15.02.2024 11:50 Uhr

Tuchel-Aus? "Dann hätte der FC Bayern nichts gelernt"

Thomas Tuchel ist beim FC Bayern umstritten
Thomas Tuchel ist beim FC Bayern umstritten

Nach der bitteren 0:1-Niederlage des FC Bayern im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Lazio Rom nehmen die Diskussionen um Coach Thomas Tuchel Fahrt auf. Auch in der sport.de-Redaktion wird über das Für und Wider eines Trainerwechsels diskutiert. Zwei Redakteure, zwei Meinungen:

Pro: Nicht Tuchel ist das Problem des FC Bayern!

Wer jetzt eine Entlassung von Thomas Tuchel beim FC Bayern fordert, macht es sich viel zu einfach. Denn sie wäre allenfalls aktionistisch, die wahren Probleme beim deutschen Rekordmeister würde sie keineswegs lösen.

Man hätte wieder einmal nichts aus den eigenen Fehlern gelernt, zeigt die Entlassung von Julian Nagelsmann vor rund einem Jahr in der Nachbetrachtung doch deutlich, dass ein Trainerwechsel allein aus einer mit Stars gespickten Mannschaft nicht zwangsläufig eine Star-Mannschaft macht.

Die sportliche Entwicklung beim FC Bayern spricht schließlich nicht erst seit der krachenden Pleite in Leverkusen und dem 0:1 bei Lazio Rom eine deutliche Sprache. Von seiner einstigen Dominanz ist der deutsche Rekordmeister schon länger weit entfernt, sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene.

Wenngleich Tuchels Personal-Entscheidungen der letzten Wochen durchaus für berechtigte Kritik sorgten, liegt das eigentliche Problem in der Zusammenstellung des Kaders, der anscheinend völlig überschätzt wird. Daran war auch Nagelsmann schon gescheitert, ein wie Tuchel unbestritten hervorragender Trainer.

Nur ein Beispiel: Im Sommer schmissen sich die FCB-Verantwortlichen, notgedrungen, auf den Harry-Kane-Deal, der sich letztlich wie ein Kaugummi zog. Andere wichtige Baustellen, wie etwa hinten rechts in der Abwehr, vernachlässigten die Bosse. Am Ende stand Tuchel ohne Benjamin Pavard, in der Vorsaison noch eine zentrale Säule, und dessen Ersatzmann Josip Stanisic da. Beinahe panisch wurde im Winter mit der überteuerten Verpflichtung von Sacha Boey nachjustiert.

Wie sagt man so schön: Eine gute Offensive gewinnt Spiele, eine gute Defensive gewinnt Meisterschaften.

Statt nun über den Trainer zu diskutieren, müssen vielmehr die Spieler auf dem Platz den Beweis liefern, dass sie tatsächlich das "internationale Format" (O-Ton Thomas Müller) besitzen, das sie sich selbst stets zuschreiben. Gefragt sind auch DFB-Spieler wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Leroy Sané oder Jamal Musiala, von denen im EM-Jahr bessere Leistungen erwartet werden dürfen.

Gerrit Kleiböhmer

Contra: Ein Top-Trainer, aber nicht der richtige für den FC Bayern!

Manchmal passen alle Zutaten für ein schmackhaftes Gericht auf den ersten Blick zusammen - und doch schmeckt es am Ende nicht. Das kann unterschiedliche Gründe haben, mangelnde Erfahrung oder schlechtes Timing sind nur zwei davon.

Um in der Metapher zu bleiben: Auch Thomas Tuchel, verpflichtet als Sternekoch von internationaler Qualität, bringt auf dem Papier alles mit, um beim FC Bayern Haute Cuisine, die gehobene Küche, zu zelebrieren. Doch gefühlt landet derzeit nur aufgewärmte Tiefkühlkost auf den Tellern.

So kann und darf es beim ebenso stolzen wie erfolgsverwöhnten FC Bayern nicht weitergehen. Eine titellose Saison wird immer wahrscheinlicher, auch wenn bislang nur der DFB-Pokal verloren ist. Und daran trägt Tuchel eine Mitschuld, die Julian Nagelsmann in einer vergleichbaren Situation im letzten März zum Verhängnis wurde.

Seither ist an der Säbener Straße kaum etwas besser geworden: Weder der Kader, noch der Fußball und schon gar nicht die Stimmung. Während man Tuchel Ersteres zugutehalten muss, liegen die übrigen Probleme eindeutig in seinem Verantwortungsbereich.

Im Jahr 2024 spielt der FC Bayern bieder und uninspiriert, zudem wirkt ein Teil der Mannschaft latent frustriert. Und dann wären da ja noch Tuchels regelmäßige Verbal-Scharmützel mit seinen Kritikern, die das schiefe Bild abrunden.

Keine Frage - Tuchel ist ein Trainer auf Weltniveau, doch nach knapp zwölf Monaten im Amt muss man feststellen: manchmal kann auch ein einzelner Koch den Brei verderben, Michelin-Stern hin oder her. Und der FC Bayern muss es auslöffeln.

Heiko Lütkehus