22.06.2018 07:46 Uhr

Der Anfang vom Messi-Ende? - Rücktritt naht

Lionel Messi wird in der Albiceleste einfach nicht glücklich
Lionel Messi wird in der Albiceleste einfach nicht glücklich

Die Augen waren rot und geschwollen. Lionel Messi litt und er wird vermutlich noch länger leiden. Ein Ausscheiden von Vizeweltmeister Argentinien bei der Fußball-WM wäre der Tiefpunkt in der Länderspielkarriere des Nachfolgers von Diego Armando Maradona.

Partie Nummer 127 im Dress der Albiceleste könnte am kommenden Dienstag gegen Nigeria - zwei Tage nach seinem 31. Geburtstag - die letzte des Lionel Andrés Messi Cuccittini sein.

Er leidet, weil er es wie beim demütigenden 0:3 gegen Kroatien in Niszhni Novgorod einfach nicht schafft, die Mannschaft so mitzureißen, wie ihm das Saison für Saison beim FC Barcelona gelingt. Er leidet, weil sein sehnlichster Wunsch wohl unerfüllt und er als Fußballer unvollendet bleibt. 17 WM-Spiele hat er bislang bestritten, fünf Tore schaffte Messi, alle in Vorrundenspielen.

Wie hat Messi nach der Niederlage gegen Kroatien reagiert?

Es war der zweite ganz schwere Knacks für Messi binnen sechs Tagen. Nach dem verschossenen Elfmeter beim 1:1 gegen Island drosch er nach dem Abpfiff voller Frust den Ball in die Luft, riss sich die Kapitänsbinde vom Arm.

Diesmal? Messi resigniert. Der Blick leer und verloren. Er will nur weg. Die Miene versteinert, grußlos an allen vorbei schleicht er als erster vom Rasen. Schon beim Abspielen der argentinischen Hymne hatte er sich über die Stirn gestrichen, es wirkte, als wolle er sich verstecken. Da war noch keine Minute gespielt.

Warum kann Messi nicht, wie es Cristiano Ronaldo macht, die eigene Mannschaft mitreißen?

Argentiniens Trainer Jorge Sampaoli sagt, es sei nicht der richtige Zeitpunkt, die beiden zu vergleichen. Vielleicht doch? Ronaldo hat diese WM bereits zu seiner Bühne gemacht. Zwei Spiele, vier Tore. Ihm allein hat Portugal vier Punkte zu verdanken. Er führte das Team auch vor zwei Jahren zum EM-Titel, selbst wenn er im Finale früh verletzt raus musste. Ronaldo ist besessen davon, zu gewinnen und der beste Fußballer der Welt und am besten aller Zeiten zu sein. Messi ist besessen, Fußball zu spielen. Natürlich mit Erfolg.

Aber Messi muss sich in der Albiceleste als gescheitert ansehen. Er braucht eine Mannschaft, die ihn versteht, er ist ein Bauch-Fußballer, braucht auch eine Wohlfühloase auf dem Platz. Ronaldo haben Widerstände und Hindernisse schon als Kind und Teenager nur noch willensstärker und besessener gemacht.

Wie wahrscheinlich ist ein Rücktritt bei einem Vorrunden-Aus?

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, auch wenn Messi diesbezüglich sich nicht geäußert hat. Vor zwei Jahren trat er schon einmal zurück. Es war nach dem verlorenen Finale der Copa América, zum zweiten Mal in zwei Jahren hatte Messi mit Argentinien im Elfmeterschießen gegen Chile verloren. Messi hatte seinen Elfmeter verschossen. Hinzu kam das verlorene WM-Endspiel in der Verlängerung gegen Deutschland 2014 in Brasilien und noch eines in der Copa América 2007.

"Es sind nun schon vier Endspiele. Es scheint, nicht mein Ding zu sein", erklärte Messi damals seinen Rücktritt. Er kam aber wenige Wochen später zurück, das Land habe schon genug Probleme. Er führte Argentinien zur WM durch einen Dreierpack im entscheidenden Spiel in Ecuador. Und nun steht er vor dem WM-Nichts. "Und jetzt, Messi?", fragte das brasilianische Sportblatt "Lance".

Ist Messi an der Niederlage gegen Kroatien auch schuld?

Trainer Sampaoli übernahm die volle Verantwortung. Und er nahm Messi in Schutz. Die, die mit Messi spielen, sind es seiner Meinung nach. Auf den Punkt gebracht: Die Mannschaft verschwendet ihren Star. "Leo ist limitiert, weil das Team nicht so mit ihm spielt, wie es sollte", sagte Sampaoli. "Wir konnten ihm den Ball nicht hinspielen, damit er Situationen schaffen kann, wie nur er es kann."

Seine fünf WM-Tore erzielte Messi nur in Vorrundenpartien. Wenn es drauf ankam, war Messi nicht da. Im Finale vor vier Jahren enttäuschte er. 20 Ballkontakte hatte er im ersten Durchgang gegen die Kroaten. Für einen, der das Spiel antreiben soll und der seit Jahren gewohnt ist, auch in Vereinsspielen von zwei, drei oder vier Spielern attackiert zu werden, ein geradezu lächerlicher Wert.

Was passiert mit Argentinien bei einem Vorrunden-Aus?

Es ist ja nicht nur Messi, es ist seine Generation. Zum Beispiel Sergio Agüero, Angel di María, Lucas Biglia. Oder Javier Mascherano, Nicolas Otamendi. Noch eine WM? Mit dann 34 und mehr Jahren? Besser dürften sie nicht werden. Messi würde in Katar 2022 35 Jahre alt sein.

2005 wurde Messi Junioren-Weltmeister, war damals bester Torschütze und bester Spieler des Turniers in Kanada. Die Hoffnungen, mit ihm und seinen Altersgenossen den dritten WM-Titel nach 1978 und 1986 nach Argentinien zu holen, waren riesig. 2006, 2010 und 2014 waren es praktisch immer dieselben Spieler, auf die es ankommen sollte. Insgesamt acht Trainer, darunter sogar Maradona, verschliss die Albicelete seit Messis Debüt im August 2005. Eine kontinuierliche Arbeit mit einem Unterbau für die Zukunft war da nicht möglich. Die Zukunft wirkt im Moment wie die Gegenwart, alles andere als himmeblau und weiß.