16.05.2025 16:21 Uhr

Der 1. FC Köln und die Angst vor dem GAU

Der 1. FC Köln steht am Sonntag unter Druck
Der 1. FC Köln steht am Sonntag unter Druck

Aufstiegskracher in Müngersdorf: Der 1. FC Köln hat am Sonntag den Wiederaufstieg in die Bundesliga in der eigenen Hand. Doch nach turbulenten Wochen gibt es wenig Euphorie, viele Fragezeichen und auch leise Zweifel.

Eines muss man diesem Klub lassen: Langweilig wird es am Rhein nie.

In den entscheidenden Wochen vor dem Aufstiegsfinale schreibt der 1. FC Köln nicht nur im Boulevard reichlich Schlagzeilen.

Erst trennte sich der Traditionsklub nach dem bizarren 1:1 gegen Schlusslicht Jahn Regensburg überraschend von Trainer Gerhard Struber und Sportchef Christian Keller, weil die Stimmung kolossal kippte.

Nach dem wichtigen Sieg in Nürnberg (2:1) mit Feuerwehrmann Friedhelm Funkel kam es dann auch noch zum Eklat um Stürmer Tim Lemperle, der nach einem alkoholisierten Party-Ausflug tätlich angegriffen wurde. Die Folge: Nasenbeinbruch und eine Platzwunde – und viele Diskussionen unter Fans und in den Medien. Verstolpert der Effzeh etwa den Aufstieg auf den letzten Metern? Es ist schon kurios: Der Klub steht vor dem wichtigsten Spiel der Saison und gefühlt die ganze Stadt redet über eine Suff-Tour und deren Folgen. 

Viel Druck lastet auf dem 1. FC Köln

Zusammengefasst: Wirklich ruhig und entspannt ist die Stimmung am Geißbockheim nicht. Ohnehin fehlt trotz Platz zwei und einer guten Position im Aufstiegsrennen fast komplett die Euphorie. Dafür ist der Druck umso höher.

Die Lage vor dem entscheidenden Duell gegen Kaiserslautern am Sonntag (15.30 Uhr/Live-Ticker bei sport.de) ist aber eindeutig: Mit einem Sieg oder einem Unentschieden gegen die "Roten Teufel" kann der Effzeh definitiv einen Haken an den ersehnten Wiederaufstieg machen.

Problematisch wird es bei einer Niederlage. Denn wenn die formstarken SV Elversberg und/oder SC Paderborn ihre Spiele (gegen Schalke und Karlsruhe) gewinnen sollten, droht dem FC sogar der Absturz auf Platz vier. Es wäre der GAU für den Wintermeister. Gewinnt nur eines der beiden Teams, würde der FC in der Relegation landen. Der FC müsste nachsitzen. 

Die Partie gegen Lautern hat also das Potenzial zum Zitterendspiel. Denn auch die Pfälzer sind auf einen Dreier angewiesen, um überhaupt noch Chancen auf die Relegation zu haben. Der FCK müsste dann aber auf Patzer von Elversberg und Paderborn hoffen.

Eine der Fragen für Sonntag ist: Wie reagiert der FCK, falls die Konkurrenz auf den anderen Plätzen früh führt und die Aufstiegschancen flöten gehen? Das könnte womöglich dem 1. FC Köln in die Karten spielen.

Eklat um Lemperle überschattet Vorbereitung

Doch dort gibt es selbst genügend Fragezeichen. Das wohl größte: Spielt Tim Lemperle etwa doch? Nach der Attacke auf ihn hatte der Klub zunächst mitgeteilt, ein Einsatz am Sonntag sei unwahrscheinlich.

Unter der Woche stellte sich der erfahrene Interimscoach Friedhelm Funkel hinter seinen Angreifer und ließ den Einsatz offen. Die Verletzungen des Angriffs sind wohl nicht so schlimm, dass er nicht spielen könnte. Problematischer sei eine Knie-Verletzung aus der Vorwoche.

"Er hat heute ein bisschen mit der Mannschaft trainiert und noch leichte Probleme am Knie", sagte Funkel am Freitag auf der Pressekonferenz. "Da warten wir die Reaktion morgen ab. Dann entscheiden wir, ob er dabei ist oder nicht."

Die Aufstellung am Sonntag wird mit Spannung erwartet. Der Trainer-Routinier ließ bewusst offen, inwiefern Lemperle ein Startelf-Kandidat ist, um den Gegner nicht in die Karten gucken zu lassen. 

Ein Einsatz von Lemperle wäre aus mehreren Gründen durchaus überraschend. Denn hier ist die Sorge vieler Fans, dass er nach dieser wilden Woche vielleicht nicht den Kopf für das "Finale" freihat. Unklar ist auch, wie die Heimfans auf ihn reagieren werden – vor allem, wenn es nicht direkt rundläuft. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge steht der Lemperle-Wechsel im Sommer zur TSG Hoffenheim bereits fest.

In Richtung Fans appellierte Funkel am Freitag: "Nehmt die Situation an, wie sie ist, und dann wollen wir gemeinschaftlich aufsteigen."

Spielt er oder spielt er nicht? 

Der Eklat war das bestimmende Thema in dieser Woche. Auch die Mannschaft hat das zu spüren bekommen. Kapitän Timo Hübers bat in der Mixed Zone am Training, nur Fragen zum Sportlichen zu stellen. Kaum vorstellbar, dass der Eklat komplett spurlos an der Mannschaft vorübergeht.

Funkel betont hingegen, dass der Vorfall das Team nicht belasten würde. "Ich kann Ihnen versichern: Was mit Tim passiert ist, hat auf das Spiel am Sonntag null Komma null Einfluss. Das war nicht in Ordnung, aber er ist weder von der Mannschaft noch von mir verurteilt worden", sagte der 71-Jährige. Die Spieler hätten demnach auch keine Strafen für den Stürmer gefordert.

Im Kabinengespräch habe Lemperle "viel Reue" gezeigt, berichtete Funkel. "Von daher ist das Thema für mich erledigt." Auch die Mannschaft habe das so akzeptiert, es sei "kein Bruch" entstanden. Der Coach plädierte für einen "Schlussstrich", der dann unter das leidige Thema gezogen werden müsse.


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Neben all dem Lärm um Lemperle und die Trainer-Entlassung spricht auch die direkte Bilanz gegen Kaiserslautern nicht unbedingt für die Gastgeber. Das Hinspiel gewann Köln zwar knapp mit 1:0. Im Pokal 2023 unterlag das Team mit 2:3. In den letzten drei Ligaspielen (2013 und 2014) blieb Köln sieglos. Als Trainer hat Funkel eine negative Bilanz (sieben Siege, sieben Unentschieden, elf Niederlagen) gegen den FCK.

Eine wirkliche Festung ist das Müngersdorfer Stadion nicht. Die vergangenen Heimspiele waren ein bunter Mix und Achterbahnfahrt für die Fans. Vor dem schwachen 1:1 gegen Regensburg gewann der Effzeh 3:1 gegen Münster, verlor aber auch gegen Hertha mit 0:1.

Funkel setzt auf "Ruhe"

Was spricht für die Kölner? Vor allem die ruhige Art von Funkel sowie seine Erfahrung von sechs Rekord-Aufstiegen. Dazu hat der Klub in Damion Downs einen hervorragenden Lemperle-Ersatz, der genauso viele Tore erzielt hat in dieser Saison.

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Klar ist aber: Ein Nicht-Aufstieg für den 1. FC Köln wäre eine Katastrophe. Weitere Millionen-Einnahmen würden dem FC fehlen, das zweite Jahr in der 2. Bundesliga dürfte nochmal deutlich schwieriger und anspruchsvoller werden. Auch die Zukunft einiger Spieler wie Linton Maina, Eric Martel oder mögliche Verstärkungen wie Ragnar Ache (Kaiserslautern) hängen davon ab, wo der Effzeh in der kommenden Saison spielt.

Zumal viele weitere Fragen offen sind, die in den kommenden Wochen zu klären sind. Wer wird der neue Trainer? Wer wird neuer Sportchef? Wie stellt sich der Vorstand neu auf? Es warten weitere turbulente Zeiten auf den Klub.

Viel unmittelbarer ist da der Showdown am Sonntag. Funkel weiß, worauf es ankommt. Sein Credo: "Die Ruhe bewahren, Selbstbewusstsein ausstrahlen, der Mannschaft vertrauen und auch eine gewisse Lockerheit reinbringen", erklärte Funkel. "Man darf nicht zu sehr verkrampfen."

Aber auch Funkel weiß: Am Ende geht es für den Klub einzig darum, diese merkwürdige Saison mit dem Aufstieg zu beenden. Egal wie.