01.07.2016 12:05 Uhr

Deschamps will wieder aufs "Dach der Welt"

Da oben, aufs
Da oben, aufs "Dach der Welt", soll es hingehen: Didier Deschamps gibt die Richtung vor

Die Vorgabe für die französische Nationalmannschaft bei der EURO ist klar. Sie soll den Titel im eigenen Land gewinnen. Einer weiß wie sich das anfühlt: Trainer Didier Deschamps.

Diese eine Erinnerung, sie treibt Didier Deschamps an. Seit dem 12. Juli vor 18 Jahren, an dem er als Kapitän der Équipe tricolore den WM-Pokal in den Nachthimmel über dem Stade de France riss, lassen den heutigen französischen Nationaltrainer die Bilder nicht mehr los. "In solchen Momenten hat man den Wunsch, die Zeit anzuhalten und einzufrieren", sagte Deschamps im "Blick"-Interview: "Man ist auf dem Dach der Welt!" Und jetzt will er dorthin zurück.

Dem EM-Titel im eigenen Land ordnet der 47-Jährige alles unter - und das verlangt er auch von seiner Mannschaft. Das Training am Mittwoch, vier Tage vor dem EM-Viertelfinale gegen den krassen Außenseiter Island, war öffentlich. Die Stars im Team, Antoine Griezmann, Dimitri Payet, Rekordkaptiän Hugo Lloris und all die anderen, sie sollten noch einmal spüren, welche Erwartungen die Grande Nation an sie hat. Darüber reden durften sie nicht.

Mit Deschamps kehrte der Respekt zurück

"Ich will das Ehrgefühl und die Lust sehen können, die Spieler empfinden, wenn sie in der Nationalelf spielen", sagte Deschamps, der sämtliche Medientermine absagte. Am Donnerstag und Freitag sollen die Türen des gigantischen Trainingszentrums in Clairefontaine geschlossen bleiben. Volle Konzentration auf Island - und die beiden Spiele, die dann noch kommen sollen. Das Finale steigt am 10. Juli in St. Denis. Dort, wo Deschamps das Dach der Welt bestieg.

"Die Erwartungen waren hoch, genauso wie das Adrenalin", sagte der zweimalige Champions-League-Sieger, früher einer der besten Defensivspieler der Welt, der zwei Jahre nach dem WM-Triumph auch den EM-Titel holte. Die "Klasse von 1998" zählt zu den besten Mannschaften, die es jemals gab. Deschamps war ihr Anführer.

"Wenn du für dein Land spielst, es repräsentierst, schlägt nichts ein großes Turnier wie eine EM oder WM", sagte er: "Wir hatten genug Glück, beides zu gewinnen, das war sagenhaft. Es war ein Privileg, für Frankreich zu spielen."

Für seine Nachfolger schien das lange nicht zu gelten. Bei der WM 2010 unter dem eigenwilligen Raymond Domenech schied Frankreich in der Vorrunde aus, die Spieler streikten, jeder kämpfte für sich selbst. Bis 2012 Deschamps' alter Teamkollege Laurent Blanc und dann der 103-malige Nationalspieler selbst brachten Les Bleus wieder auf Kurs. Der Respekt kehrte zurück.

Mannschaft wichtiger als Spieler

"Die Spieler kennen meine Geschichte", sagte Deschamps, dessen Trainerkarriere bereits 2001 begonnen hatte: "Aber das ist nie ein Thema. Es ist eine für mich hilfreiche Erfahrung, aber ich lebe nicht in der Vergangenheit."

In der Gegenwart muss der 47-Jährige viele Brandherde löschen. Der "le sextape"-Skandal um Karim Benzema und Mathieu Valbuena sorgte in Frankreich für einen Aufschrei. Weil beide deshalb nicht nominiert wurden, wurde Deschamps als Rassist beschimpft, sogar sein Haus wurde mit entsprechenden Beleidigungen beschmiert.

"Für ein großes Turnier wählt man nicht die besten Spieler aus, man versucht, die beste Mannschaft zusammenzustellen", sagte Deschamps trocken. Verbandspräsident Noël Le Graët stärkte seinem Trainer den Rücken. Deschamps soll bleiben - auch wenn er am 10. Juli nicht das Dach der Welt besteigt.