16.11.2014 11:40 Uhr

DFB-Team fokussiert auf Spanien-Kracher

Eine November-Reise in die nasskalte Provinz Pontevedra ist das Letzte, was die fußballmüden Weltmeister jetzt noch brauchen. Einzig der große alte Rivale Spanien gibt Thomas Müller und Co. als Gegner den Kick für eine letzte Kraftanstrengung 2014 im Nationaltrikot.

"Natürlich ist das noch einmal ein Highlight, bei dem man ein Zeichen setzen will. Es ist sehr viel Prestige in dem Spiel drin. Es ist auf jeden Fall ein Spiel, auf das man sich freut", sagte Deutschlands bester Torschütze des glorreichen WM-Jahres.

Auch Joachim Löw war vor dem knapp dreistündigen Sonderflug nach Vigo am Montag erleichtert, dass nach dem absurden Anrennen gegen die Abwehrexperten aus Gibraltar (4:0) in der EM-Qualifikation eine Aufgabe mit sportlicher Aussagekraft ansteht. "Beide Mannschaften wollen am Jahresende zeigen, was in ihnen steckt. Wir wollen gewinnen", verkündete der Bundestrainer, der seine 20 Spieler nach einem freien Wochenende erst am späten Sonntagabend in München zurückerwartete.

"Das ist passé und spielt für beide keine Rolle"

Jahrelang war Spanien für Löw und seine Titeljäger das Maß aller Dinge. Vor der Partie gegen den amtierenden Europameister im reichlich heruntergekommenen Estadio Municipal de Balaídos von Vigo am Dienstag will der DFB-Chefcoach die Vergangenheit aber nicht überbewerten. "Das Spiel ist alles, nur keine Revanche für irgendein Spiel, was vielleicht 2010 verloren ging oder 2008. Das ist passé und spielt für beide keine Rolle", sagte Löw.

Durch den WM-Triumph von Rio ist auch das Spanien-Trauma der 0:1-Niederlagen im EM-Finale 2008 und WM-Halbfinale 2010 besiegt. Doch ein Erfolg im Testspiel gegen die einst übermächtigen Iberer würde dem WM-Jahr - gerade nach den zuletzt ernüchternden Leistungen - den richtigen Schlussakkord geben. "Ich erwarte, dass der ehemalige Weltmeister den aktuellen Weltmeister schlagen will. Es ist ein wichtiges Spiel für die und für uns", betonte Real-Profi Toni Kroos vor der Partie in seiner neuen Wahlheimat den Stellenwert.

Neuer reist nicht mit nach Spanien

Löw rückte von seinem ursprünglichen Plan ab, mehrere in ihren Clubs dauerbeanspruchte Akteure zu schonen. Das Risiko, mit einer B-Elf an der Atlantikküste unterzugehen, schien doch zu groß. Einzig Torwart Manuel Neuer (Kniebeschwerden) und Jérôme Boateng (muskuläre Probleme) blieben in München. "Gegen Spanien hätte ich gerne mit der besten Mannschaft gespielt, aber wir wollen bei Manuel kein Risiko eingehen", begründete der DFB-Chefcoach den Verzicht auf den Bayern-Schlussmann, der eigentlich dafür bekannt ist, jedes Spiel spielen zu wollen und am Freitagabend noch keinerlei gesundheitliche Probleme reklamiert hatte.

Roman Weidenfeller und eventuell auch Ron-Robert Zieler können sich auf Einsatzzeit in Vigo freuen, was als Dank für die Kooperation in den WM-Tagen zu werten ist. Torwarttrainer Andreas Köpke bescheinigte im Programmheft für das Gibraltar-Spiel beiden einen tadellosen Charakter und adelte sie sportlich: "Ich bin mir sicher, dass wir auch mit Roman oder Ron im Tor Weltmeister geworden wären."

Besonderer Reiz für Spanien-Legionäre

Löw hat eine "andere Aufstellung" als gegen Gibraltar angekündigt. Womöglich könnte aus dem 3-5-2-System eine 4-3-3-Formation werden - dann wohl wieder ohne Lukas Podolski. Durch den Ausfall Neuers muss Löw in jedem Fall einen neuen Ersatzkapitän für den weiterhin fehlenden Spielführer Bastian Schweinsteiger bestimmen. Kandidat Nummer eins ist Sami Khedira, für den die Partie als Real-Profi wie für seinen Clubkollegen Kroos einen besonderen Reiz hat. "Wir sind zumindest auf Augenhöhe und wir wollen ein gutes Spiel zum Abschluss abliefern", versprach Khedira.

90 Minuten Einsatzzeit traut Löw Khedira nach dessen diversen Blessuren allerdings noch nicht zu, so dass Müller dann als Käpt'n Nummer vier die Binde übernehmen könnte. Der Bayern-Profi hatte als zweifacher Torschütze gegen Gibraltar allen Verdruss über den verkrampften Auftritt gegen die Amateure vom Affenfelsen zum Ausdruck gebracht. "Dieses Spiel ist eins, das man nicht braucht", sagte er. Die Sehnsucht der Weltmeister nach einer schöpferischen Pause nach dem wahnsinnig emotionalen Jahr äußerte auch Müller. "Grundsätzlich ist es gut, dass wir näher Richtung Weihnachten kommen. Mal zwei, drei Wochen Pause zu haben, schadet nicht."

Zehn Tore hat Müller 2014 im DFB-Trikot erzielt, vier von insgesamt sieben in der holprig angelaufenen EM-Qualifikation, in der sich die DFB-Auswahl mit nun sieben Punkten hinter Polen (10) und Irland (7) immerhin auf Platz drei der Gruppe D verbesserte. Spanien gewann am Samstag mit 3:0 gegen Weißrussland und ist damit weiterhin Zweiter hinter der Slowakei, die den mit seinem personellen Umbruch beschäftigten Titelverteidiger im Oktober überraschend bezwungen hatte. Der letzte deutsche Sieg gegen Spanien datiert vom 16. August 2000, als beim Debüt von Teamchef Rudi Völler ein 4:1 in Hannover gefeiert wurde. In Spanien konnte eine DFB-Elf letztmals bei der WM 1982 gegen die Iberer (2:1) gewinnen.

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dpa