07.09.2015 13:11 Uhr

"Witz von Europa": Presse vernichtet Oranje

Robin van Persie (l.) und Wesley Sneijder sind geknickt
Robin van Persie (l.) und Wesley Sneijder sind geknickt

Das Titelseiten-Foto von Robin van Persie steht symbolisch für das blanke Entsetzen einer ganzen Fußball-Nation: Ungläubig, ja fassungslos, schlägt der Stürmer sein Trikot vor den Mund. Nach der 0:3-Niederlage in der Türkei steht Oranje in der Qualifikation zur Europameisterschaft 2016 vor dem Aus. "Was für eine Blamage", titelt die große Boulevardzeitung "De Telegraaf". "Oranje ist der Witz von Europa."

Orange ist die neue Farbe der Niederlage. "Die Untergrenze ist erreicht," stellt "De Volkskrant" fest. Der WM-Dritte habe das Niveau der "Spelunken des europäischen Fußballs" erreicht: "Gibraltar, Malta, San Marino, Andorra. ... und die Niederlande?"

Nach der peinlichen Heimschlappe gegen Island in der vergangenen Woche brauchte Oranje mindestens ein Unentschieden gegen die Türkei, um sich die Chance auf ein direktes EM-Ticket zu erhalten. Und das auch noch ohne Mannschaftskapitän Arjen Robben. Der Bayern-Stürmer war im Spiel gegen Island verletzt ausgeschieden.

Nicht mehr in der eigenen Hand

Jetzt aber sind die Niederlande in der Gruppe A hinter der Türkei auf den vierten Platz abgerutscht - Island und Tschechien sind bereits qualifiziert. Die Elf des neues Bondscoaches Danny Blind hat die EM-Qualifikation nicht mehr in der eigenen Hand und kann nur noch auf ein Wunder hoffen.

3,5 Millionen Niederländer waren an den Bildschirmen Zeugen des Debakels und haben jede Hoffnung verloren. Das Spiel war noch nicht abgepfiffen, schon twitterten Oranje-Fans - auf Deutsch - den gefürchteten zynischen Gassenhauer ihrer Nachbarn: "Ohne Holland fahr'n wir zur EM". Das "Algemeen Dagblad" konstatierte sogar: "Das Land ekelt sich vor Oranje".

"Eine der größten Fehlleistungen"

Die Niederländer sind von der Vorstellung ihrer Elf entsetzt. "Bei Oranje fällt alles zusammen", urteilt das "Algemeen Dagblad" gnadenlos - und das auf einer fast tiefschwarzen Titelseite. Die Männer um van Persie seien "verantwortlich für eine der größten Fehlleistungen des niederländischen Fußballs".

Das Spiel war "blass" und "abstoßend", kommentieren die Experten. Die Mannschaft scheiterte "auf allen Linien." Schlechte Noten bekommt vor allem Bondscoach Blind, der nach dem 0:1 gegen Island seine zweite Niederlage kassierte. Nach dem Abschied von Guus Hiddink nach weniger als nur einem Jahr war das Vertrauen in den früheren Ajax-Spieler schon nicht groß - nun liegt es unter dem Nullpunkt. Doch der Königliche Fußballverband sprach Blind sein volles Vertrauen aus.

Cruyff hat kein Mitleid

Auch Fußball-Guru Johan Cruyff hat kein Mitleid. Das Ruder muss herumgerissen werden, forderte er in seiner Kolumne in "De Telegraaf" und erklärte: "Alles liegt an der Denkweise". Das Schlüsselproblem sieht er in der Abwehr: "Wie verteidigt man und wo verteidigt man."

Der Trainer selbst bleibt kühl und analytisch. "Persönliche Fehler in der Verteidigung", konstatiert er. Nach den zwei schnellen türkischen Toren in der ersten Halbzeit "haben wir vergessen, uns selbst zurück ins Spiel zu schießen".

Und jetzt? Nach 2002, als Oranje die WM-Qualifikation verpasste, droht nun erneut ein großes Turnier ohne die Niederlande stattzufinden. "Das ist sicher besorgniserregend", meinte Blind.

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dpa