In Köln brodelt es gewaltig: Verspielt der FC den Aufstieg?

Der 1. FC Köln steht zwei Spieltage vor Schluss auf dem zweiten Tabellenplatz der 2. Bundesliga, also einem Aufstiegsplatz. Trotzdem kippt die Stimmung nach dem bitteren Heim-Remis gegen Schlusslicht und Absteiger Jahn Regensburg. Sportchef Christian Keller kann den Frust verstehen, findet das Pfeifkonzert der Fans aber nicht angemessen. Der Druck auf den Effzeh steigt.
In Köln ließ sich am Samstagabend ein merkwürdiges Crescendo bestaunen. Das ging so: Zur Halbzeit waren die Pfiffe noch relativ leise, aber schon im Müngersdorfer Stadion zu vernehmen. Erste "Struber raus"-Rufe machten die Runde. Zaghaft, aber sie waren da.
Nach dem Abpfiff der Zweitliga-Partie und dem 1:1-Unentschieden gegen das damit abgestiegene Jahn Regensburg entlud sich der Frust der FC-Fans lautstark und unüberhörbar. Pfiffe, deutliche Gesten, Rufe nach dem Aus von Trainer Gerhard Struber. Gepaart mit Sprechchören, die auch die Entlassung des in Dauerkritik stehenden Sportchefs Christian Keller forderten.
2. Bundesliga: Aufgeheizte Stimmung in Köln
Die Stimmung in Köln ist an diesem Samstagabend kolossal umgeschlagen. Statt eines großen Schrittes Richtung Aufstieg und fest eingeplanten drei Punkten gab es einen kräftigen Dämpfer. Auch die Tabellenführung ist weg, an der Spitze thront jetzt der Hamburger SV. Zwei Spieltage vor Schluss droht den Domstädtern nun doch noch ein Herzschlagfinale und Zittern bis zum Schluss.
Konsterniert standen die FC-Spieler nach dem erfolglosen Scheibenschießen gegen die bayerischen Gäste in ihrer Hälfte und ließen das gellende Pfeifkonzert über sich ergehen. Mit Keeper Marvin Schwäbe an der Spitze lief das Team dann auf die Südkurve zu und musste sich dort "einige Takte" anhören, wie es der Torwart in der Mixed Zone nannte.
Szenen, wie man sie eher bei einem Team in akuter Abstiegsnot verorten würde. Die Situation ist so: Köln steht trotz des Unentschiedens auf Platz zwei der Tabelle (55 Punkte), drei Zähler vor dem Drittplatzierten Paderborn (52) auf dem Relegationsplatz. Elversberg und Kaiserslautern können am Sonntag ebenfalls noch 52 Zähler erreichen – die Konferenz gibt es ab 13 Uhr LIVE bei RTL im Free-TV.
Trotz der immer noch guten Ausgangslage ist der FC Stand heute von Euphorie so weit weg, wie wohl lange nicht mehr. Klar steht der Klub faktisch noch auf einem Aufstiegsplatz, die vergangenen beiden Auftritte aber machen den Anhängern große Sorgen und lassen am sicher geglaubten Aufstieg zweifeln.
Blitzableiter Struber nimmt den Frust auf
Diesen Frust der FC-Fans und die Rufe gegen ihn könne er nachvollziehen, erklärte Struber nach der Partie und bezeichnete sich selbst als "Blitzableiter" für die aufgewühlte Fan-Seele.
"Natürlich ist das nicht fein, wenn man das wahrnimmt, dass es Thema ist", sagte der Coach zu den "Struber raus"-Rufen. "Gleichzeitig ist es eine gewisse Normalität, wir sind kurz vor dem Ziel. Dass dann Nervosität aufkommt, dafür habe ich absolutes Verständnis. Es gilt, klar zu bleiben. Und uns nicht von diesen Zurufen als Team auseinanderreißen zu lassen."
Er habe immer von einem "intensiven Marathon" gesprochen, den man vor sich habe. "Jetzt erleben wir kurz vor Schluss noch eine Prüfung auf diese Art und Weise", so Struber. "Das Ergebnis ist richtig enttäuschend und niederschmetternd", analysierte der Trainer. Die Erwartung sei eine ganz andere gewesen. Und wie. Die von Struber geforderte Wiedergutmachung für die Auswärtspleite bei Hannover (0:1) blieb aus. "Wir hatten über den Spielverlauf genug Möglichkeiten, das Spiel zu ziehen", sagte der Coach.
Der 1. FC Köln bleibt damit das wohl rätselhafteste Team der Liga. Mit Ergebnisfußball seit dem Herbst hatte sich der FC zum Wintermeister aufgeschwungen und die Tabellenspitze erobert. Nun zeigt die Formkurve wieder rasant nach unten.
Köln viel zu ineffizient
Dabei schien nach dem Heimsieg gegen Preußen Münster (3:1) Tanker Effzeh auf Kurs. Doch schon in Hannover blieb das Team viel zu harmlos, ließ Big Points liegen. Nun folgte der nächste Nackenschlag, ausgerechnet gegen den Tabellenletzten. Vor allem im letzten Drittel fehlt dem Spitzenteam wieder der Punch und die genauen Abschlüsse, sei es von Florian Kainz, Damion Downs oder Tim Lemperle.
Und selbst der Treffer von Lemperle (59.) war nicht der erhoffte Brustlöser. Der FC-Knoten platzte auch mit Führung im Rücken nicht wirklich. Der Mannschaft fehlte im Schlussdrittel die Genauigkeit. Schwäbe brachte es in der Mixed Zone auf den Punkt: "Wir waren einfach zu ineffizient."
Nach dem Ausgleich von Noah Ganaus (76.) entwickelte sich zwar ein Spiel auf ein Tor, aber die Hochkaräter blieben aus, viele Schüsse landeten im Kölner Nachthimmel. Was folgte, war Fassungslosigkeit und ein gewaltiges Pfeifkonzert.
Die Pfiffe gegen das Team beurteilte Keller als "vollkommen zu Unrecht". Er habe eine Mannschaft gesehen, die versucht habe, alles ins Spiel zu investieren. "Die Mannschaft hat gekämpft und viele Torchancen herausgespielt", so Keller weiter.
"Es ist nicht angemessen gewesen, die Mannschaft so an den Pranger zu stellen", erklärte der Sportchef. Die Mannschaft sitze in der Kabine, als sei die Welt untergegangen, berichtete er. "Aber das ist falsch. Wir haben es nach wie vor in der eigenen Hand."
Für den Unmut der Fans hat er dennoch Verständnis: "Mir ist klar, dass sich der Frust entlädt, weil heute jeder mit einem klaren Heimsieg gerechnet hat. Diese Enttäuschung der Fans kann ich nachvollziehen."
Auf das Pfeifkonzert angesprochen, sagte Kapitän Timo Hübers: "Das deckt sich in großen Teilen mit der Stimmungslage, die wir nach dem Abpfiff hatten." Man dürfe jetzt "richtig wütend" sein. "Ich glaube, ganz Köln ist wütend und enttäuscht über das Ergebnis."
Geht dem 1. FC Köln die Puste aus?
Sportchef Keller war bemüht, den Blick nach vorne zu legen. Doch der Trend spricht aktuell gegen Köln. Aus den vergangenen fünf Spielen fuhr das Team nur fünf Punkte ein. Nicht wirklich die Bilanz eines souveränen Aufsteigers. Es wirkt so, als gehe dem Effzeh im Endspurt die Puste aus
Zieht der FC also wie der FC Schalke, Preußen Münster, Hannover oder Ulm kurzfristig noch die Reißleine auf der Trainerposition? Auf diese Frage hat Keller eine klare Antwort: "Das kann ich ausschließen, weil ich von so was nichts halte", sagte er. Heißt: Der FC geht mit dem Österreicher in die heiße Endphase der Liga.
Zwischen Mannschaft und Trainerteam gebe es einen großen Zusammenhalt, betonte Keller. Auch Keeper Schwäbe stellte sich hinter den Coach. "Er steht bei uns hoch im Kurs, da brauchen wir nicht drüber reden. Er hat uns auch heute gut eingestellt", erklärte der 30-Jährige.
Auf den Effzeh wartet nun ein Restprogramm mit schweren Gegnern. Am Freitag (18.30 Uhr) muss die Struber-Elf beim 1. FC Nürnberg antreten, den Aufstieg dort hat der 1. FC Köln nicht in der eigenen Hand. Am letzten Spieltag (18. Mai, 15:30 Uhr) geht es zuhause gegen den 1. FC Kaiserslautern, der selbst noch um den Aufstieg kämpft. Es sieht nach einem ultimativen Aufstiegs-Showdown aus.
Für die beiden Endspiele wünscht sich Keller "Rückenwind" und "Zuspruch" für die Mannschaft. Dass sich der Wind wieder schnell drehen kann, zeigt ausgerechnet der HSV. Auch die Hamburger verloren in den vergangenen Wochen wichtige Partien. Am Samstag aber waren die Hanseaten zur Stelle und entfachten mit einem 4:0 gegen Darmstadt wieder Aufstiegseuphorie und feierten mit den Fans. So schnell kann es wieder in die andere Richtung gehen.