15.06.2018 11:53 Uhr

Harter Trainer-Zoff gefährdet Spaniens WM-Mission

Julen Lopetegui startet seine neue Aufgabe bei Real Madrid
Julen Lopetegui startet seine neue Aufgabe bei Real Madrid

Der Knatsch zwischen Real Madrid und dem spanischen Verband hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Frontalattacken aus der Hauptstadt treffen die Delegation in Russland zur Unzeit.

Allein die Ansetzung war ein weiterer Affront. Spaniens Nationalteam hatte sich in Sotschi gerade ein letztes Mal vor dem WM-Auftakt der Weltpresse präsentiert, da bat Real Madrid nahezu zeitgleich in der spanischen Hauptstadt zur Vorstellung von Julen Lopetegui.

Doch damit nicht genug. Was am späten Donnerstagabend folgte, war eine Aneinanderreihung von Vorwürfen, die von der Sportzeitung Marca als die "10 Dartpfeile von Florentino und Lopetegui" gen spanischer Verbandsspitze betitelt wurden. Die Aussagen des einflussreichen Klubpräsidenten Florentino Perez und des Trainers, der bis Mittwoch noch spanischer Nationalcoach war, bergen eine Menge Zündstoff, der im Lager des Weltmeisters von 2010 weiteren Ärger heraufbeschwören könnte.

"Es gibt kein einziges Argument, das rechtfertigt, dass Julen nicht auf der Bank der Nationalmannschaft sitzt", sagte Perez in scharfem Tonfall. Es gebe dafür keinen Präzedenzfall in der Geschichte des Fußballs, in der ein Gebaren wie das von Real und Lopetegui als Illoyalität ausgelegt worden sei. Der Bauunternehmer sprach von einem "absurden Akt falsch verstandenen Stolzes", Lopetegui sei um seinen Traum betrogen worden.

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Lopetegui bedauert Demission ausdrücklich

Auch Lopetegui, dessen Frau und drei Kinder das skurrile Schauspiel im Ehrengastbereich des Estadio Santiago Bernabeu miterlebten, nahm kein Blatt vor den Mund: "Es hätte mich gefreut, wenn Luis Rubiales anders gehandelt hätte", sagte er und nannte den Tag seiner Demission den "traurigsten Tag meines Lebens seit dem Tod meiner Mutter".

Doch Verbandschef Rubiales, von Reals Wurf einer "Handgranate in die Baracken der Nationalelf" (El Pais) völlig überrumpelt, hatte sich zur Ultima Ratio gezwungen gesehen. Nachdem die Königlichen wenige Stunden zuvor die Verpflichtung Lopeteguis für die kommende Saison bekannt gegeben hatten, fackelte Rubiales nicht lange und setzte den in den letzten zwei Jahren so erfolgreichen Coach am Tag vor WM-Beginn vor die Tür.

"Wenn es sich um ein anderes Team als Real Madrid gehandelt hätte, wäre dann das gleiche passiert?", sinnierte Lopetegui auf dem Podium und ließ damit reichlich Raum für Interpretationen: "Das ist eine gute Frage."

Ramos zeigte sich trotzig

Fest steht: Die erneuten Frontalattacken aus der Hauptstadt treffen die spanische Delegation zur Unzeit. In den Wochen und Monaten vor der WM in Russland stand das ganze Land geschlossen wie selten hinter seiner Seleccion. Selbst im rebellischen Katalonien fieberte man den Spielen entgegen. Doch nun reißen alte Gräben wieder auf. Offenbar auch innerhalb der Mannschaft.

Man könne über die Entlassung von Lopetegui verschiedener Meinung sein, sagte Sergio Ramos, Kapitän der Nationalmannschaft und bei Real, kurz vor dem ersten WM-Spiel vielsagend. "Das sind keine schönen Zeiten", so der Abwehrchef, der sich vehement für eine Weiterbeschäftigung Lopeteguis eingesetzt hatte. Laut spanischen Medienberichten soll es zwischen Ramos und Rubiales nach der Entscheidung sogar beinahe zu Handgreiflichkeiten gekommen sein.

"Julen wird immer Teil unseres Teams sein, egal, was bei dieser WM passiert", sagte Ramos trotzig. Das Ziel bleibe aber auch mit Interimscoach Fernando Hierro das gleiche: "Wir sind hier, um den WM-Pokal zu holen."