12.11.2013 16:22 Uhr

Ligen-Check: Ende der spanischen Verhältnisse?

Cristiano Ronaldo im Trikot der Madrilenen
Cristiano Ronaldo im Trikot der Madrilenen

Ist das Ende der "spanischen Verhältnisse" eingeleitet? Kann sich der Aufsteiger auf dem Champions-League-Platz halten und steigt erneut ein Europacup-Starter ab? In der Länderspielpause geht weltfussball auf einen Streifzug durch Europas Topligen und wirft einen Blick auf die größten Überraschungen und herbsten Enttäuschungen. Heute an der Reihe: die spanische Primera División.

Gewohntes Bild in Spanien: bereits nach einem Drittel der Saison hat sich eine kleine Spitzengruppe vom Rest der Liga abgesetzt. Meister Barcelona thront mit erst zwei Verlustpunkten aus 13 Spielen souverän an der Spitze und bildet mit Real Madrid die übliche Phalanx. Getrübt wird das Bild nur durch Atlético Madrid, das - ähnlich wie Bayer Leverkusen in Deutschland - erstaunlich gut mithält und sich gar zwischen die beiden Riesen auf Platz zwei schieben konnte.

Auf den internationalen Plätzen stehen mit Aufsteiger Villarreal und dem wiedererstarkten Europa-League-Finalisten von 2012, Athletic Bilbao, zwei überraschend gut gestartete Mannschaften. Schließlich kämpften die Basken letzte Saison lange gegen den Abstieg. Nachbar und Champions-League-Teilnehmer Real Sociedad kam hingegen nur schwer in Tritt, hat sich aber inzwischen auf den siebten Rang und damit auf Tuchfühlung begeben können.

Dicht an dicht rangieren in der unteren Tabellenhälfte die Teams, die größtenteils dort zu erwarten waren. Auch der finanziell stark angeschlagene Champions-League-Viertelfinalist Málaga, trainiert von Bernd Schuster, findet sich dort wieder. Der Madrider Vorortklub Rayo Vallecano liegt auf Platz 18 und muss sich wieder auf knallharten Abstiegskampf einstellen. Letzte Saison war die Elf aus dem Problemviertel Vallecas noch sportlich für die Europa League qualifiziert, trat allerdings aufgrund des zu geringen Etats freiwillig nicht an.

Die Überflieger der Saison: Atlético Madrid und Villarreal

Zwanzig bis dreißig (im Jahr 2012) Punkte Rückstand am Ende der Saison auf die beiden Erzrivalen aus Barcelona und Madrid definieren die bereits sprichwörtlich gewordenen "spanischen Verhältnisse" klar. Nun jedoch scheint das Spitzenduo zu einem Trio zu mutieren, denn Atlético hat mit nur drei Punkten Rückstand auf Barça ernsthafte (!) Meisterschaftsamibitionen - welche man nicht nur durch den Sieg im Derby bei Real Madrid untermauerte. Die Elf von Taktikfuchs Diego Simeone steht gegen starke Gegner defensiv kompakt und kann sich vorne auf Shootingstar Diego Costa verlassen.

Die letzte Mannschaft, die sich zwischen die beiden Topteams schieben konnte, war 2008 Vizemeister Villarreal. 2011/12 noch Gruppengegner des FC Bayern in der Champions League, stieg das "gelbe U-Boot" in derselben Saison sensationell aus der Primera División ab. Zwar konnte man direkt wieder aufsteigen, der personelle Aderlass war jedoch heftig. Dennoch: durch Unentschieden gegen Real Madrid und auch am vergangenen Wochenende gegen Atlético schob sich der Klub aus der Nähe von Valencia mit starkem Teamgeist und guter Jugendarbeit auf Platz vier vor und könnte schneller als erwartet sein Comeback in der Königsklasse geben.

Die Tiefflieger der Saison: Valencia und Real Betis

Während der Vorort jubelt, ist beim FC Valencia mal wieder Krisenzeit. 275 Mio. Euro Schulden, ein im Übermut begonnenes und längst auf halber Strecke abgebrochenes Stadionbauprojekt, ein ungeduldiges Umfeld und eine zerstrittene Mannschaft prägen den Ex-Meister. Neu-Trainer Djukic schmiss Abwehrstar Adil Rami aus der Mannschaft, nachdem der Mitspieler und Trainer öffentlich als "feige Lügner" bezeichnet hatte. Dem Team selbst fehlt es ohne Rami, Soldado und Albelda an Führungsfiguren – die Verunsicherung ist greifbar und lässt die langjährige dritte Kraft Spaniens im Tabellenmittelfeld versauern.

Überraschend mies steht auch Real Betis aus Sevilla momentan da. Der kontinuierliche Aufstieg des ehemaligen Weltrekordtransfer-Klubs (verpflichtete Denilson 1998 für über 31 Mio. Euro) aus der zweiten Liga mündete letzte Saison in der Europa-League-Qualifikation. Das internationale Parkett scheint dem Team des Erfolgstrainers Pepe Mel allerdings nicht gut zu bekommen. Nach 13 Spielen haben die Grün-Weißen die rote Laterne inne und stecken wieder im reinen Überlebenskampf.

Der Shootingstar: Diego Costa

2012 spielte Diego da Silva Costa noch bei Rayo Vallecano  – einem Klub, bei dem die Spieler oft noch mit alten Fahrrädern zum Training kommen. Ein Jahr und viele Tore später stritten sich kürzlich die beiden großen WM-Favoriten Brasilien und Spanien um die Dienste des 25-jährigen Goalgetters von Atlético Madrid.

Das Hick-Hack um seine Person – inzwischen entschied er sich für Spanien, muss sein Debüt in dieser Woche allerdings verletzungsbedingt absagen – tat seiner Leistung keinen Abbruch: 16 Tore in 15 Spielen in Liga und Champions League stehen bislang zu Buche. Die Meriten des abgewanderten Falcao muss sich der Neu-Spanier aber noch verdienen – zum Beispiel, indem er den ersten Meistertitel seit 1996 ans Vicente Calderón holt.

Der kränkelde Star: Lionel Messi

Wettbewerbsübergreifend 58 Saisontore – das ist die Bestmarke, die Lionel Messi in dieser Spielzeit selbst noch einmal übertreffen wollte. Doch der Serien-Weltfußballer plagt sich in diesen Monaten mit Oberschenkelproblemen herum. Beim Clásico gegen Real Madrid vor zwei Wochen blieb er ungewohnt blass, nun fällt er wieder sechs bis acht Wochen aus. Ein echter Härtetest für seinen Verein, dem er trotz anhaltender Verletzungsprobleme und Formsuche mit acht Toren in elf Spielen maßgeblich zum glänzenden Saisonstart verhalf.

Johann Mai