04.09.2015 08:45 Uhr

Krychowiak: Wie aus einer anderen Zeit

Grzegorz Krychowiak (r.) gehört zu den besten Mittelfeldspielern in Spanien
Grzegorz Krychowiak (r.) gehört zu den besten Mittelfeldspielern in Spanien

Grzegorz Krychowiak zählt nach nur einer Saison beim FC Sevilla zu den besten Mittelfeldspielern der Primera División. Dabei glänzt der polnische Nationalspieler in erster Linie mit Attributen, die im modernen Fußball sonst kaum noch gefragt sind.

Wenn man in der heutigen Zeit auf die Schnelle Bewegtbilder eines Fußballers sehen will, ist das ganz einfach. Man surft YouTube an, gibt den Namen desjenigen ins Suchfeld ein und findet je nach Popularität des Spielers eine mehr oder weniger große Auswahl an Zusammenschnitten von Spielszenen.

Diese sind dann zumeist mit Titeln wie "Tore, Vorlagen, Fähigkeiten" versehen und zeigen in der Regel vor allem technische Kabinettstücken, Dribblings und andere Offensivaktionen, bei denen sich der Normalsterbliche vor dem Bildschirm mit ziemlicher Sicherheit zumindest die Beine verknoten würde.

Sucht man in dem Videoportal dagegen nach Grzegorz Krychowiak, bietet sich ein anderes Bild: Sein Best-of-Clip der Saison 2014/2015 beispielsweise enthält in etwas mehr als 16 Minuten eine kaum nennenswerte Anzahl von starken Szenen in der gegnerischen Hälfte. Stattdessen sind überlegen gewonnene Kopfballduelle, perfekt getimte Tacklings und einfaches, aber präzises Passspiel zu sehen.

Besser als Busquets und Kroos

Mit genau diesen Eigenschaften brilliert der Pole beim FC Sevilla, seitdem er vor einem Jahr für vergleichbar läppische fünf Millionen Euro vom französischen Erstligisten Stade Reims nach Andalusien wechselte. Krychowiak ist zwar in der im modernen Fußball so wichtigen defensiven Mittelfeldschaltzentrale zuhause, entspricht dem heutigen Prototyp des Sechsers von internationaler Klasse aber nur bedingt.

Er ist kein eleganter Dirigent wie Barça-Star Busquets, kein Edeltechniker wie Reals Weltmeister Toni Kroos und kein Alleskönner wie der spanische Nationalspieler Koke von Atlético Madrid. Trotzdem stach er alle drei aus, als es um die Benennung der offiziellen La-Liga-Elf der Saison ging.

 

Ein von LaLiga Official (@laliga) gepostetes Foto am

"Er ist ein harter Hund"

Wenn der in seiner langjährigen Wahlheimat Frankreich respektvoll "Holzfäller" oder "Klempner" genannte Krychowiak bei jedem Einsatz 90 Minuten über den Platz hetzt, hin und wieder kompromisslose Grätschen einstreut und so seinen Gegenspielern immer mehr die Lust am Spielen nimmt, ist das hocheffizient, wirkt aber oftmals wie ein Relikt aus längst vergangenen Tagen. Der 25-Jährige erinnert dann trotz seiner ebenfalls beeindruckenden Passsicherheit vor allem an einen guten alten Vorstopper - im positivsten Sinne.

Dazu passt auch, dass kleinere und größere Wehwehchen den unermüdlichen Malocher nicht stoppen können. "Egal ob er eine Knöchelverletzung hat oder eine gebrochene Nase, er will immer spielen", erzählt Sevillas Trainer Unai Emery: "Er ist ein harter Hund."

Absage an die Gunners

Die Sevillistas führte Krychowiak in der vergangenen Spielzeit nicht nur zu einem äußerst respektablen fünften Tabellenplatz in der Liga, sondern auch zum zweiten Triumph in der Europa League hintereinander. Mit seinen starken Leistungen auf nationalem und internationalem Parkett machte er auch die zahlungskräftige Konkurrenz aus dem Ausland auf sich aufmerksam.

Vor allem in England brach ein regelrechter Krychowiak-Hype aus. Koryphäen wie Gary Neville schwärmten in den höchsten Tönen von dem so britisch spielenden Polen. Arsenal war angeblich bereit, die festgeschriebene Ablöse von knapp 30 Millionen Euro für den noch bis 2018 unter Vertrag stehenden Mittelfeldmann zu berappen. Via Twitter verkündete Krychowiak jedoch eine knappe Woche vor Ende der Transferperiode öffentlich seinen Verbleib in Sevilla, zumindest für die laufende Saison.

Große Ziele auch mit der Nationalmannschaft

Nicht nur mit seinem Klub, für den er nun erstmals in der Champions League auflaufen wird, hat Krychowiak in den nächsten Monaten viel vor. Auch im Nationaldress will der nahe der deutschen Grenze in Gryfice geborene Mittelfeldmann zusammen mit Superstar Robert Lewandowski und Co. weiter für Furore sorgen – zunächst im Rückspiel gegen die DFB-Elf am Freitag in Frankfurt am Main (ab 20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker). "Wir fahren nach Deutschland um zu siegen", erklärte Krychowiak vor der Abreise selbstbewusst dem polnischen Online-Portal "Onet".

Gelingt dem aktuellen Tabellenführer der Gruppe D nach dem sensationellen 2:0-Erfolg in Warschau im Oktober auch beim zweiten Kräftemessen mit dem großen Nachbarn ein Überraschungscoup, könnten die Biało-Czerwoni schon für die EM im kommenden Jahr planen. Mit dabei wäre dann sicherlich auch Krychowiak, der mit seiner Spielweise für einen Hauch Nostalgie bei der Endrunde in Frankreich sorgen würde.

Mehr dazu:
>> Grzegorz Krychowiaks Vereinsspiele im Überblick

Tobias Knoop