25.01.2023 11:58 Uhr

Klub im Kaufrausch: Chelseas irrwitzige Zukunftswette

Der FC Chelsea schmeißt das Geld in diesen Tagen zum Fenster raus
Der FC Chelsea schmeißt das Geld in diesen Tagen zum Fenster raus

Der FC Chelsea schmeißt sein Geld in diesen Tagen mit beiden Händen zum Fenster raus, verpflichtet für Unsummen Spieler, die höchstens Kennern ein Begriff sind, und stattet diese meist Anfang 20-Jährigen mit halben Rentenverträgen aus. Dahinter steckt eine Wette auf die Zukunft, die riskanter kaum sein könnte.

Der FC Chelsea hat es schon wieder geschafft. Nachdem der Klub bereits im Sommer den englischen Transferrekord brach und für rund 300 Millionen Euro neue Spieler verpflichtete, pulverisierten die Blues in den letzten Wochen auch die Winter-Bestmarke. Mit Ausgaben in Höhe von beinahe 200 Millionen Euro thronen die Londoner nun auch in dieser Liste einsam an der Spitze. 

Angesichts der sportlich prekären Lage - der Klub liegt nach 20 Spieltagen nur auf Platz zehn der Tabelle - eine zwar immer noch absurde, aber doch auch nachvollziehbare Shoppingtour. Geld ist schließlich genug vorhanden, zudem sind die Saisonziele arg gefährdet.

Als Reaktion auf die sportliche Talfahrt ist der Kaufrausch der Blues allerdings nur bedingt zu verstehen. Denn garantierte "Soforthilfen" sind die verpflichteten Spieler nicht.

Zu den Neuzugängen gehören etwa der 21-jährige Benoît Badiashile und der 20-jährige Noni Madueke. Beides hochtalentierte Spieler. Aber eben auch nicht mehr. Ob sie Chelsea auf ein neues Level heben können? Fraglich. Trotzdem legten die Blues alleine für das Duo fast 75 Millionen Euro auf den Tisch.

Als Königstransfer folgte der Ukrainer Mykhaylo Mudryk (22), der den Klub am Ende gar 100 Millionen Euro kosten könnte.  

Die Konkurrenz rümpft angesichts der immensen Ausgaben der Blues die Nase. "Es ist interessant, erklären kann ich es nicht. Wenn die Zahlen stimmen, dann ist es beeindruckend", wunderte sich zum Beispiel Jürgen Klopp über den Kaufrausch der Londoner, über die der Deutsche sagte: "Sie lösen ihre Probleme anders als wir."

Chelsea und der Trick mit den langen Vertragslaufzeiten

Zur Problemlösungsstrategie des FC Chelsea zählt noch ein weiterer Punkt, der große Diskussionen auslöst: ungewöhnlich lange Vertragslaufzeiten. In der Bundesliga sind diese auf maximal fünf Jahre begrenzt, in England nicht. Die Blues nutzen das. Nicht etwa, weil sie unumstößlich an das Potenzial der Spieler glauben. Vielmehr erlauben es die langen Vertragslaufzeiten dem Klub, seine eigene Bilanz zu verschönern.

Wechselt etwa ein Spieler für eine Ablöse von 100 Millionen Euro und unterschreibt einen Zehnjahresvertrag, so tauchen aus diesem Transfer jedes Jahr nur zehn Millionen Euro in den Büchern auf. Würde der Spieler für nur vier Jahre unterschreiben, wären es jedes Jahr 25 Millionen Euro. Für die Einhaltung der finanziellen Vorgaben ein entscheidender Unterschied. 

Ein Superstar zum Schnäppchenpreis?

Verantwortlich für diesen Kurswechsel ist Chelseas neuer Besitzer Todd Boehly. Der Unternehmer hat sich den US-Sport zum Vorbild genommen, in dem lange Vertragslaufzeiten in einigen Sportarten gang und gäbe sind.

Der Vorteil für den Klub: Man verpflichtet einen jungen Spieler und bietet ihm ein zu diesem Zeitpunkt angemessenes Gehalt. Entwickelt er sich wie erhofft, hat der Klub Jahre später im Idealfall einen äußerst günstigen Superstar unter Vertrag, den andere Klubs nicht so leicht abwerben können.

Auch für den Spieler bietet das Modell Vorteile, schließlich hat er mit nur einer Unterschrift für den Rest seines Lebens ausgesorgt.  

Chelsea droht eine teure Sackgasse

Doch es gibt auch eine Kehrseite. Was ist, wenn sich der Spieler nicht wie erhofft entwickelt, was bei 20-Jährigen eher Regel als Ausnahme ist? Dann hat der Klub einen Angestellten unter Vertrag, den er vielleicht loswerden kann, dessen frühere Ablöse aber noch mehrere Jahre in den Büchern auftaucht. Ein Albtraum für die eigenen Bilanzen.

Der noch extremere Fall: Was ist, wenn der Klub den Spieler loswerden will, keinen Käufer findet, gleichzeitig aber Ersatz braucht? Dann würde der Verein an zwei Fronten kämpfen - und doppelt dafür zahlen. Andere Klubs könnten das wiederum nutzen, um Chelsea in Verhandlungen unter Druck zu setzen. In diesem Fall würde die Strategie der Blues in eine äußerst teure Sackgasse führen, an deren Ende ein dickes Minus steht. 

Für den Spieler steht ebenfalls viel auf dem Spiel. Angenommen, er entwickelt sich wie erhofft und wird tatsächlich zu einem Superstar, könnte er am Ende mit weitaus weniger Geld dastehen, als er eigentlich verdient hätte. Auch er geht also ein hohes Risiko ein.

UEFA will Transfer-Tricksereien prüfen

Bisher sorgen die Blues mit ihrer Geschäftspraktik bei der Konkurrenz lediglich für Kopfschütteln. Doch schon bald könnte die UEFA dem Gebaren einen Riegel vorschieben.

"Wenn andere Klubs das gleiche machen, wird es ein Chaos geben. Also müssen wir sie schützen. So verlagert man die Probleme nur in die Zukunft", erklärte eine UEFA-nahe Quelle der "Sun", dass der Verband darüber nachdenkt, die Regeln zu ändern, um derartige Transfer-Tricksereien zu verbieten. 

Bis dahin kann der FC Chelsea das Schlupfloch im Regelwerk weiter ausnutzen und seine irrwitzige und riskante Wette auf die Zukunft weiter vorantreiben. Wie das Ganze ausgeht, kann heute niemand mit Gewissheit sagen.  

Christian Schenzel