14.10.2015 12:16 Uhr

Fünf Neue im Klub der EM-Teilnehmer

Wales ist eines von fünf neuen Teams bei der EURO 2016
Wales ist eines von fünf neuen Teams bei der EURO 2016

Lässt sich allgemein hin die Europameisterschaft als Klassentreffen der alten Hasen begreifen, so handelt es sich 2016 in Frankreich eher um die Zusammenkunft der i-Dötzchen.

Nicht weniger als fünf Mannschaften sind bei der Endrunde im kommenden Jahr zum allerersten Mal dabei. Hinzu kommen die Österreicher, die 2008 nur einmal als Gastgeber qualifiziert waren. weltfussball zeichnet den beeindruckenden Weg der fünf Neuen im großen Klub der EM-Teilnehmer nach und stellt die wichtigsten Fakten zusammen.

Island – eiskalt und abgeklärt:
Bis zum letzten Spieltag waren "Strákarnir okkar" (deutsch: unsere Jungs) sogar auf Kurs in Richtung Gruppensieg. Dass dies nach der 0:1-Niederlage gegen die Türkei am letzten Spieltag nichts wurde, stört bei den Insulanern niemanden. Es ist und bleibt die beste Qualifikationsrunde aller Zeiten mit zwei Zu-Null-Siegen gegen die Niederlande und nur sechs Gegentoren in zehn Spielen.

Die Gründe für den signifikanten Aufstieg des isländischen Fußballs lassen sich leicht herausstellen: Neben der Etablierung einer offenkundig "goldenen Generation" um das Offensivtrio Alfred Finnbogason, Gylfi Sigurðsson und Kolbeinn Sigþórsson leistet das Trainerteam um den Schweden Lars Lagerbäck gute und nachhaltige Arbeit. Spieler sprechen immer wieder von einem besonderen Flair in der Mannschaft, welche von Geschlossenheit, passsicherem Spiel und Angriffslust geprägt ist.

Die seit rund zehn Jahren deutlich verbesserte Infrastruktur rund um den isländischen Fußball tat ihr übriges dazu. "Wir haben große Hallen mit Kunstrasenplätzen, wo alle trainieren und spielen können, unabhängig von Wind und Kälte. Das ganze Jahr, 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Das gab es in der Vergangenheit nicht. Und das hat großen Einfluss auf die Spieler. Sie sind dadurch technisch sehr viel besser als früher", fasste Co-Trainer Heimir Hallgrímsson diesen Strukturwandel zusammen.

Wales – britische Beharrlichkeit:
Mit konsequentem Ergebnisfußball sicherten sich die Waliser die erste EM-Teilnahme ihrer Verbandsgeschichte. Von den zehn Qualifikationsspielen waren bis auf das 3:0 in Israel alle Partien eng umkämpft. Siebenmal ließ die Defensive vor Keeper Wayne Hennessey überhaupt kein Gegentor zu – im gesamteuropäischen Vergleich ein absoluter Spitzenwert.

Der Glanzpunkt der Qualifikation wurde im zurückliegenden Juni gesetzt, als Favorit Belgien zu Hause in Cardiff mit 1:0 besiegt wurde. Schütze des siegbringenden Tores war die walisische Fußballikone Gareth Bale. Der Außenstürmer von Real Madrid machte in der Gruppe B letztlich den Unterschied aus. Bale erzielte sieben von elf Toren für die Red Dragons, schoss seine Farben damit zum ersten großen Turnier nach der WM 1958 in Schweden und wird in der Heimat bereits als "Prince of Wales" verehrt.

Slowakei – zweites Großevent innerhalb von sechs Jahren
Nach der WM 2010 in Südafrika ist die EM 2016 in Frankreich das zweite fußballerische Großereignis für die Slowakei. Das erste große Turnier vor fünfeinhalb Jahren endete mit dem zweiten Platz in der Vorrunde und damit dem Achtelfinale gegen die Niederlande (1:2). Das Überstehen der Gruppenphase wird auch in Frankreich wieder das Ziel der Mannschaft von Ján Kozák sein, in dessen Aufgebot stets einige Bundesliga-Legionäre stehen.

Peter Pekarík (Hertha BSC) und Dušan Švento (1. FC Köln) zählen ebenso wie Stanislav Šesták (ehemals VfL Bochum) und Róbert Mak (ehemals 1. FC Nürnberg) seit Jahren zum Inventar der Slovaken. In einer gemeinsamen Qualifikationsgruppe mit Titelverteidiger und Gruppenprimus Spanien hielt die "Repre" die versammelte Konkurrenz im Kampf um den zweiten Quali-Rang auf Distanz. Aus den direkten Duellen mit den Hauptkonkurrenten Ukraine und Weißrussland holte die Slowakei sieben Punkte.

Das entscheidende Erfolgserlebnis liegt unter dem Strich aber schon über ein Jahr zurück. Im Oktober 2014 wurde Spanien mit 2:1 geschlagen nach einem Treffer von Miroslav Stoch kurz vor Schluss. Genau diese drei Punkte Vorsprung retteten die Slowaken vor der Ukraine bis zum Ende ins Ziel. Angeführt von den erfahrenen Eckpfeilern Martin Škrtel, Marek Hamšík und Vladimír Weiss überzeugte die Slowakei durch eine sehr besonnene Spielweise. Die gute Struktur in der Mannschaft in Kombination mit sehr selbstbewussten Auftritten gegen vermeintlich favorisierte Gegner ist eindeutig die Handschrift von Trainer Ján Kozák.

Nordirland – die grün-weiße Armee
Durch den Sieg der Nordiren in Gruppe F werden 2016 zum ersten Mal gleich drei Mannschaften aus Großbritannien zur Endrunde antreten. In der vermeintlich am schwächsten besetzten Quali-Gruppe sicherte sich Nordirland mit einem einem Punkt mehr auf dem Konto den ersten Platz vor Rumänien, das mit nur zwei Gegentreffern die beste Abwehrreihe aller Teams stellte. Der "Green and White Army" gelangen zwei Siege gegen die desolaten Griechen, aber auch gegen Ungarn und Finnland wurde jeweils vierfach gepunktet. Es waren eineinhalb Jahre ohne großen Leistungsabfall, der vor fast jedem Spiel vorhergesagt wurde.

Im Vergleich zu den anderen britischen Teams gibt es bei den Nordiren nicht den einen Topstar. Fast alle Stammspieler sind bei englischen Erst- und Zweitligavereinen beschäftigt, stehen mit ihren Klubs vielfach aber unter ferner liefen. Unter Cheftrainer Michael O'Neill haben sie in dieser Qualifikation zu einer tollen Einheit zusammengefunden. Das größte Starpotenzial bringt da noch Stürmer Kyle Lafferty mit. Der Offensivmann von Premier-League-Aufsteiger Norwich City traf sieben Mal und schoss sich damit zum Liebling der Fans.

Albanien – die neue Balkan-Power
Die Albaner hatten in dieser Runde alles dabei: Der Sensationssieg in Portugal zum Auftakt, das Skandalspiel mit Abbruch in Serbien und eine Schwächephase mit drei Spielen ohne eigenen Treffer. Den Südosteuropäern ist's egal: Zum ersten Mal in der Geschichte lösten sie das EM-Ticket, die Fußballbegeisterung wird im nächsten Jahr nie gekannte Ausmaße erreichen.

Die "Kuqezi" (= die Rot-Schwarzen) sind längst ein Politikum geworden, Ministerpräsident Edi Rama meldete sich regelmäßig vor den brisanten Duellen gegen Serbien und auch dem entscheidenden Spiel gegen Armenien zu Wort. Sein Kommentar nach dem finalen 3:0-Erfolg: "Ein unfassbarer Traum ist wahr geworden. Albanien geht in die EM-Geschichte ein."

Die Truppe der Albaner setzt sich zu einem großen Teil aus Legionären zusammen, die im deutschsprachigen Raum unterwegs sind. Neben acht Profis, die ihr Geld in der Schweiz verdienen, standen mit Mergim Mavraj (1. FC Köln), Amir Abrashi (SC Freiburg), Valdet Rama (1860 München) und Edmond Kapllani (FSV Frankfurt) auch vier Bundesligaspieler im Laufe der EM-Quali im albanischen Kader. Star des Teams ist mit Giovanni De Biasi allerdings der italienische Trainer. Er besitzt nach dem erstmaligen Überstehen der Qualifikationsphase schon jetzt Kultstatus.

Mehr dazu:
>> Die EM-Qualifikation in der Übersicht
>> Island: Außenseiter? Das war einmal...
>> Slowakei qualifiziert sich erstmals für EM
>> Diashow: EM Teilnehmer in Frankreich

Mats-Yannick Roth