oder die Georgier am Sonntag – das Zentrum dicht, fehlt der Löw-Elf der Plan B. Da rächt es sich dann, nicht einmal einen Strafraumstürmer für den Notfall auf der Bank zu haben.

Lewandowski macht es vor

Was ein klassischer Mittelstürmer der Weltklasse in gegnerischen Abwehrreihen anrichten kann, zeigt Robert Lewandowski bei Bayern München und in der polnischen Nationalelf. Sicher, Deutschland verfügt momentan nicht über einen zentralen Angreifer, der nur ansatzweise an das Format des Polen heranreicht. Dennoch ist es fahrlässig vom Bundestrainer, diese Position seit dem Rücktritt von Miroslav Klose im deutschen Kader unbesetzt zu lassen.

Dabei gäbe es einige Kandidaten, die dem gegen die Georgier endlos wiederholten Versuch, den Ball förmlich ins Tor zu tragen, ein Ende hätten setzen können. Vom Bundesliga-Torschützenkönig Alexander Meier ist bekannt, dass er kein Dutzend Torschüsse für einen Treffer benötigt. Mario Gomez, der gerade bei Beşiktaş Istanbul zu alter Form zurückfindet, hat mit seinen 241 Pflichtspieltoren in 429 Spielen über Jahre gezeigt, dass er weiß, wo das Tor steht. Aber weder sie noch Stefan Kießling oder – bis zu seiner Verletzung – Daniel Ginczek spielten in den Löw'schen Überlegungen bislang eine Rolle.

Um Platz im Kader zu schaffen, muss sich der Bundestrainer von dem einen oder anderen formschwachen Weltmeister trennen. Dieses Team braucht dringend einen Vollstrecker für die dreckigen Tore. Einen, der den Ball einfach mal über die Linie drückt. Nur mit Schönspielern wird Deutschland 2016 nicht Europameister werden können.

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Ralf Amshove