13.10.2015 01:55 Uhr

Die EM ist weit und doch so nah

Marcel Koller:
Marcel Koller: "Da oben ist die Luft sehr dünn"

Österreichs Nationalteam hat mit dem 3:0-Sieg gegen Liechtenstein in Wien das letzte Spiel der EM-Qualifikation absolviert. Nach dem kurzen Freudenfest rückt die Vorbereitung in den Mittelpunkt.

Bereits seit dem 4:1-Triumph in Schweden steht Österreich als Teilnehmer der EM 2016 in Frankreich fest. Der souveräne Auftritt hat am ganzen Kontinent für Aufsehen gesorgt. "Dass wir uns frühzeitig qualifiziert haben und Platz elf (in der FIFA-Weltrangliste, Anm.) erreicht haben, ist anderen Nationen auch aufgefallen", sprach ÖFB-Teamchef Marcel Koller über das gesetzte Zeichen. Bereits in den vergangenen Wochen hatte der Schweizer stets gewarnt: "Da oben ist die Luft sehr dünn."

Konnten für die zwei letzten Qualifikationsspiele noch kleine Ziele wie Lostopf zwei bei der EM-Auslosung am 12. Dezember oder Einzug in die Top-Ten der Weltrangliste ausgegeben werden, so gilt ab sofort der Fokus der Europameisterschaft.

"Bei uns geht es Schlag auf Schlag. Wir werden normal weiterspielen", erinnerte Florian Klein daran, dass der Alltag Fußball beim Verein bedeutet, "und wir hoffen, dass sich keiner verletzt." Klopfen wir auf Holz, dass alle Teamkicker fit bleiben. Damit ist es aber nicht getan. Denn der Konkurrenzkampf bleibt geöffnet.

"Es gibt keinen Freibrief", betonte Koller nach dem Liechtenstein-Spiel. Er hatte zuvor zum vierten Mal in Folge die selbe Startelf beginnen lassen. Sieben Spieler absolvierten alle Partien, drei - Keeper Robert Almer sowie Kapitän Christian Fuchs und der zweite Außenverteidiger Florian Klein fehlten nicht einmal eine Minute.

Rotation sei nun schon auch wichtig. Diese Aussage ließ sich Marcel Koller durchaus entlocken. "Im März ist noch ein Lehrgang mit zwei Länderspielen und im Mai haben wir auch vor zwei zu spielen. Da wollen wir uns natürlich den einen oder anderen mal ansehen."

Sabitzer nutzte die offene Tür bereits

Koller strich Marcel Sabitzer als positives Beispiel hervor. "Sabitzer war einer, der aufgefallen ist im Training. Er ist nah dran. Für uns war klar, dass wir ihn bringen, wenn wir offensiv etwas tun müssen", so der Teamchef. Der Neo-Leipziger dankte es mit dem Siegestor beim 3:2-Erfolg in Montenegro. Koller erwartet sich von den übrigen Reservisten ähnlichen Druck auf die etablierten Kräfte.

Taktik und System werden bestenfalls um Nuancen erweitert, nicht aber grundlegend verändert. "Wenn wir was ganz anderes machen, bis das drinnen ist, reicht die Zeit nicht. Das kann die Spieler verunsichern", glaubte Koller. "Das was wir gut können, sollen wir weiter gut machen. Es gibt, das ist natürlich auch immer abhängig vom Gegner, die eine oder andere taktische Variante. Aber dazu müssen wir den Gegner kennen."

Die Spieler sahen durchwegs noch Luft nach oben. "Bei der EM beginnt es wieder bei null. Jetzt müssen wir uns weiterentwickeln. Aber so wie wir auswärts gespielt haben, Kompliment", meinte Aleksandar Dragović. Zlatko Junuzović sah es ähnlich: "Wir müssen diesen Weg weitergehen. Wenn wir uns zurücklehnen und sagen, wir sind eingespielt und das und das passt, dann werden wir schnell wieder verlieren." Der Ehrgeiz ist ungebrochen. Es ist kein Lippenbekenntnis, das Team wirkt durch Taten authentisch. "Wir müssen noch stärker werden, wir haben die Qualität, dass wir noch besser spielen", so Junuzović. 

Erster Test gegen Kollers Heimat

Erster Punkt des Vorbereitungsprogramms ist ein Trainingslager in Alicante. Vom 9. bis 15. November weilt das ÖFB-Team in Spanien. Am 17. November gastiert dann die Schweiz in Wien. Für Marcel Koller ein spezielles Spiel. "Ich habe 50 Mal für die Schweiz gespielt, gegen sie noch nie."

Souveräne Auftritte in der Qualifikation könnten ähnliche Vorschusslorbeeren heraufbeschwören, wie sie Belgien vor der WM 2014 erhielt. Eine Einordnung innerhalb des internationalen Kräfteverhältnisses ist schwer, trotz oder wegen der FIFA-Weltrangliste.

Österreich kann eigentlich auf so gut wie keine Turniererfahrung zurückgreifen. Nur wenige aktuelle Teamkicker waren bei der Heim-EM 2008 dabei. Endrunde, das bedeutet Spiele gegen die besten Mannschaften binnen weniger Tage. Mit der Ausnahme des spätherbstlichen Doppels 2014 gegen Russland (EM-Qualifikation) und Brasilien (Freundschaft) ist auch dies eine für den ÖFB relativ unbekannte Intensität, zumal andere Doppeltermine stets einen auf dem Papier "leichten" Gegner brachten.

Im November wurde auf ein zweites Testspiel gegen einen ähnlich schweren Gegner wie die Schweiz bewusst verzichtet. "Wir wollten mehr Zeit, um gewisse Dinge anzusprechen. Wenn du zwei Spiele hast, kannst du weniger trainieren. Daher haben wir diese Priorität gesetzt", meint Koller.

Bezüglich Regeneration mache er sich ohnehin keine Sorgen. "Unsere medizinische Abteilung ist top. In zwei Spielen hintereinander können wir gute Leistungen bringen, das haben wir schon gezeigt." Der Hebel müsse an anderer Stelle angesetzt werden, wie Koller überzeugt ist. "Dass du mental frei bist, dass du dich freust, diese Euphorie hast und überzeugt bist, dass du gut spielst und diese Ideen gut umsetzt, auch gegen Topnationen. Ich bin überzeugt, dass wir das bei der Endrunde zeigen werden."

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Sebastian Kelterer